Erschienen in Ausgabe: No 99 (05/2014) | Letzte Änderung: 26.05.14 |
Die Strauss-Oper „Arabella“ eröffnete unter Publikumsjubel die Salzburger Osterfestspiele 2014
von Hans Gärtner
2014 gilt`s dem Komponisten Richard Strauss, der vor 150
Jahren geboren wurde. Dem Bayern. Der viele seiner Opern aber nicht etwa in
seiner Geburtsstadt München, sondern in Dresden uraufführte. So auch sein Opus
79, „Arabella“. Die Geschichte von dem verwöhnten, begehrenswerten Wiener
Adelstöchterl, dem etliche Herren Grafen zwecks Eheschließung nachsteigen, das
sich aber einen Mann „von der Straße“ ausguckte: Mandryka, einen Bärenkerl aus
den kroatischen Wäldern, gut gebaut und steinreich wie sein Onkel, den
Arabellas verarmter Papa von früher kannte – die leidlich verworrene, fade
Geschichte schrieb dem Strauss sein famoser „Rosenkavalier“-Dichter Hugo von
Hofmannsthal. Wären Strauss nicht so pralle Tonfolgen zu diesem Techtelmechtel
eingefallen – das Ganze wär, als ziemlich banal, besser in der Rumpelkammer
verschwunden.
Aber Christian Thielemann, seit zwei Jahren musikalischer Kopf der von seinem
Lehr-„Meister“ Herbert von Karajan 1967 gegründeten Salzburger Osterfestspiele,
schaute wohl auch nur in die ihm sehr willkommene Partitur und verfiel auf
„Arabella“. Er dirigierte das Werk aus der Uraufführungs-Partitur mit dem Datum
1. Juli 1933, die „aus qualitativ hochwertigstem Papier“ bestehe, wie er sagte
und für ihn etwas „Heiliges“ darstelle. Passt ja auch: Thielemann bringt seine
herrlich tönende, noch heute für Richard Strauss prädestinierte Dresdener
Staatskapelle mit ins Große Salzburger Festspielhaus und lässt es krachen.
Dreht auf. Hört aber auch auf die Sänger. Sein Herz schlägt für sie. Deckt sie
nie zu. Bemüht sich jedenfalls darum. Holt aus dem wuchtig besetzten
Festspielhausgraben das Optimale heraus. Ein Berserker der Strauss`schen Fülle,
die ja in der „Arabella“ noch so zart lyrisch-kantilenisch durchwachsen ist wie
im 22 Jahre älteren „Rosenkavalier“.
Thielemanns Glanz-Solisten: Renée Fleming in der Titelpartie – ganz die
Rollen-„Alte“, locker überm flirrenden Orchester mit Nonchalence und
Flammenregisterzügen schwebend, noch mädchenhaft, wenngelich nicht mehr
taufrisch. Thomas Hampson als Mandryka – kavaliersbaritonal schon fülliger,
auch unangestrengter (in der Höhe) erlebt, nicht ganz der Typ, der sich mit
einem Tundra-Bären einlassen mag, eher ein Charmeur mit Dünnhaut. Denn die
Sache, die da Arabella-Schwesterherz Zdenka mit Matteo (großartig präsent:
Daniel Behle), der Arabella ungehört anbetet, einfädelt, steckt Hampson nicht
so leicht weg wie etwa einst sein berühmter Rollen-Vorgänger Fischer-Dieskau –
oh, waren das „Arabella“-Zeiten, mit Lisa Della Casa! Anneliese Rothenberger
sang vor vier Jahrzehnten die als Bursche verkleidete Zdenka – auch nicht viel
besser als in Salzburg 2014 die aus München entliehene prachtvolle
Hanna-Elisabeth Müller. Die junge Sopranistin stahl der Fleming beinahe die
Schau. Ein Talent, das Inbrunst und Klangdichte besitzt, wohl die kommende
Titelfigur dieses Werks.
In Szene gesetzt hat die Salzburger „Arabella“ die München-bewährte Regisseurin
Florentine Klepper, der Martina Segna die Kulisse und Anna Sofie Tuma die
Kostüme lieferten. Klepper verlegte die Story unspektakulär in die
Jugendstil-Zeit, schob die Gräflich Waldner`schen abgetakelten Gemächer im 1.
Aufzug hin und her, wurde im 2. und 3. Aufzug (Thielemann ließ es beim
Zwischenspiel orchestral funkeln) mit dem hellen, aber Leute-armen Hotel-Foyer
ruhiger. Dessen Rückwand ließ sie schlicht aufklappen – für den einheitlich
maskierten Chor auf dem Fiakerball, wo Zwitscher-Ass Daniela Fally auch
spielerisch brillierte. Da wurden Klepper/Segna symbolistisch, mit
„Tatort“-Düsternis und in die Höhe schwebendem Liebespaar im Klimt`schen
Gold-Lift.
„Aber der Richtige …“, den Fleming-Arabella sich so heiß und kokett
herbeisehnte, den gab es, genau besehen nicht. Emanzen-nah schränkt sie ja
selbst ein: „… wenn`s einen gibt“. Ob der kleine Leutnant Matteo für das längst
emanzipierte Zdenkerl „der Richtige“ ist, muss schwer bezweifelt werden. Naja,
war der alte Waldner (exakt und prima drauf: Bassist Albert Dohmen) schon nicht
unbedingt der Passende für Adelaide (noch immer ein kleines Ereignis: Gabriela
Benackova). So war`s halt damals, am „Fin de Siècle“. Gestern nicht anders als
heutzutage.
Die Osterfestspiele 2015 eröffnen mit italienischem Verismo im Doppelpack:
Mascagnis „Cavalleria Rusticana“ und Leoncavallos „Pagliacci“. „Darauf hab ich
einfach mal Lust“, bekannte Christian Thielemann vor der Presse im „Hotel
Sacher“, noch nicht ganz ausgeruht vom anstrengenden Premieren-Abend. „So wie
ich in einen Laden reingehe und mir sage: Das mag ich jetzt.“
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