Erschienen in Ausgabe: No 98 (04/2014) | Letzte Änderung: 02.04.14 |
von Nathan Warszawski
Alljährlich und unbemerkt wird die Buber-Rosenzweig-Medaille
in Erinnerung an die deutsch-jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber und
Franz Rosenzweig im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit vom Deutschen Koordinierungsrat
der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit GCJZ verliehen. Nach
den Regeln des Deutschen Koordinierungsrat erhalten solche Personen die
undotierte schwere Medaille, die sich um Verständigung zwischen Christen und
Juden verdient gemacht sowie einen Beitrag für die christlich-jüdische
Zusammenarbeit geleistet haben.
Diesmal ist der Preis an den ungarischen Juden György
Konrad gegangen. Der 80-Jährige Autor und Holocaust-Überlebenden wird für seine
Verdienste um die Verständigung zwischen Christen und Juden geehrt. Außerdem
gilt er als Verfechter der (europäischen?) Idee des friedlichen Zusammenlebens
von Menschen verschiedener Kulturen und Ethnien.
Entsprechend der Bedeutung hat das ZDF um Mitternacht
über die Feierlichkeit berichtet. Der greise Preisträger hat einen ähnlichen
hinfälligen Eindruck hinterlassen wie der Preisüberreicher und der Laudator.
Die bekannte und beliebte Moderatorin Petra Gerster hat die Veranstaltung mit
Bravour gemanagt.
Um diese Zeilen zu schreiben, benötigt man kein Wissen
über Judentum, Buber, Rosenzweig und die GCJZ. Der Preisträger hat die
Auszeichnung im guten Glauben angenommen. Doch welche Absichten verfolgt der
Deutsche Koordinierungsrat der GCJZ mit der Preisverleihung? Warum heißt der
Preis nach Buber und Rosenzweig?
Buber und Rosenzweig waren deutsch-jüdische
Religionsphilosophen, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert gewirkt hatten.
Rosenzweig starb derart jung, dass er die Herrschaft der Nationalsozialisten
nicht erlebte. Buber wanderte rechtzeitig nach Palästina ein. Er starb 1965 in
Jerusalem im hohen Alter. Zeitlebens bezeichnete er sich als religiöser
Zionist. Der Einfluss der deutschen Philosophie auf das Weltjudentum wurde
durch die Machtergreifung der Nazis jäh abgebrochen. Bisher fand sich niemand
in Deutschland, der im Stande war, die Arbeiten der beiden großen jüdischen
Philosophen fortzuführen, schon gar nicht jemand aus dem Dunstkries der GCJZ. Die
Philosophie, die das Weltjudentum beeinflusst, kommt nun aus Israel und den
USA.
Wie sehr sich auch Buber und Rosenzweig um die Verständigung
zwischen Christen und Juden bemüht haben: Ihre Arbeit war nicht vom Erfolg
gekrönt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bestanden die siegreichen
US-Streitkräfte in Deutschland darauf, dass sich Deutsche mit Juden aussöhnten.
Es verging eine Weile bis die Alliierten bemerkten, dass kaum Juden zur
Verfügung standen, die an einer Aussöhnung interessiert waren. Die deutschen
Kirchen waren die ersten (und einzigen), die bereit waren, sich am Versuch zu
beteiligen. Mit der Zeit fanden sich einige Juden, die für lebensnotwendige
Vergünstigungen bereit waren, mit Christen zu kooperieren. Es entstand ein
rudimentärer Meinungsaustausch auf religiös-philosophischem Niveau.
Nach einigen Jahrzehnten drängten viele Christen in die
sprossenden GCJZ. Ihr Interesse galt weniger den überlebenden Juden in
Deutschland, als dem neu gegründeten Judenstaat Israel. Doch nach siegreichen
Kriegen gegen übermächtige arabische Staaten verschwand das positive deutsche Interesse
an Israel, welches sich dem Opfer verschrieben hatte. Israelfreunde traten zu
den rechtzeitig ins Leben gerufenen Deutsch-Israelischen Gesellschaften über.
Wie die meisten Organisationen, die sich mit Israel auseinandersetzten, gewannen
auch innerhalb der GCJZ Israel kritische Meinungen und Aktionen die Oberhand.
Die geringe Zahl der jüdischen Mitglieder sank Biologie bedingt. Erst mit dem
Zuzug osteuropäischer jüdischer Kontingentflüchtlinge, die auf Grund ihrer
sozialistischer Erziehung kaum religiösen Gefühle gegenüber Israel hegten,
fanden sich mehr Juden, die bereit waren, an der Leitung der GCJZ zu
partizipieren.
Ein religiös begründeter Gedankenaustausch findet
innerhalb der GCJZ wegen fehlendem jüdischen Wissen nicht mehr statt. Der
jüdische Vorsitzende des Koordinierungsrates der GCJZ, ein nicht orthodoxer
Rabbiner, findet nach 30 Jahren im Amt keinen Nachfolger. Viele der
Gesellschaften haben keine jüdischen Mitglieder. Sie treffen sich einmal
jährlich in einem jüdischen Friedhof, um der Satzung zu genügen. Die
christlichen Gründer sterben aus. Ihnen folgen ältere deutsche Bürger, die sich
in der GCJZ Antwort und Absolution für die Taten ihrer Elterngeneration
erhoffen.
Die GCJZ in Aachen, die sich nicht von den GCJZ anderer
Städte unterscheidet, unterstützt beispielsweise Aktionen, die Israel in einem
schlechten Licht erscheinen lassen. Hier wird nicht eine Stimme gegen Rassismus
und Antisemitismus erhoben, wie der Schleswig-Holsteins Ministerpräsident
Torsten Albig über György Konrad bei der Buber-Rosenzweig-Preisverleihung
geurteilt hat. Hier setzt sich kein Mitglied der GCJZ für eine freie und
tolerante Gesellschaft ein. Der Deutsche Koordinierungsrat der GCJZ weiß und
schweigt. Die NS-Vergangenheit wird hervorgeholt, um die besondere Bevormundung
Israels durch deutsche Christen zu rechtfertigen. In der GCJZ Aachens sucht man
vergeblich nach europäischer Toleranz und Vielfalt gegenüber Israel, wenn man Ausschnitte
aus einer öffentlichen Ankündigung der GCJZ Aachen liest:
In Palästina wird
die Archäologie für die Zionisten schon früh zu einem Instrument, mit dem der
jüdische Anspruch auf das Territorium des biblischen Eretz Israel untermauert
wird. In der Gründerzeit des Staates Israel stellt sich die israelische
Altertumsforschung zunehmend in den Dienst des erstarkenden israelischen
Militarismus. Yigael Yadin, Ex-Generalstabschef und Archäologe, trägt mit
seinen Aufsehen erregenden Ausgrabungen in Massada entscheidend zum
entstehenden Mythos vom jüdischen Heldentum bei. Die Verquickung von Militär
und Archäologie manifestiert sich auch in der Figur des Kriegshelden Moshe
Dayan, der sich als Archäologe inszeniert. Und in der Besatzungspolitik gibt
man bei der Konfiszierung palästinensischen Bodens vor, dass es sich hier um
archäologisch wichtige Gebiete handelt. Die politisch motivierte biblische
Archäologie in Projekten wie dem der „Davidstadt“ in Ostjerusalem erlebt eine
Renaissance.
Bei der Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille beendet
der Schleswig-Holsteins Ministerpräsident seine Rede mit folgenden Worten:
Niemand dürfe zulassen, dass in Europa
Intoleranz und Hass Zustimmung findet oder tatenlos geduldet wird. Toleranz ist
kein Selbstgänger. Wir müssen für sie kämpfen!
Lasst den Worten
Taten folgen!
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