Erschienen in Ausgabe: No 100 (06/2014) | Letzte Änderung: 06.08.14 |
von Angelika Weber
Die Künstlerin Silvia Bächli
vor ihren Kunstwerken in ihrer jüngsten Aussstellung live zu erleben, hatte
eine markante Wirkung, die dem Thema ihrer Ausstellung in der
Pinakothek der Moderne ganz entspricht „Brombeeren“.Was sind das für Früchte,
die als Steinfrüchte auf stacheligen Klettergerüsten ihre magischen Kraftfelder
entfalten? Und welche Signale empfangen die Lebewesen rundherum? Zumindest ist
bekannt, daß die Brombeeeren schon bei Dioskurides in der „Materia Medica“ als
Heilmittel auftauchen – also nicht nur als Marmelade in süßen Speisen geschätzt
sind. Und was sehen meine Augen? Linien, Gitter, Balken, Gerüste in allen
Grau-Schattierungen.Ratlos versuche ich, einen inneren Bezug zu den glänzend
schwarzen Steinfrüchten herzustellen. Da bekomme ich eine „Madame“ mit einem
Artikel über Silvia Bächli in die Hand gedrückt und den Aussstellungskatalog
und nähere mich auf Spuren im Beton der Schweizer Künstlerin. „Sie ist nicht
von hier, den Unterschied merkt man“ meint ein Besucher und verschwindet.
Und ich bleibe mit ihr ganz
allein vor einer Vitrine zurück.
„Das Gegenüber beobachten und
das Werk im Raum erfassen“, sagt Bächli zu mir.
„Und hier, sehen Sie, die
Zwischenräume? Zeit zum Atmen“ Jede Zeichnung hängt an einem ganz bestimmten
Platz, nichts ist dem Zufall überlassen. Jede Formation stammt von ihr
persönlich. Welche Gesetzlichkeit des Schaffens mag wohl dahinter stecken? Kann
ich Bächlis Sprache überhaupt verstehen? „Jede Zeichnung entsteht spontan“,
sagt sie. „Goldener Schnitt? Wie? Nein, auf keinen Fall, denn ihr Schaffen
folge ausschließlich spontaner Eingebungen“. Die Künstlerin in ihrer
Vorstellungswelt mit der Kamera unbemerkt zu begleiten, sie an konkreten Orten
und Quellen ihrer Inspiration aufzunehmen, ein Gespräch in ihrem Umfeld zu
dokumentieren. Das wäre als Filmemacherin meine eigentlicheAufgabe. So sollte es an diesem Eröffnungsabend
jedoch nicht sein. Denn die Einladung kam ebenso spontan wie Silvia Bächli ihre
Eingaben umsetzt. Und in neunzig Minuten hat sich im Staccato so manches
ereignet, was die Ästhetik von einem Kunstwerk wie den Lidschlag erlebbar und
greifbar macht. Die Spuren führten schließlich über geothermal geheizte
Gewächshäuser mit echten Bananen auf Island, Südfrüchten auf Eis, Lavafeldern
unterirdischer Vulkane, die Eiskristalle zum Schmelzen bringen, zu „alphabet“,
einem Gedicht der dänischen Lyrikerin Inger Christensen, als Vorbild für
Bächlis Meisterwerke..
Was ist nun das einzigartig
Faszinierende an ihren Zeichnungen, ausheutigen Perspektive?
Es sind die Polaritäten, in
derenKontrastprogramm die Schwingungen
wie einst auf Pergament neu aufgerollt und verifiziert werden.Einer inneren
Logik folgend, zeigen sich die Abstraktionen und deren Silhouetten, ob in
Grautönen mit Farbspritzern, in fraktalen Gebilden oder Nachbildungen.
Nachdenken, Nachfühlen, Nachempfinden, im Rhythmus,
mit Pausen zum Luftholen. Und
wie sich die Schichten, verdichtet und komprimiert,konzentriert seit Urzeiten, nach und nach
öffnen und sich in ihnen die Lebensformeln ablesen lassen, so zeigen sich in
Bächlis Werken die aktuellen Netzwerke wie eine Offenbarung: Spiegeln gleichzeitiger
Reduzierung auf eliptische Gebilde, deren Verkrustung man ad hoc aufbrechen
möchte. So heißt die kausale Fortsetzung: Bächlis Impulse per videostream zu
dokumentieren, damit von Nah und Fern sich alle einklicken und als Baumeister
dabei sind.
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