Erschienen in Ausgabe: No 103 (09/2014) | Letzte Änderung: 07.10.15 |
von Norbert Bolz
Intelligente Frauen haben es heute besonders
schwer, weil alle Welt es gut mit ihnen meint. Politisch korrekte Männer
bescheinigen den Frauen spezielle, vor allem kommunikative Fähigkeiten, die sie
sich selbst absprechen. Die politischen Parteien verkünden unisono eine nahe
Zukunft, in der Kinder und Karriere vereinbar seien. Und
die feministische Forderung nach einer Quote für Frauen wird jetzt auch von der
Wirtschaft begierig aufgegriffen.
Die
Vereinbarkeit von Kindern und Karriere ist die Lebenslüge der
Gleichstellungspolitik. Jeder, der sich im realen Leben ein wenig auskennt,
weiss, dass Spitzenpositionen in der Wirtschaft das totale Engagement
erfordern. Eine Geschäftsführerin kann sich keine Elternzeit nehmen. Und eine
Spitzenpolitikerin auch nicht. Deshalb haben extrem erfolgreiche Frauen keine
Kinder. Wer das nicht anerkennen will, muss zu einer Ideologie Zuflucht nehmen,
die heute zwar sehr lautstark propagiert wird, aber wohl keinen fühlenden Menschen
jemals wirklich überzeugen wird: nämlich zu der Ideologie, dass Kinder ihre
leibliche Mutter gar nicht so dringend brauchen, sondern auch durch andere
Bezugspersonen gut betreut werden können. So gibt man das Kind gleich nach der
Geburt in die Krippe – und arbeitet mit schlechtem Gewissen an der Karriere.
Alle
starren auf die Zahlen bei der Besetzung von Führungspositionen. Wie hoch ist
der Anteil weiblicher Professoren an Universitäten? Wie viele Unternehmen
werden von Frauen geführt? Nie geht es um konkrete Frauen und die Anerkennung
ihrer Leistung, sondern immer nur um die Gruppe und ihre «Quote». Die
Gutmeinenden wollen Gleichheit statt Freiheit, und zwar Ergebnisgleichheit
statt Chancengleichheit – und zwar Ergebnisgleichheit nicht für die einzelnen
Frauen, sondern für die Gruppe der Frauen als ganze.
Nicht
die individuelle Leistung zählt, sondern die Gruppenzugehörigkeit. Damit aber
wird die berechtigte Kritik an Diskriminierung ad absurdum geführt. Früher gab
es Menschen, deren individuelle Leistung aufgrund einer bestimmten
Gruppenzugehörigkeit nicht anerkannt wurde. Heute werden Menschen aufgrund
einer bestimmten Gruppenzugehörigkeit gefördert, und zwar unabhängig von ihrer
individuellen Leistung. Also hat sich nur das Vorzeichen der Diskriminierung
gewandelt. Und hier wird die Sache dialektisch: jede Gleichstellungspolitik
diskriminiert diejenigen, die es aus eigener Kraft geschafft haben.
Auch
wenn sie politisch nicht erfüllt wird, kann man die Quotenforderung als Warnung
verstehen, dass die politisch Korrekten nicht bereit sind, das Ergebnis eines
individuellen Wettstreits um begrenzte Chancen hinzunehmen. Denn jeder
Wettbewerb um knappe Positionen ist ein Kampf um Vorrang. Das heisst aber: es
entsteht immer eine Nachfrage nach Ungleichheit. Man muss Männer
benachteiligen, wenn man Frauen «nach vorne» bringen will. Man muss begabte
Kinder benachteiligen, wenn man lernschwache Kinder zu denselben
Lernergebnissen führen will.
Seit
der vorsorgende Sozialstaat nicht mehr zwischen Wohltaten und Anrechten
unterscheidet, können wir eine neue Spaltung der Gesellschaft durch die
Ansprüche von Gruppen beobachten, die es gelernt haben, sich als Opfer
ebendieser Gesellschaft zu präsentieren. Früher war die Leistung Grundlage der
Wertschätzung, heute ist es die Benachteiligung. Im Kampf um Status ist der
ausschlaggebende Faktor der, dass man Wundmale der Diskriminierung vorzeigen
kann. Aber man kann die Diskriminierungen der Vergangenheit nicht wieder
gutmachen. Schon gar nicht durch Diskriminierung und öffentliche Bussrituale
der Männer. Mit jedem Schritt der Gleichstellungspolitik entfernen wir uns
weiter vom gesunden Menschenverstand. Die eigentlichen Opfer der Frauenquote
sind die Frauen.
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Warszawski 30.08.2014 09:38
Keine menschliche Gesellschaft oder Organisation kennt eine absolute Gerechtigkeit. Diskriminierung ist Alltag. Wenn die Ungerechtigkeit überhand nimmt, geht die Gesellschaft oder Organisation unter. --------------- Der Aufbau der EU verstärkt auf Grund des absoluten Gleichheitsvorsatzes die Diskriminierung. Die EU wird bald scheitern.