Erschienen in Ausgabe: No. 34 (4/2008) | Letzte Änderung: 06.01.09 |
von Constantin Graf von Hoensbroech
Respekt
und Anerkennung wurden dem Kölner Dom und dem Mädchenchor am Kölner
Dom entgegengebracht, als sie sich in den Tagen vor und nach dem
Jahreswechsel 2004/2005 durch Israel sangen. Nicht nur als
Botschafter Deutschlands durften sich die zumeist jungen Leute
fühlen. Auch als Vertreter ihres katholischen Bekenntnisses sangen
sie zur Ehre Gottes und der Menschen. Mit ihrem unbeschwerten
Auftreten gewannen die Sängerinnen und Sänger, die auch einige
Lieder auf Hebräisch einstudiert hatten, rasch viele Sympathien in
Israel.
Sympathisch
und unbeschwert war das Verhältnis zwischen Katholiken und Israelis
indes nicht immer. Gerade weil es bis heute auf offizieller Ebene
immer wieder Irritationen gibt, kommt den zwischenmenschlichen
Beziehungen und dem Austausch sowie Dialog, zumal unter Jugendlichen,
so eine herausragende Bedeutung zu. Irritationen, die gab es schon
lange vor der Staatsgründung Israels. Papst Pius X. wies Anfang des
20. Jahrhunderts den Führer der zionistischen Bewegung, Theodor
Herzl, zunächst einmal schroff ab, als dieser in einer Audienz um
Unterstützung seiner Ziele durch die Katholische Kirche gebeten
hatte. „Wir können die Juden nicht daran hindern, nach Jerusalem
zu gehen, aber wir können dies niemals gutheißen“, soll der Papst
gegenüber Herzl geäußert haben. Vatikandiplomaten beeilten sich
später, bleibende Missverständnisse auszuräumen, und tatsächlich
hat der Vatikan denn auch nie den Zionismus und das Bemühen um einen
eigenen Staat Israel verurteilt.
Mehr
noch: Auch der Kirchenstaat sowie die meisten katholisch geprägten
Länder haben am 29. November 1947 für die historische Resolution
181 der Vereinten Nationen gestimmt, welche die Beendigung des
britischen Mandats in Palästina besiegelte und die Teilung der
Region in einen israelischen und einen arabischen Staat forderte.
Trotz allem blieb auch gegenüber der Katholischen Kirche der
unterschwellige Vorwurf des Antisemitismus bestehen. Nicht zuletzt
auch deshalb, weil es so etwas wie eine judenfeindliche
Traditionslinie in der katholischen Kirchengeschichte gibt: Die Juden
hätten durch die Nicht-Anerkennung von Jesus als den Messias ihren
Anspruch als Volk verwirkt. Durch die Eroberung Jerusalems im Jahre
70 n. Chr. und der folgenden fast 2000 Jahre währenden staatenlosen
Existenz des jüdischen Volkes wurde dies in diesem Sinne deutlich.
So
standen denn die Katholische Kirche und ihre Mitglieder vielfach
zurückhaltend und spürbar distanziert der neuen Staatsgründung am
14. Mai 1948 durch David Ben Gurion gegenüber. Und der Besuch von
Papst Paul VI. im Jahr 1964 in Jerusalem fand lange vor der Aufnahme
diplomatischer Beziehungen zwischen dem Kirchenstaat und Israel
statt. Sicherlich hat die Reise aber dazu beigetragen, im Jahr darauf
im Konzilsdokument „Nostra aetate“ (1965) das spürbar
verbesserte Verhältnis zu formulieren. Eigentlich als Erklärung
über das belastete Verhältnis zwischen Kirche
und Judentum gedacht,
weitete sich die Schrift dann doch zu einer Rundumschau auf alle
Weltreligionen aus. Bezüglich des Judentums wird dazu aufgerufen,
Missverständnisse zu überwinden und sich auf das „gemeinsame
Erbe“ zu besinnen. Der Antisemitismus wird ebenso verurteilt wie
die im Laufe der Jahrhunderte von katholischer Seite immer wieder
kolportierte Ansicht der Allgemeinschuld des jüdischen Volkes am
Kreuzestod Christi.
Was
fehlte, trotz zahlreicher Mahnungen verschiedener Persönlichkeiten
und Gremien, war die völkerrechtliche Anerkennung Israels und die
Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Dazu brauchte es dann doch noch
einmal über 30 Jahre: Am 30. Dezember 1993 wurde der
Grundlagenvertrag zwischen dem Staat Israel und dem Apostolischen
Stuhl unterzeichnet. Neben der Aufnahme diplomatischer Beziehungen
werden in dem Dokument der Charakter und die universale Bedeutung des
Heiligen Landes hervorgehoben „im Bewusstsein der einzigartigen
Natur der Beziehungen zwischen der Katholischen Kirche und dem
jüdischen Volk und des historischen Prozesses der Versöhnung“.
Ohne den Grundlagenvertrag wäre der historische Besuch Papst
Johannes Paul II. in Israel im Jahr 2000 wohl kaum möglich gewesen.
Mit seinen klaren Worten zum Verhältnis von Christen und Juden an
der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wusste der Pontifex in der
israelischen Öffentlichkeit zu beeindrucken. Es muss jedoch
angemerkt werden: Der damalige Papst kam als Pilger.
Auch
die Deutsche Bischofskonferenz hatte sich immer wieder im Kielwasser
der weltkirchlich-politischen Prozesse um eine Verbesserung der
Beziehungen ins Heilige Land bemüht. Bereits 1988 hatte die DBK aus
Anlass des 50. Jahrestags der Novemberpogrome von 1938 die Schrift
„Die Last der Geschichte“ publiziert und darin die
„Notwendigkeit, aufeinander zuzugehen“ hervorgehoben.
Ausdrücklich beriefen sich die deutschen Oberhirten auf Papst
Johannes Paul II., der bei seinem Besuch in der römischen Synagoge
1986 sagte: „Ihr seid unsere bevorzugten Brüder!“ Auch in der
Erklärung „Gerechter Friede (2000) wird nochmals daran erinnert:
„Unsere Bindung an das Judentum ist unaufhebbar bis zum Ende der
Zeit.“
Umso
bedauerlicher, dass die ein oder andere vorschnelle Bemerkung bei der
Reise der deutschen Bischöfe im vergangenen Jahr durch das Heilige
Land zu neuerlichen Irritationen Anlass gab. Andererseits ist das
auch wieder symptomatisch für den nach wie vor so sensiblen Umgang
miteinander. Das zeigte auch die Kritik an der von Papst Benedikt
XVI. neu zugelassenen Karfreitagsbitte: „Lasst uns auch beten für
die Juden, auf das Gott unser Herr ihre Herzen erleuchte, damit sie
Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen.“ Auch die
immer noch umstrittene und nicht eindeutig geklärte Haltung von
Papst Pius XII. während des Holocaust ist und wird wohl auch
zukünftig Anlass für Differenzen sein. Hinzu kommen zahlreiche
ungeklärte Fragen bezüglich Steuern und Eigentumsansprüche der
Katholischen Kirche gegenüber Israel.
Umso
wichtiger sind daher weithin sichtbare Zeichen wie der
Synagogenbesuch des amtierenden Papstes anlässlich des
Weltjugendtages 2005 in Köln oder bei seiner kürzlich beendeten
Reise durch die USA. Und um viele Gesten und Zeichen wird es auch
gehen, wenn nun, wie zu erwarten steht, Papst Benedikt XVI. in diesem
Jahr ins Heilige Land – das ist die nach wie vor gängige
Bezeichnung des Vatikan – reist. Historisch ist das allein schon
deshalb, weil der deutsche Pontifex das erste katholische
Kirchenoberhaupt wäre, dass als offizieller gast des Staates Israel
käme. Dass er dabei auch palästinensischen Boden, etwa durch einen
Besuch in Bethlehem, betritt, gilt als ausgemacht.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.
Warszawski 06.02.2014 09:30
Ein guter Artikel, der einer scheinbar unwichtigen Korrektur bedarf, um die Geschichte des Nahen Ostens richtig zu verstehen. --- Nach 1922 hat die UNO Palästina zum zweiten Mal geteilt: in ein jüdisches und ein arabisches Palästina. Der jüdische Teil, in dem heute 20 % arabische Bürger leben, heißt Israel. Aus dem arabischen Palästina wurden während des Unabhängigkeitskrieges alle Juden vertrieben oder getötet bis es judenrein wurde und bis 1967 judenrein blieb. Das arabische Palästina wurde von Jordanien (Transjordanien) und Ägypten besetzt, und hat bis heute keine Eigenständigkeit erlangt.