Erschienen in Ausgabe: No 118 (12/2015) | Letzte Änderung: 08.12.15 |
von Jörg Bernhard Bilke
Der schlesischer Priester Bernhard Lichtenberg (1875-1943)
gehörte zu den stillen Vertretern des Widerstands gegen den
Nationalsozialismus, die wie selbstverständlich das taten, was sie für ihre
Pflicht hielten, und die schrecklichen Folgen ihres Handels auf sich nahmen.
Geboren am 3. Dezember 1875 in Ohlau, einer Kreisstadt
zwischen Breslau und Brieg, als Sohn eines Kaufmanns, studierte er in Innsbruck
und Breslau katholische Theologie und wurde 1899 zum Priester geweiht. Zunächst
wurde er im oberschlesischen Neisse als Seelsorger eingesetzt, später in der
Reichshauptstadt Berlin. Von 1913 bis 1930 war er Pfarrer der
Herz-Jesu-Gemeinde in Berlin-Charlottenburg, 1932 wurde er zum Dompfarrer der
Sankt-Hedwigs-Kathedrale berufen und 1938 zum Dompropst ernannt.
Schwierigkeiten mit der aufstrebenden NSDAP bekam er schon
vor 1933, als er Abgeordneter der Zentrumspartei im Parlament von
Berlin-Charlottenburg war, und später als Bezirksabgeordneter von
Berlin-Wedding. Von NSDAP-Gauleiter Joseph Goebbels (1894-1945) wurde er 1931
heftig angegriffen, weil er zum Besuch des Anti-Kriegsfilms „Im Westen nichts
Neues“(1930) aufgerufen hatte. Sofort nach der „Machtergreifung“ 1933 wurde
seine Wohnung von der GESTAPO durchsucht. Als ihm 1935 von denschlimmen Zuständen im Konzentrationslager
Esterwegen durch einen Zeugen berichtet wurde, reichte er eine
Beschwerdeschrift bei Reichsminister Hermann Göring (1893-1946) ein, auf die er
zunächst keine Antwort bekam.
Erst als er zweimal nachgefragt hatte, erhielt er ein
Schreiben von Dr. Werner Best, dem stellvertretenden Leiter der GESTAPO in
Preußen, und von Theodor Eicke, dem Leiter des Konzentrationslagers Esterwegen.
Danach wurde er von der GESTAPO in Berlin wegen „Verbreitung von
Greuelpropaganda“ verhört und misshandelt, ohne freilich die Quelle seiner
Informationen zu verraten. Nach der „Reichskristallnacht“ am 9. November 1938,
die mit Judenpogromen verbunden war, betete Bernhard Lichtenberg jeden Sonntag
öffentlich für die Verfolgten und protestierte am 28. August 1941 in einem
Brief an Reichsgesundheitsführer Dr. Leonardo Conti (1900-1945) gegen die
systematische Ermordung unheilbar Kranker und Behinderter.
Am 28. Oktober 1941 wurde er, von zwei Frauen denunziert,
von SS-Leuten verhaftet und am 22. Mai 1942 wegen „Kanzelmissbrauchs“ und wegen
Vergehen gegen das „Heimtückegesetz“ (1934) zu zwei Jahren Gefängnis
verurteilt, die er im Strafgefängnis Berlin-Tegel und im Durchgangslager
Berlin-Wuhlheide verbrachte. Nach Verbüßung seiner Haft wurde er aber nicht
entlassen, sondern in „Schutzhaft“ genommen. Auf dem Transport ins
Konzentrationslager Dachau in Niederbayern verstarb er am 5. November 1943 im
Städtischen Krankenhaus in Hof/Oberfranken. Bevor die GESTAPO eingreifen
konnte, wurden die sterblichen Überreste des Priesters am 11. November nach
Berlin überführt und am 16. November auf dem alten Domfriedhof der
Sankt-Hedwigs-Gemeinde in Berlin-Gesundbrunnen beigesetzt.
Ähnlich wie der protestantische Theologe Dietrich Bonhoeffer
(1906-1945) aus Breslau in der Evangelischen Kirche genoss nach 1945 auch
Bernhard Lichtenberg in der Katholischen Kirche hohe Verehrung. Seine Gebeine
wurden 1965 in der Unterkirche der Ostberliner
Sankt-Hedwigs-Kathedrale begraben. Büsten von ihm wurden 1991 im Berliner
Bernhard-Lichtenberg-Haus und 1992 in der Hofer Marienkirche aufgestellt. Am
23. Juni 1996 wurde er vom Papst selig gesprochen. Bernhard-Lichtenberg-Straßen
gibt es seit 1962 in Berlin-Plötzenseeund seit 1974 in Berlin-Prenzlauer Berg, auch der Platz vor dem
Gefängnis in Berlin-Tegel trägt seinen Namen, in Berlin-Spandau ist eine
katholische Grundschule nach ihm benannt, auch der Platz vor der
Stadtpfarrkirche Sankt Marien in der Hofer Altstadt heißt seit 2013
Bernhard-Lichtenberg-Platz. Schließlich wurde Bernhard Lichtenberg am 18. Mai
2005 von der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel als „Gerechter der Völker“
geehrt.
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