Erschienen in Ausgabe: No 106 (12/2014) | Letzte Änderung: 15.12.14 |
von Anna Zanco-Prestel
Aus den Kupfertrichtern flüstern Stimmen, klagen in vielen
Sprachen ihr Leid, der Sturm schwillt an, zu einem Schrei, schwarzer
Flügelschlag über die Glut. Rebecca Horn, Konzert
der Seufzer
Verteilt auf drei Repräsentationsräume der neuen Galerie
im Museumsviertel, zeigt Thomas Modern einen „ganzen Strom“ von jeweils
verknüpften und miteinander Dialog führenden Werken einer der herausragendsten
Protagonistinnen der internationalen Kunstszene: Rebecca Horn.
Es sind für diesen besonderen Ort und Anlass - nämlich
die erste Personale der Künstlerin in München - neu gestaltete Installationen,
wie die bereits 1997 bei der Kunstbiennale von Venedigausgestellte„skulpturale
Komposition“ Konzert der Seufzer – Concerto dei sospiri, aus deren
Kupferröhren und -trichtern sich ein Zusammenspiel von Flüstern und Geräuschen
heraushören lässt. Stimmen sind zu vernehmen in den unterschiedlichsten Idiomen
der Welt– spanisch-kubanische, chinesische und französische - , die die
Künstlerin auf ihren Reisen aufgelesen und sich hier zu einem „Klangteppich von
Klagen und Alpträumen“ (Doris von Drahten)vermischen. Ein „babylonisches
Sprachgewirr“ artikuliert von berühmten Persönlichkeiten des zeitgenössischen
Kulturgeschehens: vom englisch-irischen Schauspieler David Warrilow, dem Freund
und Interpreten Samuel Becketts, von Andy Warhols Freund Taylor Mead oder auch
von der legendären Marina Abramović. Die eindrucksvolle „chorale“ Installation mit
den raumverbindenden Röhren füllt den mittleren Raum der Galerie. Im ersten
vollzieht sich langsam die Verwandlung eines abgebrochenen in Bronze gegossenen
Astes. Ein Kranz aus Messingstäben
innerhalb der Skulptur öffnet sich für einen kaum
wahrnehmbaren Augenblick und offenbart – wenn sich ihre Spitzen treffen – eine
leere Mitte, die zum verborgenen innersten Zentrum des Baums wird, das es zu
schützen gilt. Es ist – erklärt Rebecca Horn – der „Sonnengeflechtspunkt des
Baums“, von dem alle Energie ausgeht: ein „Nachbild der Sonne auf unserer
Retina“.
Die optische Täuschung setzt sich in ihrer magischen
Inszenierung im dritten verdunkelten Raum fort, wenn der Besucher auf einmal
vor Black Moon Mirror steht: die eindrucksvolle kinetische
Installation, die der Ausstellung ihren Titel verleiht. Er steht - so klein wie
Blaise Pascals „Néant“- vor dem unlösbaren Rätsel des Universums, das sich ihm
nur durch einen schwebenden Schatten aufschließt. Erstaunt erblickt er eine
rundförmige glatte Wasserfläche, die plötzlich von einer feinen Kupferschlange
leicht berührt wird und verfolgt fasziniert die Wasserringe, die sich mit einem
einzigen Lichtstrahl als „konzentrisch sich ausdehnende Wellen an die Wand
projizieren“. Im luftleerem Raum herum schwirrende, wie von leichten Windbrisen
beflügelte Pinselstriche in hellen Tönen auf großflächigen Gemälden und
Gouachen begleiten die tief bewegende Schau der im Odenwald geborenen, in
Berlin und Paris lebenden Künstlerin, deren komplexe Raumarbeiten seit den 70er
Jahren in Kirchen, Synagogen oder historisch-politisch aufgeladenen Orten zu
erleben und zu entschlüsseln waren.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.