Erschienen in Ausgabe: No 106 (12/2014) | Letzte Änderung: 15.12.14 |
von Anna Zanco-Prestel
Der Krieg, der kommen wird, ist nicht der erste. Vor ihm
waren andere Kriege. Als der letzte vorüber war, gab es Sieger und Besiegte.
Bei den Besiegten das niedere Volk hungerte. Bei den Siegern hungerte das
niedere Volk auch.
Bertolt Brecht -1909
Italien bereitet sich vor, im kommenden Jahr, an den Ausbruch vom I. Weltkrieg,
la „Grande Guerra“ - den „Großen Krieg“
, wie er immer noch genannt wird - , zu gedenken. Verschiedene Initiativen sind
bereits gestartet. Allen voran ein umfangreiches, crossmediales Projekt vom
MART ROVERETO, das bis zum 20. September 2015 an drei musealen Orten der Stadt
präsentiert wird, die selbst zum Kriegsschauplatz wurde. Sein Titel „Der Krieg
, der kommt, ist nicht der erste - Grande Guerra 1914-2014.“ ist an den gleich
lautenden Vers aus Brechts „Deutschen Marginalien“ angelehnt. Die Ausstellung
liest sich wie eine „Erzählung über den Krieg und vom Krieg“ durch Werke
weltbekannter Künstler der Moderne - zum großen Teil aus der im MART
aufbewahrten „Futurismus“- Sammlung - sowie von zeitgenössischen Autoren.
Bereichert wird sie durch Installationen, Fotos, Plakate, Postkarten,
Briefwechsel und Tagebücher, die sowohl die alltägliche Normalität des
Kriegsgeschehens als auch die sinnlose Grausamkeit des organisierten Massenmordes
lebendig dokumentieren.
www.mart.trento.it/guerra
Speziell fokussiert auf die Lagunenstadt ist die Venedig gewidmete Ausstellung,
die die Fondazione Venezia und die Fondazione Musei Civici Veneziani bis zum 8.
Dezember in dem suggestiven neu-gothischen Bau „Casa deiTre Oci“ auf der Insel
Giudecca zeigen, aus dem sich eine atemberaubende Aussicht öffnet, die die
Stadt und die Lagune gleichzeitig einschließt.
Venedig, das sich um die Jahrhundertwende von den verheerenden Auswirkungen der
österreichischen Herrschaft langsam erholt hatte, wurde gegen Ende des I.
Weltkriegs heftigen Bombenangriffen von der kaiserlich-österreichischen Marine
und aus der Luft ausgesetzt. 350 S/W Fotos erzählen von der Dramatik einer
Situation, in der sich die Stadtgezwungen sah, vor den Angriffen ihres
traditionellen Feindes verteidigen zu müssen. In 42 Luftangriffen fielen
insgesamt 1029 Bomben auf dem Stadtgebiet, davon allein 300 in der Nacht
zwischen dem 26 und 27. Dezember 1918. 52 Tote und 84 Verletzte waren unter der
Bevölkerung zu verzeichnen, bei einem Sachschaden riesigen Ausmaßes.
In der in vier Bereichen aufgeteilten Ausstellung, die sich „Venedig verteidigt
sich„ nennt – erfährt man weniger über die Kriegshandlungen und viel mehr über
die Strategien, die die Stadt in die Wege leitete, um ihren unschätzbaren
Reichtum an Bauten und Kunstschätzen zu retten. Dazu gehörten die vorsorglichen
Schutzmaßnahmen mit Sandsäcken und Mauervorrichtungen vor Kirchen und Palästen,
die Unterbringungen von Kunstwerken an sicheren Orten, die Umwandlung von
Altanen (Dachterrassen aus Holz) in Stellungen für die Luftabwehr, die Aufstellung
von gefesselten Sperrballonen, die den Luftraum für Kampfflugzeuge unkenntlich
machen sollten oder den Bau von Schutzräumen. Die Bilder gewähren einen Einblick
in das Alltagsleben der Menschen, ihre Betroffenheit nach den Luftangriffen und
erinnern gleichzeitig an Ereignisse größerer Tragweite wie die Mobilmachung von
1915 oder die offiziellen Feiern und Gedenkveranstaltungen für die Gefallenen.
Von besonderem Interesse sind die Aufnahmen, die eine Rekonstruktion der
Schäden an den Bauwerkengestatten, die hier und da noch sichtbare Einschüsse
trugen. Dokumentiert wird u.a. der Verlust der grandiosen Deckenfresken von
Gianbattista Tiepolo in der Scalzi-Kirche, deren völlige Zerstörung bei dem
Versuch, den anliegenden Bahnhof zu treffen, großes internationales Aufsehen
erregte. Nur wenige Bilder sind gezeichnet, wie jene vom Venezianer Tommaso
Filippi, der Direktor vom namhaften Foto-Studio Naya zu Venedig war. Die
meisten blieben anonym und stammen von Beauftragten vom Ministerium der
Kriegsmarine, die sie ohne Genehmigung schossen.
Zu der von Civita Tre Venezie organisierten Ausstellung ist bei den Edizioni
Marsilio ein Katalog mit Beiträgen von Cesare de Michelis, Camillo Tonini und
Claudio Franzini erschienen, der sie kuratiert hat.
Bis zum 11.01.2015
www.treoci.org
www.visitmuve.it
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