Erschienen in Ausgabe: No 106 (12/2014) | Letzte Änderung: 04.12.14 |
von Nathan Warszawski
Josef Zierden ist Initiator und Organisator des
Eifel-Literatur-Festivals, welches seit 1998 alle zwei Jahre in der Vulkaneifel
stattfindet. Dank seines Talents und seines freundlichen Durchsetzungsvermögens
hat sich die Südeifel zu einer Perle der Literaturszene entwickelt. Am 09.
September 2014 hat der multitalentierte Journalist und Autor Florian Illies sein Buch „1913: Der Sommer des Jahrhunderts“ in
Daun vorgestellt, in einem Städtchen, welches tief in der Eifel und Dank fehlender
Autobahnanbindung, abgelegen von der Hektik der modernen Welt, seinen alten Charme
nicht verloren hat.
„1913“ ist ein
Bestseller. Florian Illies hat herausragende und alltägliche Momente des Jahres
1913 zusammengetragen, eine Fleißarbeit, die aus einer grandiosen Idee lebt. Er
lässt seine historischen Figuren in ihrer Zeit agieren. Wenige erahnen den baldigen
Weltkrieg, der Europa für immer verändern wird. Die Meisten verharren - wie
heute, wie immer – in ihren privaten Problemen, die sie intensiv beschäftigen.
Einige Persönlichkeiten des damaligen internationalen Lebens, deren Namen noch
heute bekannt sind, erklären mit logischen Sätzen, warum es nie wieder zu einem
Krieg zwischen den Großmächten kommen wird.
Ein spannendes Buch, welches jeder lesen sollte, der es
noch nicht getan hat.
Nach der Lesung folgt die obligatorische
Eifel-Diskussion, die der Autor beinahe alleine bestreitet, da er die Fragen
stellt, die er beantwortet. Die Diskussion dreht sich um ein einziges Thema:
Warum ist der Große Weltkrieg nicht vermieden worden? Die Antwort lautet, dass
dies nicht möglich ist.
Unser philosophisch-logisches Denken basiert auf viele
Annahmen, die wir unhinterfragt für selbstverständlich halten. Wir glauben,
dass zukünftige Ereignisse bereits in Ansätzen heute – oder allgemein: in der
Vergangenheit – angelegt sind. Nichts entsteht aus dem Nichts! Wir unterdrücken
den Widerspruch, dass es uns nicht gegeben ist, im Gegensatz zu der
physikalischen, die politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft
mit ausreichender Genauigkeit zu erkennen und vorherzusagen. Zuweilen tippen
wir richtig und fühlen uns bestärkt. Unsere falschen Vorhersagen vergessen wir
schnell.
Warumniemand die
gesellschaftliche Zukunft voraussagen kann, ist leicht zu definieren: Die
Zukunft ist nicht vorbestimmt. 1913 hat niemand den Ersten Weltkrieg
wissenschaftlich begründet voraussagen können, obwohl dieser Krieg nur ein Jahr
später ausbricht. Viele Menschen sind von Ahnungen heimgesucht worden – selten
richtigen und meistens falschen. Nur im Nachhinein ist es uns Heutigen gegeben,
die Ereignisse des Jahres 1913 herauszupicken,die wahrscheinlich zum Weltkrieg geführt haben. Andrerseits haben auch
viele Ereignisse stattgefunden, die den Weltkrieg hätten verhindern können. Doch
die ersteren Ereignisse haben sich durchgesetzt.
Es ist die Stärke des Buches von Florian Illies, diesen zeitlichen
Aspekt herausgearbeitet zu haben.
Wie verhält es sich 2014? Heute investieren wir viel Geld
in Zukunfts- und Friedensforschungen, die uns vermessen werden lassen zu
glauben, dass wir die Zukunft im Griff haben. Pazifisten glauben, dass
Abrüstung, Militärs glauben, dass nur einsatzbereite Armeen
den Weltfrieden garantieren. Wirtschaftsexperten verkünden,
dass ein wirtschaftlicher Boykott den Frieden gefährdet, Politiker erkennen
im Boykott eine Stärkung des Friedens. Wer Recht oder Unrecht hat,
wird sich in der Zukunft erweisen, die uns allen heute verschlossen ist.
Wie im Jahre 1913 druckt 2014 jede bedeutende und
unbedeutende Zeitung in regelmäßigen Abständen die Meinung des Redakteurs ab,
der mit klug gesetzten Worten überzeugend erklärt, warum die Krisen in der
Ukraine, die ein Krieg zwischen Russland und dem Westen ist, und in Assyrien, den
ehemaligen Nationalstaaten Syrien und Irak, zu keiner weltweiten militärischen
Auseinandersetzung führen werden. Dank Florian Illies’ Buch sollten
wir wissen, dass uns keine sicheren Schritte bekannt sind, einen zukünftigen
Großen Krieg zu verhindern.
Der 9. September 2014 wird ein wichtiger Tag in der
Geschichte der Eifel werden. Auf dem Nachhauseweg in die Nordeifel leuchtet nachts
der Vollmond riesengroß, der sich selten nahe an die Eifel herangewagt hat.
Florian Illies:
1913: Der Sommer des Jahrhunderts
320 Seiten
Verlag: S. FISCHER
ISBN-10: 3100368010
ISBN-13: 978-3100368010
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