Erschienen in Ausgabe: No 114 (08/2015) | Letzte Änderung: 06.08.15 |
von Nathan Warszawski
Griechenland liegt näher an Asien und Afrika als an Berlin, dem
Zentrum des Europäischen Imperium. Überall in der EU findet man Korruption, in
Griechenland herrscht zusätzlich Oligarchie und Kleptokratie. Würden die
Kriterien für die Aufnahme Griechenlands für alle gelten, dann wären die
Ukraine und die Türkei längst ehrwürdige Mitglieder der EU.
Die EU ist nicht nur ein Klub wirtschaftlich mächtiger Staaten,
sondern folgt einer politischen Agenda. Der einfache Europäer glaubt, dass der
europäische Zusammenschluss einen weiteren Weltkrieg in Europa vermeiden soll,
was bedingt zutrifft. Richtig ist, dass Deutschland derart in der EU
eingebunden werden soll, dass ein erneuter Weltkrieg vom deutschen Boden aus
nicht möglich ist.
Bis 1989 ist Deutschland geteilt in zwei verfeindeten Blöcken
eingebunden. Ein Krieg zwischen den Blöcken hätte einen Krieg zwischen beiden deutschen
Staaten und deren beider Vernichtung bedeutet. Doch der Ostblock implodiert und
Deutschland wird vereint und wieder groß, wenn auch nicht so groß wie vor dem
Zweiten Weltkrieg oder gar im Vergleich zum Kaiserreich.
Frankreich mit Großbritannien, beide Mitglieder der Europäischen
Gemeinschaft EG, dem Vorläufer der EU, verweigern zunächst gemeinsam den
Deutschen die Wiedervereinigung. Schließlich gibt Frankreich nach und verlangt nach
einer gemeinsamen Währung für die EU, an der sich Deutschland beteiligen muss.
Als Atommacht hält sich Frankreich für ausreichend gerüstet, einen konventionellen
gesamtdeutschen Angriff zurückzuschlagen. Mit Hilfe der gemeinsamen Währung
will Frankreich am Wohlstand Deutschlands partizipieren. Deutschland stimmt zu,
um die Wiedervereinigung zu erlangen.
Frankreich interpretiert die Zukunft Europas falsch. Militärische
Stärke ist weniger bedeutend als wirtschaftliche Stärke. Der gemeinsame €
stärkt die Exportnation Deutschland und schwächt die Importnation Frankreich,
genauso wie Griechenland. Bisher wird die Deutsche Mark aufgewertet,
beziehungsweise der Französische Franc oder die Griechische Drachme abgewertet,
wenn Deutschlands Exportüberschuss allzu sehr drückt.
Dadurch werden weniger deutsche und mehr französische und griechische Güter
gekauft. Zumindest in der Wirtschaftstheorie. Nun ist diese Möglichkeit des
Ausgleiches versperrt. Deutschlands Exportüberschuss macht Deutschland reicher,
die anderen EU-Länder ärmer. Selbst die Inflation nützt nichts, denn die Inflationsraten
sind im gesamten €-Raum gleich.
Die wirtschaftliche Stärke drängt Deutschland in die Führungsrolle
der EU. Deutscher Wille ist Gesetz. Die UNO-Weltmächte wagen nicht, ohne
Deutschland mit dem Iran zu verhandeln. Noch bevor der Vertrag geschrieben ist,
verhandelt Deutschland als Erster mit dem Iran über die Aufteilung der Gelder,
die der Iran erhalten wird.
Der Ausschluss Griechenlands aus dem € hängt ebenfalls vom Willen
Deutschlands ab. Welches Land der €-Zone wagt, dem mächtigen Deutschland zu
widersprechen? Griechenland versucht, die anderen €-Staaten gegen Deutschland
aufzuwiegeln – vergeblich. Griechenland muss Deutschland in Allem nachgeben, um
im €-Raum zu bleiben. Griechenland wird im €-Raum bleiben, weil Deutschland es
so will.
Wer den Verhandlungen zwischen Griechenland und der
Troika/Institutionen gefolgt ist, ist bis zum Schluss dem Eindruck erlegen,
dass Deutschland Griechenland abstrafen und aus dem €-Raum herauswerfen will
und lediglich das Machtwort Frankereich dies verhindert. Das mag so scheinen, doch
der Verbleib Griechenlands liegt im Interesse Deutschlands und die deutsche
Politik setzt dieses Interesse erfolgreich um.
Nun lautet die Frage, weshalb Deutschland am Verbleib Griechenlands
interessiert ist.
Eine mögliche Antwort wäre, dass nach Ansicht und zum Vorteil
Deutschlands kein Staat die €-Zone jemals verlassen darf. Im Falle
Griechenlands hätte Deutschland eine Ausnahme erlaubt. Denn in wenigen Jahren
steht die EU am selben Punkt wie heute, da Oligarchie und Kleptokratie ein
unausrottbarer Bestandteil Griechenlands ist. Irgendwann kann selbst das reiche
Deutschland die Schulden Griechenlands nicht stemmen und Griechenland wird der
€ abgesprochen werden. Politiker, auch deutsche, denken zwar nur in
Wahlperioden, doch die endgültige Pleite Griechenlands ist in weniger als vier
Jahren zu erwarten.
Ein weiterer, wenig wichtiger Grund, Griechenland in der €-Zone zu
belassen, ist die strategische Lage Griechenlands und die militärische
Unzuverlässigkeit des Bündnispartners Türkei, die sich zwischen dem syrischen
Diktator Assad und dem IS hin und her gerissen ist. Doch Griechenland wird
bereits aus innenpolitischen Erwägungen nicht aus der NATO austreten, selbst
wenn es den € verliert.
Es muss also einen gewichtigeren Grund geben, weshalb Deutschland am
Verbleib Griechenlands interessiert ist, obwohl dieser Verbleib nur von kurzer
Dauer sein wird. Der gewichtige Grund liegt in der gemeinsamen Geschichte
beider Länder.
Deutschland und Griechenland sind seit Anbeginn Konkurrenten.
Deutschland steigt als Heiliges Römisches Reich Deutscher Nationen zum
Nachfolgestaat des Römischen Kaiserreichs auf, obwohl das griechische Ostrom
(Byzanz) den Anspruch auf das gesamte Imperium Romanum nach dem Untergang
Westroms erhebt. Irgendwie reißt Karl der Große die Kaiserwürde an sich, die
bald von den Deutschen usurpiert wird und mit der Ausnahme der Herrschaftszeit
Napoleons bis 1918 in Deutschland und in Österreich verbleibt. Die Eroberung
Konstantinopels 1452 durch die Osmanen hilft den Deutschen, die Römische Kaiserkrone
zu fordern, obwohl neben den Osmanen sich nun auch die Russen als Nachfolger
Roms verstehen.
Anfang des 19. Jahrhunderts wird Griechenland von Osmanischen Reich
unabhängig und ein Königreich mit deutschen Prinzen, die zum Teil vertrieben,
zum Teil ermordet werden. Im Ersten Weltkrieg werden neben Armeniern auch hunderttausende
Griechen im türkischen Kleinasien ermordet, wobei die mit den Türken
kaiserlichen deutschen Verbündeten wegschauen. Im Zweiten Weltkrieg wird
Griechenland von Deutschland brutal unterjocht und verliert dabei 10% seiner
Bevölkerung. Griechenland wird vom NS-Staat mit den höchsten Besatzungskosten
belegt, die bis heute der Rückzahlung harren. Viele Partisanen und, um
Rachegelüste zu befriedigen, auch unschuldige Zivilisten werden von der
ruhmreichen, von den Alliierten von jeglicher Nazi-Barbarei freigesprochenen
Deutschen Reichswehr ermordet. Trotzdem finden sich genügend Griechen, die den
Deutschen beim Aufspüren von Juden helfen, die anschließend im besetzten Polen ermordet
werden. Juden leben bereits drei Jahrhunderte vor dem Beginn des Christentums
in Griechenland. Heute gibt es kaumnoch
griechische Juden. Der Antisemitismus ist in Griechenland weiter verbreitet als
in der Türkei und Ägypten, gleichauf mit dem Iran.
Durch die windige Wortwahl „2+4-Vertrag“ schafft es Deutschland,
1990/91 sich um alle Reparationszahlungen zu drücken, was vor allem den
Griechen missfällt. Bei der €-Einführung ist Griechenland deshalb von Anfang an
dabei. Die wirtschaftlichen Zahlen sind zwar stark geschönt, doch Deutschland
verschließt erneut die Augen.
Ähnlich Israel gehört auch Griechenland wegen den deutschen Untaten
zur deutschen Staatsraison. Auf Grund des exorbitanten Antisemitismus, der
außerhalb Griechenlands verschwiegen und übergangen wird, ist das Verhältnis
Deutschlands zu Griechenland brüchiger. Die Anerkennung Israels durch
Deutschland mit Wiedergutmachungszahlung, die Israel aus Geldnot akzeptiert
hat, ist die Voraussetzung für die Eingliederung Deutschlands in die Menschengemeinschaft.
Sollte Deutschland Griechenland aus der Währungsunion herauswerfen, würde innerhalb
der EU das politische Vertrauen schwinden und eine Vorkriegsatmosphäre
entstehen, die den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands zuwiderläuft. Deutschland
kann sich den Grexit nicht leisten, ohne seinen Reichtum und seine
Führungsrolle in der EU zu gefährden.
Es wird spannend sein zu erleben, wie sich Deutschland aus der
nächsten Griechenlandkrise herauswinden wird. Eine erneute Erhöhung des deutschen
Solidaritätszuschlages zur Sanierung Griechenlands ist im Gespräch. Bei den
Ukrainischen Friedensbemühungen versagt Deutschland mit den anderen Staaten total,
selbst eine feindliche Auseinandersetzung mit Russland erscheint möglich. Bei
dem Iran-Deal wird Deutschland für die Folgen und die Misserfolge finanziell
gerade stehen müssen. Schon heute nimmt Deutschland den Löwenanteil der
Flüchtlinge aus muslimischen Ländern auf, um dem Vorwurf des Rassismus zu entgegnen.
Bald können die deutschen Politiker dem überforderten Bürger nichts mehr
abverlangen. An welcher Krise wird die Europäische Union zugrunde gehen? Ich
tippe auf Griechenland.
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