Erschienen in Ausgabe: No 121 (03/2016) | Letzte Änderung: 02.03.16 |
Die CSU-Vizechefin und Vorsitzende der CSU-Europagruppe, Dr. Angelika Niebler, fordert im Gespräch mit Stefan Groß Respekt vor unserer Wertekultur und ein härteres Durchgreifen bei Straftaten. Sie lehnt es ab, dass Frauen ihr Verhalten nach den Übergriffen in mehreren Städten ändern müssen.
von Angelika Niebler
„Ohne Dirndl und Mini-Rock ist das
nicht mein Land", so haben Sie betont. Was hat sich mit den Angriffen auf
Frauen in beim Thema Willkommenskultur geändert.
Wer zu uns kommt, muss unsere
Werte respektieren. Dazu gehört auch die Stellung der Frauen in unserer
Gesellschaft. Frauen sind kein Freiwild, nur weil sie einen kurzen Rock tragen
oder Dekolleté zeigen. Es kann auch nicht sein, dass wir Frauen nun unser
Verhalten anpassen müssen, um nicht Gefahr zu laufen, sexuell belästigt zu
werden. Oder dass sich Flüchtlinge weigern, von Polizistinnen kontrolliert, von
Sozialarbeiterinnen betreut, von Lehrerinnen unterrichtet zu werden. Gegen
derartige Denkweisen müssen wir uns massiv zur Wehr setzen.
Das abwertende Verhalten
gegenüber Frauen trifft nicht nur Einzelpersonen – was schlimm genug ist –, es
ist auch ein Angriff auf das Wertesystem unserer Gesellschaft. Wenn Frauen sich
aufgrund von sexuellen Übergriffen nicht mehr ungehindert im öffentlichen Raum
bewegen können, dann ist das nicht mehr unser Land. Wenn sie nicht als
gleichberechtigt anerkannt werden, ist das ein Rückschritt für unseren
freiheitlich demokratischen Staat, den wir nicht akzeptieren können und wollen.
Die Frauen sind sehr besorgt, das bekomme ich aus vielen Nachrichten an mich
mit.
Die CSU plädiert für eine Obergrenze.
Nun hat der Verfassungsrichter Udo Di Fabio ein Gutachten erstellt, das der
Bundesregierung vorwirft, Verfassungsrecht zu brechen. Diese Gutachten bestärkt
Horst Seehofer, der bereits vor einem wachsenden Vertrauensverlust in die
Staatsräson gewarnt hat. Wie steht Europa zur Obergrenze?
Es geht ja nicht nur um eine kurzfristige Notaufnahme von Flüchtlingen,
sondern um eine Zuwanderung mit allen Folgen wie Wohnen, Arbeit, Bildung und
Ausbildung. Viele Staaten machen sich hier große Sorgen, weil sie da bereits
große Probleme haben.
Die Quotendebatte läuft jetzt seit Mai 2015. Da hat die Kommission
Vorschläge gemacht und das Parlament diese auch zügig beschlossen. Allerdings
ziehen einige Mitgliedsstaaten nicht entsprechend mit und handeln teils
verantwortungslos gegen diese Beschlüsse. Aber in Europa brauchen Entwicklungen
oft auch Zeit, währenddessen müssen dann nationale Maßnahmen in Erwägung
gezogen werden.
Wie können wir die Frauen vor
Übergriffen besser schützen?
Zum einen müssen wir aufklären. Über unsere Werte, Regelnund Gesetze, über unsere Lebensart. Unser
Wertekanon ist vorbehaltlos zu respektieren, dass muss auch Migranten aus
männlich-autoritären Kulturen verständlich gemacht werden. Wir müssen den
Flüchtlingen die Chance geben, das zu lernen. Wenn wir Kriminalität verhindern
wollen, ist Integration der beste Schutz.
Auf der anderen Seite muss der Rechtsstaat mit allen Mitteln durchgreifen
und deutlich zeigen, dass Gewalt gegen Frauen verfolgt und bestraft wird.
Völlig unabhängig vom ethnischen und kulturellen Hintergrund der Täter, da gibt
es weder Bonus noch Malus. Nur klare Regeln.
Letztendlich geht es auch ums Vertrauen in unseren Staatsapparat, an Polizei
und Justiz. Es muss der Glaube erhalten bleiben, dass man im Notfall nicht
allein gelassen wird. Sonst trauen sich die Frauen am Ende vielleicht nicht
mehr auf die Straße.
Brauchen wir andere Abschieberegeln?
Darüber muss man reden. Wer Straftaten begeht und sich nicht an unsere Rechtsordnung
halten will, hat sein Recht verwirkt, aufgenommen zu werden und muss mit
Konsequenzen rechnen. Die derzeit gültige Regelung ist zu lax. Es erscheint mir
sinnvoll, Abschiebung bereits bei einem statt bei drei Jahren Strafverurteilung
anzuordnen. Dies muss auch wirken, bevor ein Asylverfahren zu Ende geführt ist.
Wie wird Merkels Willkommenskultur in
Brüssel bewertet. Hat man für diesen deutschen Sonderweg noch Verständnis?
Bei uns im Europäischen Parlament gibt es eine breite Mehrheit dafür, dass
wir den Flüchtlingsstrom begrenzen müssen. Zahlreiche Länder haben bereits
nationale Initiativen ergriffen, weil man sich in Europa bislang nicht auf eine
Linie verständigen konnte, wie zuletzt Schweden und Dänemark, die wieder
verstärkt Grenzkontrollen eingeführt haben. Von kritischen Nachfragen über die
deutsche Position zur Flüchtlingspolitik bis zu völligem Unverständnis reicht
das Spektrum der Meinungen im Parlament und durch die Vorfälle in Köln hat sich
Debatte noch verschärft.
Fragen Dr. Dr. Stefan Groß
Zur Person:
Dr. Angelika Niebler
Die studierte Juristin Dr. Angelika
Niebler gehört seit 1999 dem Europäischen Parlament an. Seit ist
Vorsitzende der CSU-Europagruppe und Co-Vorsitzende der CDU/CSUGruppe in der
EVP-Fraktion. Im Jahr2015 wurde
sie zur Stellvertretenden Parteivorsitzenden der CSU gewählt. Niebler setzte
als Landesvorsitzende der Frauen-Union für die Parteiämter in der CSU eine
Frauenquote durch.
das Interview erschien zuerst auf "The European"
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