Erschienen in Ausgabe: No 87 (05/2013) | Letzte Änderung: 08.05.13 |
Burckhardt, Jacob: Weltgeschichtliche Betrachtungen, Wiesbaden: Marix Verlag GmbH 2009, 320 S., ISBN 978-3-86539-184-1
von Bernd Ehlert
Der
Schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt (1818–1897) ist wissenschaftlicher
Zeitzeuge der großen gesellschaftlichen Umbrüche, die seit der Französischen
Revolution in Europa stattgefunden haben. Wer sich nicht von seinem enormen
geschichtlichen Faktenwissen und seiner kunst- wie stilvollen Beredsamkeit
blenden lässt, wird bei einem kritischen und sachlichen Rückblick aus der
heutigen Perspektive feststellen, dass die bei Burckhardt zu findenden
seltsamen und zum Teil geradezu menschenverachtenden Aussagen nicht
vereinzelte, unzusammenhängende Missverständnisse oder Ausrutscher sind.
Dahinter tritt bei genauerem Hinsehen vielmehr hervor, dass Burckhardt die
Umbrüche seiner Zeit grundlegend und systematisch falsch einschätzt und
bewertet. Das, was er vor dem Hintergrund seines zyklischen Weltbildes
durchgehend als Bedrohung und Irrweg ansieht, nämlich Demokratie,
Menschenrechte, soziale Absicherung und technisch-industrielle Entwicklungen,
verstehen wir heute allgemein als humanen, kulturellen und sozialen Fortschritt,
während umgekehrt wir heute allgemein die Werte verurteilen, die er dagegen
anführt und hochhält, besonders sein vom Rassismus geprägtes Menschenbild und
eine Kriegsverherrlichung in der alten aristokratischen Gesellschaftsform. Der
Schweizer Historiker Caspar Hirschi bringt als einer der Wenigen die Kritik an
Burckhardt und das Problem um ihn auf den Punkt, wenn er sagt: „Allein, für
Ikonoklasten wie Egon Flaig und Aram Mattioli, die Burckhardt zum Antisemiten
und wissenschaftlichen Leichtfuß stempeln und mit Hochgenuss die
Verschleierungsversuche der Burckhardt-Hagiographie bloßlegen, stellen die
Herausgeber keine Bühne bereit“ (Hirschi 2007, 32). Warum wird bei Burckhardt
jegliche Kritik unterdrückt und nicht in einem differenzierten Burckhardt-Bild
der bei ihm mit Händen zu greifende verhängnisvolle Geist des 19. Jahrhunderts
objektiv und sachlich gesehen und behandelt?
Rassismus,
Kriegsverherrlichung und Demokratiefeindlichkeit bei Burckhardt
Burckhardt
unterscheidet zwischen höheren und „geringern Rassen, die der Negervölker usw.,
der Wilden und Halbwilden“(Oeri 2009, 52). „Denn diese Völker sind von Anfang
an die Beute einer ewigen Angst; ihre Religionen gewähren uns nicht einmal
einen Maßstab für die Anfänge der Entbindung des Geistigen, weil der Geist dort
überhaupt nie zu spontaner Entbindung bestimmt ist“ (Oeri 2009, 52). So fragt
Burckhardt weiter: „Wie weit werden geringere Rassen durch ihre
Schreckensreligionen in ihrer Unkultur festgehalten? Oder behaupten sich diese
Religionen eher, weil die Rasse nicht kulturfähig ist?“ (Oeri 2009,
120). Trotz der Religion des Christentums gehört für Burckhardt etwa das
äthiopische Volk zu den „ganz verkommenen oder geistig unfähigen Völkern“ (Oeri
2009, 180), wobei auch die Juden ein naives Volk sind, das sich ein fremdes
Land von seinem Nationalgott schenken und sich von ihm mit der Ausrottung der
bisherigen Einwohner beauftragen lässt (vgl. Oeri 2009, 193-194). Der Islam und
der „elende Koran“ (Oeri 2009, 122) sind für ihn eher schädlich als nützlich.
„Wer die Moslemin nicht ausrotten kann oder will, lässt sie am besten in Ruhe;“
(Oeri 2009, 137). Sogar China mit seiner uralten Kultur kanzelt er ebenfalls
ab, denn für ihn sind „die Mongolen doch (soweit sie nicht Türken in sich
begriffen) eine andere und geistig geringere Rasse, wie ihr höchstes geistiges
Kulturprodukt, nämlich China, beweist“ (Oeri 2009, 194).
Diese
pauschale Diskriminierung des Fremden ist für Burckhardt grundlegend und
zentraler Teil seines speziellen Geschichtsverständnisses und Weltbildes, d.h.
auch andere Ansichten von Burckhardt, die wir heute verurteilen, verbinden sich
in seinem Weltbild in durchaus stimmiger Weise. Für ihn sind die Verhältnisse
einmal in einer bestimmten Weise geschaffen worden und bestehen in dieser Form
unverändert fort. Je nach Rasseeigenschaft und Schichtzugehörigkeit innerhalb
der eigenen Rasse besitzen die Menschen daher für ihn ein konstantes und
unterschiedliches Maß an Geist und Kultur, das dann in dieser feststehenden
Form nur wirkt. Der Kern auch seines Rassismus ist, dass ein Mensch niederer
Rasse das geistige Vermögen eines Menschen einer höheren Rasse niemals
erreichen kann, und dasselbe gilt für die Schichtzugehörigkeiten innerhalb
einer bestimmten Rasse oder eines Volkes.
Unter Entwicklung versteht Burckhardt dementsprechend
grundsätzlich nicht die weitere Zunahme von Geist, Kultur und Sittlichkeit im
menschlichen Sein, egal ob im Individuum oder als Gesellschaft. Die heutige,
auch durch die Evolutionstheorie bedingte Vorstellung, dass es in der
menschlichen Entwicklung einen geistigen, kulturellen oder sittlich-moralischen
Fortschritt gibt, etwa in den zur Zeit Burckhardts geschehenen Umbrüchen ab der
Französischen Revolution, ist bei ihm gemäß der folgenden Aussage einzuordnen:
„Daher ist unsere Präsumption, im Zeitalter des sittlichen Fortschritts zu
leben, höchst lächerlich“ (Oeri 2009, 82).
Das für ihn entscheidende Moment einer
Höherentwicklung ergibt sich vielmehr aus seiner Aussage: „Sodann ist hier
vorauszunehmen schon der Krieg überhaupt als Völkerkrisis und als notwendiges
Moment höherer Entwickelung“ (Oeri 2009, 196). Das heißt: „Ein Volk lernt
wirklich seine volle Nationalkraft nur im Kriege, im vergleichenden Kampf gegen
andere Völker kennen, weil sie nur dann vorhanden ist; auf diesem Punkt wird es
dann suchen müssen, sie festzuhalten“ (Oeri 2009, 196), und weiter: „Die Kriege
reinigten die Atmosphäre wie Gewitterstürme, stärkten die Nerven, erschütterten
die Gemüter, stellten die heroischen Tugenden her, auf welche ursprünglich die
Staaten gegründet gewesen seien, gegenüber Entnervung, Falschheit und Feigheit.
Denken wir hier vollends auch an H. Leos Wort vom 'frischen und fröhlichen
Krieg, der das skrofulöse Gesindel wegfegen soll'“ (Oeri 2009, 197).
Das Verständnis für Kultur als Art und Weise des
menschlichen und gesellschaftlichen Zusammenlebens auch zwischen verschiedenen
Völkern und seiner weitergehenden Entwicklung ist bei dem »Kulturhistoriker«
Burckhardt schlichtweg nicht vorhanden, bzw. es ist bezeichnend auf das folgende
primitive Verständnis beschränkt: „Aber ein einfaches, kräftiges Dasein, noch
mit dem vollen physischen Adel der Rasse, unter beständiger gemeinsamer
Gegenwehr gegen Feinde und Bedrücker ist auch eine Kultur und möglicherweise
mit einer hohen inneren Herzenserziehung verbunden“ (Oeri 2009, 303).
Dass für Burckhardt in seinem Weltbild nicht das
Geistige der Maßstab für die Kultur- und Gesellschaftsentwicklung ist, belegen
folgende für uns heute schwer nachzuvollziehende Aussagen (die aber bis zum 2.
Weltkrieg bei uns dagegen noch sehr vertraut geklungen haben). So zitiert er
Lasaulx, der zu der germanischen Invasion ins Römische Reich sagt: „Jedes große
Volk, wenn es in seiner Gesamtheit nicht mehr eine gewisse Masse unverbrauchter
Naturkräfte in sich trägt, aus denen es sich erfrischen und verjüngen kann, ist
seinem Untergang nahe,“ (Oeri 2009, 194). Weiter bemerkt Burckhardt zu der
Entwicklung im alten Rom: „Die Krisis des römischen Imperiums war nicht
abzuschneiden, da sie auf dem Drang jugendlicher Völker von großer
Fruchtbarkeit nach dem Besitz südlicher, menschenarm gewordener Länder
beruhte;“ (Oeri 2009, 204). Was er hier mit „unverbrauchten Naturkräften“ und
„jugendlichen Völkern von großer Fruchtbarkeit“ meint, ist mit dem heutigen
evolutionären Verständnis des Menschen völlig rätselhaft und weltfremd.
Von diesem rassistischen Welt-
und Menschenbild lässt sich auch seine Demokratiefeindlichkeit ableiten, in der
plötzlich seinem Verständnis nach Menschen mitbestimmen dürfen und sollen, die
dazu gar nicht geeignet sind. Daher ist für Burckhardt „Demokratie das
Tummelfeld offizieller Mittelmäßigkeiten“ (Oeri 2009, 155). Weiter heißt es bei
ihm dazu: „In Rom ist bei allen sogenannten Revolutionen doch die eigentliche,
große, gründliche Krisis, d.h. der Durchgang der Geschichte durch
Massenherrschaft, immer vermieden worden“ (Oeri 2009, 200). Die „eigentliche,
große, gründliche Krisis“ ist für ihn also vor allem durch die Massenherrschaft
oder Volkssouveränität bedingt, die sich zu seiner Zeit zumindest teilweise
schon durchsetzt.
Von diesem Welt- und
Menschenbild her kann Burckhardt die großen Veränderungen seiner Zeit nur als
Bedrohung und Irrweg verstehen. Daher sieht er seine Zeit in einer großen
Krise, wobei Krisen in seinem zyklischen Weltbild eine entscheidende Rolle
spielen. Zu dieser Krise gehören für ihn somit alle großen Veränderung seiner
Zeit, wie auch die des „Erwerbs und Verkehrs“, die wir heute wie die Demokratie
oder Volkssouveränität ebenfalls als Fortschritt sehen. Er sagt dagegen: „Allein
im 18. Jahrhundert beginnt und seit 1815 eilt in gewaltigem Vorwärtsschreiten
der großen Krisis zu die moderne Kultur. […] Es meldet sich die Idee der
Volkssouveränität, und sodann beginnt das Weltalter des Erwerbs und Verkehrs,
und diese Interessen halten sich mehr und mehr für das Weltbestimmende“ (Oeri
2009, 161-162). „Aus diesem allem entsteht die große Krisis des Staatsbegriffs,
in welcher wir leben“ (Oeri 2009, 163).
Die
systematische Kritik an Burckhardt vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen
Umbrüche
Die
Vorlesungen „Über das Studium der Geschichte“ des Kulturhistorikers Jacob
Burckhardt (1818–1897) werden von seinem Neffen Jacob Oeri im Jahre 1905 mit
dem Titel „Weltgeschichtliche Betrachtungen“ zum ersten Mal als Buch
herausgegeben. Es gilt, dem Buchklappentext der Auflage von 2009 nach, als „der
Schlüssel zum Verständnis von Burckhardts Werk“ (Oeri 2009) und, dem
Klappentext einer anderen Ausgabe nach, als „kontemplatives Trostbuch“ (Ganz
1982).
Trostbuch
für wen oder was? Das ist heute bei Burckhardt eine entscheidende Frage, wenn
er nach den Worten des Schweizer Historikers Aram Mattioli von Heerscharen
seiner Verehrer zur Lichtgestalt stilisiert und ihm ein Platz im Pantheon der
Meisterdenker zugewiesen wird (vgl. Mattioli 2001, 7). Schon Nietzsche nennt
ihn „unseren großen, größten Lehrer“ und Burckhardts Portrait ziert bis heute
die höchste Geldnote der Schweiz, den 1000-Franken-Schein.
Doch
Mattioli ist einer der wenigen Kritiker von Burckhardt. Er sieht „bestehende
Forschungsdefizite“ (Mattioli 2001, 9) und „findet sich bald vor einer Mauer
der Auslassungen und eingeschliffenen Legenden wieder“ (Mattioli 2001, 9). Das
Werk von Burckhardt enthält für Mattioli „nachtschwarze Seiten“ (Mattioli 2001,
8), wie etwa einen Antisemitismus, der in diesem Buch allerdings nicht
anzutreffen ist. Weiter stellt Mattioli mit Blick auf den großen
gesellschaftlichen Umbruchprozess zur Zeit Burckhardts über ihn fest: „In der
Emanzipation der Juden bündelte sich gleichsam alles, was ihm als konservativem
Mitglied der alten Basler Herrenschicht an der Gegenwart Unbehagen bereitet:
die fortschreitende Demokratisierung und die egalisierenden Tendenzen des
Massenzeitalters (wie das allgemeine Männerwahlrecht, die Gleichberechtigung
der Religionsbekenntnisse oder die allgemeine Schulpflicht), die liberale
Vorherrschaft in der Politik, die Bevölkerungsexplosion und die schnell
voranschreitende Verstädterung, aber auch das «räderschnurrende Elend» der
industriellen Welt und die Herrschaft kommerzieller Werte“ (Mattioli 2001,
31-32).
In
diesen großen wirtschaftlichen, aber eben besonders auch gesellschaftlichen und
sozialen Umbrüchen des 19. Jahrhunderts gipfelt die Thematik der ca. 1870
mehrmals gehaltenen Vorlesungen, diezum
Buch der Weltgeschichtlichen Betrachtungen werden. Dabei zeigt sich beim
kritischen Lesen aus der heutigen, rückblickenden Perspektive, dass der bis in
unsere Tage als Genie verehrte Burckhardt bei der Einordnung und Bewertung der
um ihn herum geschehenen Umbrüche sozusagen in grandioser Weise danebenliegt.
Denn die ca. 150 Jahre währende Entwicklung der vielen von Rechtlosigkeit,
Unterdrückung, Armut und Leibeigenschaft betroffenen Menschen von der
Französischen Revolution zum heutigen freien und gleichen Bürger mit seinen
Grund- und Menschenrechten in einer demokratischen Staatsform sieht Burckhardt
gerade nicht wie etwa schon Schiller in seiner Antrittsvorlesung als Historiker
knapp hundert Jahre vor Burckhardts Vorlesungen als Befreiung und geistigen,
kulturellen und humanen Durchbruch in der Geschichte des Menschen, als „unser
menschliches Jahrhundert“ (Schiller 2006, 27), sondern Burckhardt empfindet
diese Umbrüche ganz im Gegenteil im Sinne der Gegenaufklärung und Restauration
als Bedrohung und als Irrweg und bringt es gar in einen Zusammenhang mit den
Weltuntergangsvorstellungen seines zyklischen Weltbildes. Hirschi bemerkt
passend dazu: „Burckhardt inszeniert sich wechselweise als
altständisch-aristokratischer Amateur und profaner Endzeitprophet - bis heute
mit Erfolg“ (Hirschi 2007, 32).
Burckhardt
zeigt in diesem Buch zweifellos sein äußerst umfangreiches geschichtliches
Faktenwissen, das er mit großer Beredsamkeit kunst- und stilvoll darzubieten
und in Beziehung zu setzen vermag. Doch für den kritischen Leser, der sich
nicht von Burckhardts besonderer Art der Schilderung und Darbietung
beeindrucken lässt, sondern nüchtern und sachlich die Grundaussage der
Weltgeschichtlichen Betrachtungen mit dem tatsächlichen Verlauf der umwälzenden
Entwicklungen samt den noch nach Burckhardt folgenden Katastrophen und
schließlich den heutigen Ergebnissen vergleicht, ist der große und grandiose
Irrtum Burckhardts offensichtlich. Dieser Irrtum disqualifiziert Burckhardt bei
unvoreingenommener Beurteilung als „Meisterdenker“.
Dass
das bis heute von vielen Intellektuellen unser Gesellschaft bis auf wenige
Ausnahmen nicht in einem differenzierten Burckhardt-Bild gesehen,
berücksichtigt und kritisiert wird, ist ein geistiges, kulturelles und
wissenschaftliches Armutszeugnis. Es stellt sich zudem dabei unwillkürlich die
Frage, warum das so ist und was dieser verhängnisvolle Geist des 19.
Jahrhunderts, der mit seinem Antisemitismus, Rassismus, Chauvinismus und seiner
Kriegsverherrlichung bei Burckhardt mit den Händen zu greifen ist, mit den
folgenden beiden großen Katastrophen des 20. Jahrhundert zu tun hat. Zumindest
ergibt sich aus der kritiklosen und hingebungsvollen Verehrung Burckhardts als
„großer Mann“ eindeutig, dass dieser Geist in manchen Teilen der
intellektuellen Eliten unserer Gesellschaft ganz offensichtlich nicht wirklich
überwunden ist. Das Verständnis der Weltgeschichtlichen Betrachtungen erweist
sich dazu als Klarheit gebende Nagelprobe.
Es
geht daher bei der Beurteilung dieses Buches nicht allein um Burckhardt als
intellektuellen Zeitzeuge mitten in einem großen gesellschaftlichen Umbruch,
sondern es geht vielmehr auch um die heutige Verehrung der Person und vor allem
der Werte, für die Burckhardt steht, und es geht somit ebenfalls noch um die
(mangelhafte) Aufarbeitung der beiden großen Katastrophen, in die diese Werte
im letzten Jahrhundert geführt haben. Natürlich ist Burckhardt mit den
Nationalsozialisten und ihren Taten nicht auf eine Stufe zu stellen, aber die
Anerkennung und Wertschätzung, die er bei ihnen erfährt (vgl. Mattioli 2001, 48),
besitzt ihren triftigen Grund. Das zeigen nicht nur einzelne äußerst
menschenverachtende Aussagen in seinem Werk.
Das
Weltbild von Burckhardt und dessen Bezug zur Struktur und Gesamtaussage des
Buches
Die
Struktur, Aufgabe und Methode der Weltgeschichtlichen Betrachtungen wird sofort
am Anfang von Burckhardt selbst offen und klar zusammen mit seinem Weltbild
vorgegeben. „Nach einer allgemeinen einleitenden Darlegung unserer Ansicht“
(Oeri 2009, 7), die unter anderem über die Methode aufklärt und sein zyklisches
Weltbild enthält, „werden wir von den drei großen Potenzen Staat, Religion und
Kultur zu sprechen haben“ (Oeri 2009, 7). Dieser Teil der drei großen Potenzen
und ihrer gegenseitigen Bedingtheiten nimmt ungefähr die Hälfte des Buches ein.
Darin vermittelt Burckhardt sein großes Geschichtswissen, von dem seine
Verehrer so angetan sind, „denn er betrieb Geschichte vor allem als
literarische Kunstform“ (Mattioli 2001, 8). Die Methode, mit der er es
vermittelt, wird zuvor in der Einleitung festgelegt, und zwar derart, dass
ausdrücklich keine Anleitung zum historischen Studium im gelehrten Sinne
gegeben wird, sondern nur Winke zum Studium des Geschichtlichen in den
verschiedenen Gebieten der geistigen Welt. Wichtigster Bestandteil dessen ist
der Verzicht auf alles Systematische (vgl. Oeri 2009, 8), wieder im konträren
Gegensatz zu Schiller, bei dem das System und der philosophische Verstand das
Entscheidende zum Verständnis der Geschichte sind (vgl. Schiller 2006, 24), wie
überhaupt festzustellen ist, dass intellektuelle Erkenntnis immer etwas mit
Systematik zu tun hat. Burckhardt begnügt sich mit Wahrnehmungen und gibt
ausdrücklich keinen chronologischen Längsschnitt, sondern nur Querdurchschnitte
durch die Geschichte und zwar in möglichst vielen Richtungen, und er will vor
allem keine Geschichtsphilosophie geben (Oeri 2009, 8).
Burckhardt kritisiert hier besonders Hegel mit dessen
Verfolgung eines Weltplanes, lehnt darüber hinaus aber jeglichen Weltplan ab,
auch den des Christentum mit dessen erwarteten zukünftigen göttlichen Reich.
Obwohl Burckhardt aus einer alten Theologenfamilie stammt und selbst zunächst
Theologie studiert hat, wird seine Ablehnung des Christentums in folgenden
Worten deutlich: „Zunächst weist die Kultur in Gestalt von Forschung und Philosophie
dem Christentum seine menschliche Entstehung und Bedingtheit nach;“ (Oeri 2009,
185). Das Christentum ist für ihn, „wie alle Religionen, in völlig kritiklosen
Momenten und unter völlig hingerissenen und kritikunfähigen Menschen
entstanden,“ (Oeri 2009, 185-186). Hier hat er seltsamerweise die neuzeitliche
Aufklärung vollständig vollzogen und sieht das Christentum nur noch als ein
kulturelles Phänomen.
Burckhardt lehnt aber nicht nur einen alles
erfassenden, vorgegebenen und sich erfüllenden Weltplan ab, sondern auch alles,
was irgendwie in diese Richtung weisen oder eine Systematik erkennen lassen
könnte, wie „Fragen wie die nach Einwirkung von Boden und Klima und die nach
der Bewegung der Weltgeschichte von Osten nach Westen“, „sowie auch alles Kosmische,
die Lehre von den Rassen, die Geographie der drei alten Weltteile u. dgl.“
(Oeri 2009, 11). Im heutigen modernen Wissenschaftsverständnis, das sich auch
als Geschichtswissenschaft an der Evolutionstheorie orientiert, spielen gerade
die oben genannten Bedingungen, die Burckhardt gänzlich verwirft, in der
menschlichen Geschichte eine entscheidende Rolle. Auch in der folgenden Aussage
wird der große Gegensatz zum heutigen Wissenschaftsverständnis deutlich, der
darin einen ganz entscheidenden Einfluss auf Burckhardts Bewertung der Umbrüche
seiner Zeit hat: „Die Geschichtsphilosophen betrachten das Vergangene als
Gegensatz und Vorstufe zu uns als Entwickelten – wir betrachten das sich
Wiederholende, Konstante, Typische als ein in uns Anklingendes und Verständliches“
(Oeri 2009, 10).
Dieses „Wiederholende“ gipfelt bei ihm letztlich in
seinem zyklischen Weltbild, bzw. umgekehrt bestimmt dieses Weltbild seine Sicht
auf die Welt. Im Gegensatz zu seinem abnormen Faktenwissen, aber durchaus in
Übereinstimmung mit seiner Vermeidung alles Systematischen, ist dieses Weltbild
äußerst einfach und schlicht. Das sagt Burckhardt mit folgenden Worten sogar
selbst: „Da nun unsere Aufgabe insofern eine mäßige ist, als unser Gedankengang
keine Ansprüche macht, ein systematischer zu sein, dürfen wir uns auch (heil
uns!) beschränken. Wir dürfen und müssen nicht nur absehen von vermutlichen
Urzuständen, von aller Betrachtung der Anfänge, sondern auch uns beschränken
auf die aktiven Rassen“ (Oeri 2009, 11).
„Wir sind aber nicht eingeweiht in die Zwecke der
ewigen Weisheit und kennen sie nicht“ (Oeri 2009, 9.) Trotzdem Burckhardt das
„kecke Antizipieren eines Weltplanes“ (Oeri 2009, 9) und grundsätzlich alles
Systematische ablehnt, taucht an zwei Stellen, die sich in der Vorlesung (nicht
im Buch!) beide in der Einleitung befinden, sein eigenes Weltbild auf, das
darin im Zusammenhang mit seinem höchsten Ideal steht, und zwar besonders an
der Stelle, die Oeri aus der Einleitung der Vorlesung herausnimmt und an das
Ende des Buches setzt. Das höchste Ideal ist für Burckhardt, wie er es an
anderer Stelle ausführt, die Erkenntnis des Weltgeschichtlichen und seiner
Gesetze als Teil des großen Weltganzen (vgl. Oeri 2009, 19).
Wie sieht und erklärt Burckhardt dieses Weltganze
letztlich und als solches? Das blitzt an diesen beiden Stellen bei ihm kurz
aber hell und tief auf, und zwar jeweils und sozusagen systematisch zusammen
mit Krisen und Revolutionen. An der ersten Stelle, die sich sowohl in der
Vorlesung als auch dem Buch in der Einleitung befindet, wird zunächst als „das
große durchgehende Hauptphänomen“ der typische Verlauf der Welt beschrieben,
wobei mit den letzten beiden Sätzen das für Burckhardt entscheidende Wesen des
Weltganzen an sich offenbart wird:
Es entsteht eine geschichtliche
Macht von höchster momentaner Berechtigung; irdische Lebensformen aller Art:
Verfassungen, bevorrechtete Stände, eine tief mit dem ganzen Zeitlichen
verflochtene Religion, ein großer Besitzstand, eine vollständige
gesellschaftliche Sitte, eine bestimmte Rechtsanschauung entwickeln sich daraus
oder hängen sich daran und halten sich mit der Zeit für Stützen dieser Macht,
ja für allein mögliche Träger der sittlichen Kräfte der Zeit. Allein der Geist
ist ein Wühler und arbeitet weiter. Freilich widerstreben diese Lebensformen
einer Änderung, aber der Bruch, sei es durch Revolution oder durch allmähliche
Verwesung, der Sturz von Moralen und Religionen, der vermeintliche Untergang,
ja Weltuntergang kommt doch. Inzwischen aber baut der Geist etwas Neues, dessen
äußeres Gehäuse mit der Zeit dasselbe Schicksal erleiden wird (Oeri 2009, 13).
Die Systematik dieses Weltbildes besteht, wie in dem
„großen durchgehenden Hauptphänomen“ musterhaft beschrieben, in der nicht
weiter erklärbaren Entstehung bestimmter Strukturen und Verhältnisse des
menschlichen Lebens. Die Struktur des Buches folgt nun diesem Weltbild, indem
Burckhardt diesen Welt-Zustand nach der Einleitung mit seiner, wie er es selbst
feststellt (vgl. Oeri 2009, 37), recht willkürlichen Trennung der drei großen
Potenzen Staat, Religion und Kultur ausgiebig beschreibt, und zwar als
„dauernde und allmähliche Einwirkungen aufeinander“, die so eine lange Zeit vor
sich gehen. Zur Systematik und zum gesetzmäßigen Wesen dieses Weltbildes gehört
es jedoch, dass diese allmählichen Veränderungen irgendwann in die
„beschleunigten Bewegungen des ganzen Weltprozesses übergehen“ (Oeri 2009, 7).
Das Buch folgt auch hier wieder diesem Weltbild, wobei die beschleunigten
Bewegungen des Weltprozesses mit dem Kapitel „Die geschichtlichen Krisen“
beginnt. Nach einer allgemeinen Beschreibung von Krisen in der Geschichte endet
das Kapitel mit den Krisen der Zeit Burckhardts und einem Zusatzkapitel über
„Ursprung und Beschaffenheit der heutigen Krisis“.
Die entscheidende Frage zur Einordnung des Buches und
dessen Gesamtaussage ist im Zusammenhang mit Burckhardts zyklischem Weltbild
die, ob die Umbrüche, die Burckhardt als Krisen seiner Zeit sieht, so groß
sind, dass sie in einen Weltuntergang und damit in einen neuen Zyklus enden. Das
kann und will Burckhardt nicht eindeutig und klar beantworten, da auch er wie
schon zitiert nach seinen Worten in die Zwecke der ewigen Weisheit nicht
eingeweiht ist und das kecke Antizipieren eines Weltplanes verabscheut. Er
weist nur deutlich auf die Möglichkeit hin.
Dann beschreibt er es weiter so, dass es in diesen
beschleunigten Bewegungen des ganzen Weltprozesses, als „Sturmlehre“ (Oeri
2009, 7) bezeichnet, in und nach den Revolutionen und Krisen zu einer
„Verdichtung des Weltgeschichtlichen, der Konzentration der Bewegungen in den
großen Individuen“ (Oeri 2009, 7-8) kommt. Gemäß der Aufgabenstellung ganz am
Anfang des Buches endet die Vorlesung (nicht das Buch!) mit dem Kapitel „Das
Individuum und das Allgemeine“. Hier macht Burckhardt die beschleunigten
Prozesse und Krisen seiner Zeit an den sogenannten „großen Männern“ fest.
Burckhardt wiederholt am Anfang dieses letzten Kapitels seiner Vorlesung die
ursprüngliche Aufgabenstellung und stellt die wesentliche Struktur der
Vorlesung zusammenfassend noch einmal fest: „Unsere Betrachtung der dauernden
Einwirkungen der Weltpotenzen aufeinander, fortgesetzt durch die der
beschleunigten Prozesse, schließt mit derjenigen der in einzelnen Individuen
konzentrierten Weltbewegung: wir haben es nun also mit den großen Männern zu
tun. Dabei sind wir uns der Fraglichkeit des Begriffes Größe wohl bewußt;
notwendig müssen wir auf alles Systematisch-Wissenschaftliche verzichten“ (Oeri
2009, 249).
Nach einer Schilderung großer Männer der Geschichte
wie etwa Napoleon (den Burckhardt für groß hält, obwohl gerade dieser die
gesellschaftlichen Umbrüche, die Burckhardt für so bedrohend hält, entscheidend
vorantreibt) erwähnt Burckhardt, „wie man sich 1848 nach einem großen Manne
sehnte, und womit man dann in der Folge vorliebnahm“ (Oeri 2009, 295). Dieses
letzte Kapitel und damit auch seine Vorlesung beschließt Burckhardt danach mit
folgender, noch einmal auf sein grundsätzlich zyklisches Weltverständnis
verweisender Aussage und Hoffnung:
Nicht jede Zeit findet ihren großen Mann, und nicht
jede große Fähigkeit findet ihre Zeit. Vielleicht sind jetzt sehr große Männer
vorhanden für Dinge, die nicht vorhanden sind. Jedenfalls kann sich das
vorherrschende Pathos unserer Tage, das Besserlebenwollen der Massen, unmöglich
zu einer wahrhaft großen Gestalt verdichten. Was wir vor uns sehen, ist eher
eine allgemeine Verflachung, und wir dürften das Aufkommen großer Individuen
für unmöglich erklären, wenn uns nicht die Ahnung sagte, daß die Krisis einmal
von ihrem miserabeln Terrain »Besitz und Erwerb« plötzlich auf ein anderes
geraten und daß dann »der Rechte« einmal über Nacht kommen könnte, — worauf
dann alles hinterdrein läuft.
Denn die großen Männer sind zu
unserem Leben notwendig, damit die weltgeschichtliche Bewegung sich periodisch
und ruckweise frei mache von bloßen abgestorbenen Lebensformen und von
reflektierendem Geschwätz (Oeri 2009, 295-296).
Das „Besserlebenwollen der Massen“ als Demokratie und
als technischer und kultureller Fortschritt erwähnt Burckhardt auch hier wieder
als Irrweg, der in seiner Verflachung nur verhindert, dass ein „großer Mann“
als „der Rechte“ erscheint und die Verhältnisse wieder geraderückt. Dass er
seine Vorlesung mit dieser Hoffnung schließt, spricht eher dafür, dass er die
größte Auswirkung von Krisen und Revolutionen, nämlich den beim durchgehenden
Hauptphänomen erwähnten Weltuntergang, für noch nicht gekommen sieht.
Festzuhalten ist bei diesem Schluss der Vorlesung,
dass er seine Hoffnung nicht etwa in der Demokratie sieht, sondern sie gerade
als Übel einordnet, wie etwa auch an folgender Stelle: „Die Ausartung knüpft
sich daran, daß eine Demokratie ein Reich behaupten will, was eine Aristokratie
(wie Rom und Venedig) viel länger kann und daß Demagogen dies Pathos der
Herrschaft ausbeuten. Hieran schließt sich alles übrige Unheil sowie die große
Katastrophe“ (Oeri 2009, 155).
Auf welche Weise „der Rechte“ nach Burckhardts
Vorstellung und Weltbild die weltgeschichtliche Bewegung periodisch oder
zyklisch „von bloßen abgestorbenen Lebensformen und reflektierendem Geschwätz“
befreit und erneuert, das ergibt sich aus anderen Äußerungen, wie den folgenden
beiden:
Der lange Friede bringt nicht
nur Entnervung hervor, sondern er lässt das Entstehen einer Menge jämmerlicher,
angstvoller Notexistenzen zu, welche ohne ihn nicht entständen und sich dann
doch mit lautem Geschrei um »Recht« irgendwie an das Dasein klammern, den
wahren Kräften den Platz vorwegnehmen und die Luft verdicken, im ganzen auch
das Geblüt der Nation verunedeln. Der Krieg bringt wieder die wahren Kräfte zu
Ehren. Jene Notexistenzen bringt er wenigstens vielleicht zum Schweigen (Oeri
2009, 197).
Ganz besonders aber sind die
heutigen Kriege zwar wohl Teile einer großen allgemeinen Krisis, aber einzeln
für sich ohne die Bedeutung und Wirkung echter Krisen; das bürgerliche Leben
bleibt dabei in seinem Geleise, und gerade die jämmerlichen Notexistenzen
bleiben alle am Leben (Oeri 2009, 198).
Der „Rechte“ oder die „großen
Männer“ zeichnen sich bei Burckhardt dadurch aus, dass sie etwas mit dem Weltganzen
zu tun haben (vgl. Oeri 2009, 256). Da Burckhardt selbst gemäß seinem Weltbild
die Krisen seiner Zeit in Bezug zu dem Weltganzen sieht, müsste er sich dadurch
unausgesprochen ebenfalls zu den „großen Männern“ zählen. Seine Anhänger tun
das zumindest bis heute.
Zu bemerken ist bei diesem Weltbild von Burckhardt mit
seiner Verklärung „großer Männer“ noch, dass diese sogenannte Great-Man-Theory
eine Idee des 19. Jahrhunderts ist (des Schotten Thomas Carlyle), die jedoch
schon zu dieser Zeit von dem englischen Universalgelehrten Herbert Spencer als
hoffnungslos primitiv, kindisch und unwissenschaftlich bezeichnet und entlarvt
wird (vgl. Nachweisengl. Wikipedia).
Burckhardts Vorlesung endet mit der Hoffnung nach dem
Erscheinen eines großen Mannes, nicht jedoch das Buch. Dabei geht es um ein
Kapitel der Einleitung, an dessen besonderem Schluss Burckhardt in klarster
Form sein zyklisches Weltbild als etwas geradezu Mystisches im Zusammenhang mit
einem über allen Erscheinungen schwebenden Geist beschreibt, und zwar mit ganz
konkreten Bezügen zu den Krisen seiner Zeit! Der Herausgeber und Neffe von
Burckhardt entnimmt nun genau dieses Kapitel aus der Einleitung heraus und
setzt es ganz an den Schluss des Buches (vgl. Ganz 1982, 245-246). Somit lautet
der Schluss des Buches im Gegensatz zu dem der Vorlesung dann:
Könnten wir völlig auf unsere
Individualität verzichten und die Geschichte der kommenden Zeit etwa mit ebenso
viel Ruhe und Unruhe betrachten, wie wir das Schauspiel der Natur, z.B. eines
Seesturms vom festen Lande aus mitansehen, so würden wir vielleicht eines der
größten Kapitel aus der Geschichte des Geistes bewusst miterleben.
In einer Zeit:
• da der täuschende Friede
jener dreißig Jahre, in welchen wir aufwuchsen, längst gründlich dahin ist und
eine Reihe neuer Kriege im Anzug zu sein scheint,
• da die größten Kulturvölker
in ihren politischen Formen schwanken oder in Übergängen begriffen sind,
• da mit der Verbreitung der
Bildung und des Verkehrs auch die des Leidensbewusstseins und der Ungeduld
sichtlich und rasch zunimmt,
• da die sozialen
Einrichtungen durchgängig durch Bewegungen der Erde beunruhigt werden — so
vieler anderer angehäufter und unerledigter Krisen nicht zu gedenken —,
würde es ein wunderbares
Schauspiel, freilich aber nicht für zeitgenössische, irdische Wesen sein, dem
Geist der Menschheit erkennend nachzugehen, der, über all diesen Erscheinungen
schwebend und doch mit allen verflochten, sich eine neue Wohnung baut. Wer
hiervon eine Ahnung hätte, würde des Glückes und Unglückes völlig vergessen und
in lauter Sehnsucht nach dieser Erkenntnis dahinleben (Oeri 2009, 320).
Burckhardt sieht und versteht
hier die Entwicklungen seiner Zeit, nämlich das Aufkommen der
„Volkssouveränität“ als Demokratie und Bildung sowie der Technik und Industrie
als Handel, Verkehr, Besitz und Erwerb und der dadurch entstehenden Neureichen
wie im gesamten Buch keineswegs als die positive kulturelle Weiterentwicklung
des Menschen, als die wir es heute, von Auswüchsen abgesehen, grundsätzlich wie
selbstverständlich sehen, sondern vielmehr als Bedrohung und Irrweg, was an
dieser Stelle letztlich in die größte Katastrophe führt, nämlich einen
Weltuntergang, für den, wie schon beim „großen durchgehenden Hauptphänomen“,
die Umschreibung steht, dass der nach seinen Worten unvergängliche Geist sich
etwas Neues baut, wodurch ein neuer Zyklus entsteht.
Während das Burckhardt in
seiner Vorlesung aber lediglich als letzte drohende Aussicht und Möglichkeit
(in einer zudem positiven, den Geist idealisierenden Form) in der Einleitung
belässt und er in seinem Ende der Vorlesung zur Bewältigung der Krisen auf die
Erscheinung eines „großen Mannes“ hofft, der die Verhältnisse noch in diesem
Weltzeitalter wieder geraderückt, setzt sein Neffe als Herausgeber des Buches
diese ultimative drohende Untergangsahnung an den Schluss des Buches und
verleiht damit der Dämonisierung der darin direkt erwähnten Krisen dieser Zeit
noch eine ganz andere Bedeutung und Dramatik durch Burckhardt.
Burckhardt, aber noch mehr der
Eingriff von Oeri, verdeutlichen die irrationalen und dämonisierenden Ängste,
von denen zu dieser Zeit sogar viele Intellektuelle angesichts der
gesellschaftlichen Umbrüche betroffen sind. Was passiert, wenn sich diese
irrationalen und dämonisierenden Ängste zusammen mit einem Rassismus auf eine
bestimmte Menschengruppe richten?
Burckhart
und die Katastrophen der beiden Weltkriege
Im
Zusammenhang mit der von Burckhardt gesehenen großen Krise gibt es ein
weitreichendes und tiefes Missverständnis der heutigen Burckhardt-Verehrer, bei
dem Burckhardts große Irrungen einfach in geniale Voraussagen umgedeutet
werden. Das Missverständnis bezieht sich wiederum auf zwei Aussagen von
Burckhardt, in denen er dunkel neue, große Kriege andeutet, nämlich dass „die
Verflechtung der gegenwärtigen Krisis mit gewaltigen Völkerkriegen in Aussicht“
(Oeri 2009, 231) steht und im direkten Zusammenhang mit dem
Weltuntergangsschauspiel seines zyklischen Weltbild, dass „eine Reihe neuer
Kriege im Anzug zu sein scheint“ (Oeri 2009, 320). Burckhardt „prognostizierte
scharfsinnig Konstellationen der politischen Katastrophen des 20.
Jahrhunderts“, stellt der Historiker Wolfgang Hardtwig auf dem Klappentext der
vorliegenden Ausgabe des rezensierten Buches fest. Doch bei dieser Deutung
findet der Kontext der beiden Aussagen von Burckhardt in diesem Buch keinerlei
Berücksichtigung.
Im
Fall der ersten der beiden zitierten Aussagen, also der in Aussicht stehenden
gewaltigen Völkerkriege, geht es im darauf folgenden letzten Absatz des
betreffenden Kapitels um den Verfall und Tod der Nationen, „als Parallele
[dazu] mögen die Phantasiebilder der verschiedenen Völker und Religionen
dienen“ (Oeri 2009, 231), und im Zusammenhang mit Geschehnissen wie „die
voraussichtlichen Veränderungen des Erdballs“ (Oeri 2009, 232).
Im
Kontext der zweiten zitierten Aussage geht es noch deutlicher sogar um das im
Sinne Burckhardts höchste Ziel des Menschen überhaupt, nämlich wenn „wir
vielleicht eines der größten Kapitel aus der Geschichte des Geistes bewusst
miterleben“ (Oeri 2009, 320). Es geht bei diesem Kapitel des Geistes, wie auch
ansonsten in diesem Buch, jedoch nicht um die Befreiung des Geistes etwa als
Presse- und Meinungsfreiheit oder Demokratie und Menschenrechte, sondern im
Zusammenhang mit den Krisen und eben der dadurch im Anzug seienden Reihe neuer
Kriege um ein von Oeri an den Schluss des Buches gesetztes, geradezu
metaphysisch-mystisches und „wunderbares Schauspiel, freilich aber nicht für
zeitgenössische, irdische Wesen [..], dem Geist der Menschheit erkennend nachzugehen,
der, über all diesen Erscheinungen schwebend und doch mit allen verflochten,
sich eine neue Wohnung baut. Wer hiervon eine Ahnung hätte, würde des Glückes
und Unglückes völlig vergessen und in lauter Sehnsucht nach dieser Erkenntnis
dahinleben.“ (Oeri 2009, 320)
Das
Geistige dieses Kapitels aus der Geschichte des Geistes liegt für Burckhardt so
in der größten, jegliches „zeitgenössische, irdische Wesen“ und Dasein
übersteigenden Krise als Untergang und neuer Zyklus der Welt, denn: „Der Geist
hat Wandelbarkeit, aber nicht Vergänglichkeit“ (Oeri 2009, 12). Das Bauen von
etwas Neuem durch diesen unvergänglichen Geist ist wie schon bei der
Beschreibung des „durchgehenden Hauptphänomens“ direkt an einen Weltuntergang
gebunden (hier als „Seesturm“) und in diesem Kontext ist so auch die zweite
Aussage mit dem Anzug einer Reihe neuer Kriege dann gemeint.
Für
Burckhardt geht es diesem Zusammenhang nach also in beiden prophetischen
Aussage um mehr als nur um zwei große Völkerkriege, auch wenn es Weltkriege sind,
nach denen aber derselbe Mensch alles wieder aufbautund nicht ein über allem schwebender Geist,
der ein neues „äußeres Gehäuse“ oder eine „neue Wohnung“ im Sinne eines neuen
Weltzeitalters schafft.
Es
ist daher in Verbindung mit den folgenden beiden Weltkriegen nicht danach zu
fragen, ob Burckhardt diese in genialer Weise vorausgesehen hat (Kriege und
Krisen gehören sowieso zu den Idealen und den Konstanten seines Weltbildes),
sondern vielmehr danach, inwieweit Burckhardt mit seinen Werten von Antisemitismus,
Rassismus, Chauvinismus und Kriegsverherrlichung sowie seiner Erwartung eines
neuen „großen Mannes“ mit als Verursacher dieser Katastrophen in Betracht
kommt.
Burckhardt
erhofft und erwartet mit dem letzten Kapitel seiner Vorlesung einen kommenden
großen und starken Mann, der die Krisen seiner Zeit überwindet – und zwar
rückwärts gerichtet zu den in seinen Augen alten und bewährten aristokratischen
Strukturen, so, wie er es etwa nach einer Kritik an den Zuständen der
Gesellschaft zu seiner Zeit äußert und hofft: „Irgendwo wird die menschliche
Ungleichheit wieder zu Ehren kommen“ (Oeri 2009, 165).
Die
nicht großen Männer kennzeichnet Burckhardt dabei als Kontrast und Gegensatz zu
den von ihm verehrten „großen Männern“ mit einem interessanten Bild: „Das bunte
und stark geblähte Segel hält sich für die Ursache der Bewegung des Schiffes,
während es doch nur den Wind auffängt, welcher jeden Augenblick sich drehen
oder aufhören kann“ (Oeri 2009, 212). Diese Definition der nicht großen Männer
von Burckhardt entspricht nun insofern genau der Kritik, die der englische
Universalgelehrte Herbert Spencer schon 1860 an der Great-Man-Theory äußert,
indem Spencer sagt, dass auch die großen Männer das Produkt ihrer Gesellschaft
seien, und dass ihre Taten ohne die sozialen Bedingungen, die darin schon vor
ihren Lebzeiten entstehen, unmöglich sind (vgl. Nachweis engl. Wikipedia). Das
Bild von Burckhardt trifft also gemäß dieser die Great-Man-Theory entlarvenden
Kritik von Spencer auch auf die „großen Männer“ von Burckhardt zu.
Natürlich
ist Burckhardt nicht mit den Nationalsozialisten und ihren Taten auf eine Stufe
zu stellen. Doch in Bezug auf den Nationalsozialismus heißt die Kritik von
Spencer ausgedrückt durch das Bild von Burckhardt damit, dass es ein „Segel“
Hitler, der ein ganzes Volk als „Schiff“ ins Verderben geführt hat, nie gegeben
hätte, wenn nicht gerade auch Intellektuelle wie Burckhardt ihm dazu lange
vorher geistig den Boden bereitet bzw. mit für den nötigen „Wind“ gesorgt
hätten. Burckhardt hat die Weltkriege nicht vorhergesagt, er hat sie als
geistiger Brandstifter durch sein falsches oder überholtes Weltbild vielmehr in
einem bestimmten Maße mit verursacht.
Lässt
sich das von Burckhardt idealisierte Geschichts– und Weltverständnis unter den
heutigen Bedingungen vorstellen und anwenden, etwa indem Deutschland wieder mit
den heutigen (Atom)Waffen gegen Frankreich oder Russland in den Krieg zieht,
weil es nur so seine volle Nationalkraft wiedererlangt, wobei dann die
Atmosphäre endlich wieder wie von Gewitterstürmen gereinigt wird und die
heroischen Tugenden gegenüber Entnervung, Falschheit und Feigheit
wiederhergestellt werden und nebenbei in einem solchen „frischen und fröhlichen
Krieg“ das heutige Hartz IV Gesindel endlich weggefegt wird, das sich mit lautem
Geschrei ans Dasein klammert, jedoch nur den wahren Kräften den Platz wegnimmt
und das Geblüt der Nation verunedelt? An der Unvorstellbarkeit dessen zeigt
sich der große Irrtum von Burckhardts Weltbild. Wenn das wieder möglich wäre,
hätte der Mensch aus den Katastrophen der Vergangenheit wirklich nichts gelernt
und es hätte keinerlei sozialen und kulturellen Fortschritt zwischen den
Staaten und in den Gesellschaften gegeben. Hierbei offenbart sich die
Absurdität dieses Geschichts- und Kulturverständnisses von Burckhardt.
Es
hat gerade (und leider erst) durch die geschehenen Katastrophen den von
Burckhardt verleugneten und als „höchst lächerlich“ bezeichneten kulturellen
Fortschritt im Zusammenleben der Menschen gegeben, und er besteht exakt in der
Überwindung der Werte und Ansichten, die Burckhardt idealisiert und verklärt
hat, nämlich Rassismus, Chauvinismus, Kriegsverherrlichung und
Demokratiefeindlichkeit. Genau diese Werte und Ansichten waren es, die für die
beiden Weltkriege ursächlich verantwortlich anzusehen sind und die deswegen
überwunden sind - jedenfalls weitgehend.
Hätten
besonders Burckhardt und andere Intellektuelle zu seiner Zeit die
Gesetzmäßigkeiten und die Systematik der Geschichte und damit auch den Verlauf
der weiteren kulturellen Entwicklung richtig gelesen, interpretiert und dann
auch gelehrt, so wären die beiden Katastrophen des letzten Jahrhunderts sehr
wohl zu vermeiden gewesen. In der Fähigkeit einer vernünftigen Vorausschau
liegt gerade das Wesen des menschlichen Geistes. Burckhardt liegt dagegen mit
seinen Ansichten, Erklärungen und Theorien über das Wesen des Menschen, die
Gesetzmäßigkeiten der Geschichte und die aktuelle oder weitere Entwicklung in
grandioser Weise daneben und versagt, trotzdem es andere Intellektuelle wie Kant
und Schiller gegeben hat, die die Umbrüche schon lange vor Burckhardt richtig
interpretieren, verstehen und lehren. Das, was u.a. Burckhardt dagegen für
richtig und wahr hält und als Deutung aus der Geschichte herausliest,
idealisiert und verklärt, hat sich dann mit der Konsequenz von 60 Millionen
Toten später als falsch erwiesen.
Burckhardt
ist daher alles andere als ein großer Mann oder ein Genie. Er erkennt überhaupt
nicht in seinem eigentlichen Metier als Kulturhistoriker das menschliche
Verhalten und die menschlichen Beziehungen als wichtigste Elemente der Kultur,
sowie vor allem nicht den Prozess der Veränderlichkeit und Entwicklung von
Kultur als zentrale und ureigenste Eigenschaft des Menschen, und damit dann
auch nicht die kulturelle Entwicklung zu seiner Zeit von der Leibeigenschaft
zur heutigen Freiheit mit ihren Grund- und Menschenrechten. Burckhardt
verschließt sich den systematischen Methoden und Ansätzen, die zu diesen
Erkenntnissen führen, und bekämpft diese kulturelle, humane Entwicklung sogar.
Er lebt damit in einem modernen Verständnis, das die Entwicklung des Menschen
vor dem Hintergrund der Evolutionstheorie sieht, noch dort, wo das von ihm
idealisierte Verhalten in der Evolution ein angepasstes und »gutes« Verhalten
gewesen ist, nämlich in der Steinzeit. Burckhardt ist damit trotz seines großen
Faktenwissens, seiner Beredsamkeit und kunstvollen Darbietungsart allenfalls,
wie es Hirschi ausdrückt, im Kern ein „wissenschaftlicher Leichtfuß“. Leider
hat sich diese Erkenntnis und Beurteilung Burckhardts in der Geschichts- und
Kulturwissenschaft bis heute immer noch nicht durchgesetzt. Ist es angesichts
dessen verwunderlich, dass dieser überholte und unter den heutigen
Lebensbedingungen gänzlich unangepasste und verhängnisvolle Geist auch auf
andere Weisen immer noch durch die heutige Gesellschaft spukt, etwa als
rechtsextremer Terror mitsamt seltsamer »Pannen«-Serien bei der Verfolgung und
Aufklärung?
Befinden
wir uns heute in einer ähnlichen Situation wie Burckhardt zu seiner Zeit?
Die
Great-Man-Theorie besitzt heute nicht mehr viele Anhänger, aber der Rassismus
ist, was aus der kritiklosen Verehrung von Burckhardt abzuleiten ist, bei
manchen heutigen Wissenschaftlern und Intellektuellen immer noch nicht restlos
überwunden. Gegen diese Reste geht etwa der Historiker Ian Morris mit seinem
Buch „Wer regiert die Welt“ entschieden an. Zunächst versteht er darin uns
Menschen auf der Grundlage der Evolutionstheorie als das, „was Menschen in
Wirklichkeit sind: schlaue Schimpansen. Wir Menschen gehören zum Tierreich“
(Morris 2011, 35), womit gerade viele Geisteswissenschaftlicher bis heute große
Probleme haben. Aus dieser systematischen Forschung nach der Entstehung des
Menschen und der Rassen, die Burckhardt wie auch die Fragen nach der Einwirkung
von Boden und Klima für so überflüssig und irrig hält, hat sich die Erkenntnis
ergeben, dass alle Menschen von einer relativ kleinen Gruppe abstammen. Die
genetische Variabilität ist daher grundsätzlich bei allen Menschen gleich, bis
auf geringe Unterschiede, die sich erst später entwickelt haben und etwa über
die Hautfarbe entscheiden, d.h. die Unterschiede von zwei Menschen einer
heutigen Gruppe, etwa der Mongolen, können aufgrund der genetischen
Variabilität größer sein als die zu einem Menschen einer ganz anderen
Volksgruppe, etwa einem Afrikaner oder Europäer. Morris erweitert diese
Erkenntnis der gemeinsamen und gleichen genetischen Ausstattung und
Variabilität aller Menschen auf der Grundlage der Evolutionstheorie, die damit
jeglichen Rassismus als falsch erweist, noch folgendermaßen:
Davon abgesehen sind Menschen - genau wie andere Tiere
– offenkundig nicht alle gleich. Manche entziehen der Umwelt mehr Energie als
andere; manche vermehren sich stärker als andere; manche sind neugieriger,
kreativer, klüger oder geschickter als andere. Aber die dritte Konsequenz aus
unserem Tiersein besteht darin, dass große Menschengruppen im Gegensatz zu
einzelnen Individuen alle ziemlich gleich sind. Wenn Sie aus einer Menge zwei
beliebige Personen herauspicken, sind diese möglicherweise so gegensätzlich,
wie man es sich nur vorstellen kann; wenn Sie sich aber zwei große Gruppen als
Ganzes ansehen, werden sich diese im Allgemeinen sehr ähnlich sein. Und wenn
Sie, wie ich es in diesem Buch tue, millionenköpfige Gruppen vergleichen,
werden sie sich in ihrer Zusammensetzung aus tatkräftigen, fruchtbaren,
neugierigen, kreativen, klugen, wortgewandten und geschickten Individuen
ziemlich stark gleichen (Morris 2011, 35).
Im
Zuge dessen bestreitet Morris dann in diesem Buch, dass die Vormachtsstellung
des Westens in der Welt auf einer grundsätzlichen und absoluten Überlegenheit
geistiger und kultureller Fähigkeiten und Werte beruht, was ja darin im Grunde
nichts anderes als das Überbleibsel des rassistischen Denkens ist. Die Ursache
für die Vormachtstellung des Westens sieht Morris nur im Materiellen, d.h. vor
allem in der Geographie (den „Einwirkungen von Boden und Klima“ nach
Burckhardts ablehnenden Worten), worauf leider, wie Morris schreibt, viele
seiner Kollegen „wie der Stier auf ein rotes Tuch reagieren“ (Morris 2011, 38).
Dem
Verständnis von Morris nach (im diametralen Gegensatz zum Geschichtsverständnis
von Burckhardt, der jede Systematik verteufelt) „verläuft die Geschichte nach
zwingenden Mustern, und mit den richtigen Instrumenten wird es Historikern
gelingen, diese zu erkennen und sogar zu erklären“ (Morris 2011, 34-35). Das
ermöglicht nicht nur das richtige Einordnen und die richtige Bewertung
aktueller Entwicklungen, sondern auch einen vagen Blick in die nähere Zukunft.
Morris beschreibt das in seinem Buch so, dass „wir dazu verdammt [sind], in
interessanten Zeiten zu leben“ (Morris 2011, 560), da „wir uns der größten
Diskontinuität der Geschichte nähern“ (Morris 2011, 567) und dass „die große
Frage unserer Zeit sich nicht danach stellt, ob der Westen seine
Vormachtstellung auch weiterhin wird halten können, sondern danach, ob die
Menschheit insgesamt den Durchbruch zu einer vollkommen anderen Seinsweise
schafft, bevor uns die Katastrophe ereilt - und uns für immer erledigt“ (Morris
2011, 45).
Diese
Worte von Morris zeigen, dass ganz im Sinne des Evolutionsverständnisses die
Entwicklung weitergeht, nach Morris so schnell und dramatisch wie nie zuvor
beim Menschen, d.h. wir befinden uns den systematischen Untersuchungen von
Morris nach sogar in einer noch dramatischeren Phase aktueller und sich noch
aufbauender großer Umbrüche als zu Burckhardts Zeiten. Dabei hat sich jedoch
gegenüber Burckhardts Zeiten eines unzweifelhaft geändert: Ein durch den
Menschen selbst herbeigeführter Untergang ist aufgrund der technischen
Entwicklung heute ohne Weiteres möglich. Es ist dann die entscheidende Frage,
ob wir heute im Gegensatz zu Burckhardt die vorhandenen Muster der Geschichte
bzw. der evolutionären Weiterentwicklung des Menschen richtig und objektiv
lesen, erkennen und deuten, um so drohende Katastrophen oder Irrwege schon im
Vorhinein erkennen und umschiffen zu können. Das ist aber nur mit einem
modernen Geschichtsverständnis möglich.
Literaturverzeichnis:
Jacob Oeri (Hrsg.), „Weltgeschichtliche
Betrachtungen“, Wiesbaden 2009
Peter Ganz (Hrsg.), „ Über das Studium der
Geschichte“, München 1982
Aram Mattioli, „Jacob Burckhardt und die Grenzen der
Humanität“, Weitra 2001
Caspar Hirschi, „FAZ Feuilleton: Koketterie eines
Ketzers“ FAZ 10.01.2007 Nr. 8
Friedrich Schiller, „Was heißt und zu welchem Ende studiert man
Universalgeschichte?“, Stuttgart 2006
http://en.wikipedia.org/wiki/Great_Man_theory
Ian Morris, „Wer regiert die Welt“, Frankfurt a.M.
2011
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