Erschienen in Ausgabe: No 122 (04/2016) | Letzte Änderung: 01.04.16 |
von Michael Lausberg
Die klare Trennung von Christen und Juden teilte
den Juden einen in jeder Beziehung anderen Status zu.[1]
Das IV. Laterankonzil 1215 macht den Juden deutlich Kleidervorschriften, aus
denen dann der obligatorische Gelbe Fleck entwickelt wird. Die Juden werden nun
auch auf eine soziale Rolle fixiert: auf die des Agenten im Waren- und
Geldverkehr, auf letzteren in seiner gefährlichsten Form, den Geldverleih
genannten Wucher. In der traditionalen Gesellschaft versucht die
herrschaftliche Gewalt den freien Geldverkehr zu begrenzen: Den Christen hatte
das III. Lateranische Konzil 1179 verboten, Zinsen zu nehmen. Den Juden hatte
man damit ein zweifelhaftes Monopol zugeschanzt: die Geldwirtschaft innerhalb
einer agrarischen Traditionsgesellschaft. Als Geldbesitzer, bei denen die
christliche Umwelt verschuldet war, waren sie vorzügliche Objekte gewalttätiger
Begierde: der Herren wie der christlichen Untertanen. Da es überhaupt keine
Vergleichsmaßstäbe gab und das Risiko für den Verleiher ungeheuer war, setzte
sich das Wort Wucher für jede Zinsnahme fest. Das ökonomische Vorurteil im
modernen Antisemitismus hat seine materielle Basis in der verschleierten
vorkapitalistischen Ökonomie. Der Konzilsbeschluss über den jüdischen Wucher
schränkte gerade den jüdischen Zins ein und machte ihn kalkulierbar; der stille
Profiteur des Zinsverbotes war die Kurie, besonders zur Zeit der Kreuzzüge.
Das gefährliche Zinsgeschäft hatte noch eine andere
Seite: Die Juden, denen agrarische Tätigkeit unmöglich gemacht wurde, mußten
ihr Gewerbe ausüben als servi camerales - als Kammerknechte. Die Knechtschaft
war total, denn die Juden wurden zu waffenlosen Schutzbedürftigen: "Wer
das Waffenrecht verloren hat, ist in seiner rechtlichen und sozialen Umstellung
herabgedrückt und nach germanischer und mittelalterlich- deutscher Auffassung
Unfreier, Knecht und in vollständige Abhängigkeit von seinem Herrn
gebracht."[2] Die
jüdische Existenz im agrarischen Europa ist seitdem abhängig vom Geldgeschäft.
Nur aus dessen Profiten können die Schutzgelder an die Herren bezahlt werden.
Unter den Gezeichneten bildet sich eine ganz besondere Moral aus, die auf die
Verfolgung und Verbannung in die Zirkulationssphäre reagiert: "Es ist die
Religiösität der 'Frommen Deutschlands', wesentlich formuliert von dem 1207
gestorbenen Juda ben Samuel im 'Buch der Frommen'. Die 1096 aufgezwungene
Alternative 'Tod oder Taufe' wird darin mit der Aktivierung der Theologie des
Kidusch ha-schem, der 'Heiligung seines Namens', beantwortet, die die
Selbsttötung in der Verfolgung zur unbedingten Forderung erhebt,
Selbstverteidigung (wie sie 1097 geübt wurde) ablehnt und Selbsttötung als
Askese, Weltabkehr, Fatalismus und rigorose Lebensverneinung verinnerlicht."
Schon dieses Zitat macht deutlich, wie sehr die radikale Abkehr von Gewalt die
traditionellen Denkschemata sprengt. Die aschkenasischen Juden haben sich dem
Gleich für Gleich traditioneller Gewalt entzogen und alle Verfolgungen bis in
die Moderne überlebt: Die Verfolger empfinden diese Tatsache als unheimlich.
Der moderne Antisemitismus wird die Juden als feige beschimpfen; die
Auseinandersetzungen um die Kriegsteilnahme von Juden reichen von den
sogenannten Befreiungskriegen bis in den ersten Weltkrieg.[3]
Wie sehr die Stellung zur Gewalt von der
gesellschaftlichen Lage abhängt, zeigt die Geschichte der sephardischen Juden.
"Die Juden der frühen Neuzeit waren keine einheitliche Gruppe. Sie waren
durch ihre Jahrhunderte währende Akkulturation an das arabische und christliche
Spanien und an den deutschsprachigen Raum Mitteleuropas in zwei große Kulturen
geschieden, die Sephardim und die Aschkenasim (von hebräisch spharad = Spanien,
bzw. aschkenaz = Deutschland), also in eine spanisch- und eine deutschsprachige
Gruppe. Die Sephardim erlebten als Teil der islamischen Kultur des
mittelalterlichen Spanien eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte, die sich
nur mit der hellenistischen und der deutsch-jüdischen Periode der Emanzipationszeit
vergleichen läßt.
Das IV.
Laterankonzil beschäftigte sich schon damit, die Juden aus hohen Ämtern
fernzuhalten.[4] Das
galt nicht für Deutschland, sondern für das christlich werdende Spanien. In der
Reconquista, der christlichen Eroberung des islamischen Spanien, die vor den
Kreuzzügen des 11. Jahrhunderts schon das Modell des Heidenkrieges abgab, geht
es um die Durchsetzung christlicher Herrschaft in Spanien. In dem Kampf gegen
den Islam sind aber die kastilischen Könige zu schwach, ihr gewonnenes Land
allein mit christlichen Herren zu verwalten. Die Juden, die im islamischen
Spanien schon eine kulturelle und wirtschaftliche Blüte erlebten, waren sogar
weit besser geeignet als die christlichen Krieger und Abenteurer, ein
geordnetes gesellschaftliches Leben zu organisieren. Die Kurie versuchte auch
hier, mit den Beschlüssen des IV. Laterankonzils die christliche Herrschaft
exklusiv durchzusetzen.
Zunehmend verstärkt sich im 13. und 14.
Jahrhundert, was man Subreconquista genannt hat. Spanien sollte durch den Druck
des Heiligen Stuhls an das übrige Europa angeglichen werden: "Solange die
eigentliche Reconquista im vollen Gange war und die militärische Streitmacht
der Christen sich auf eine im Wesentlichen von Juden wahrgenommene Verwaltung
stützte, dachte jedoch in dem Spanien der drei Religionen niemand daran, an die
traditionellen Strukturen zu rühren. Wie wir schon gesagt haben, verwandten die
Kirchenfürsten und die Führer der militärischen Orden, ganz wie die Könige, die
Juden als Verwaltungsbeamte und Finanzfachleute. "[5]
Man lebte so eng zusammen, daß die Kirche sich nicht scheute, den Zehnten auch
von den Juden zu nehmen - sie also als Mitglieder der Kirchengemeinden
betrachtete. Der Neid gegen die Juden wurde jedoch geschürt; als sichtbare
Zeichen ihrer Blüte unter dem Islam existierten noch die Aljamas, die nicht mit
den europäischen Gettogemeinden zu vergleichen waren. Der Druck nahm zu, obwohl
oder gerade weil sich im Laufe der Jahrhunderte viele gemeinsame Rituale und
Praktiken zwischen den drei unterschiedlichen Religionen entwickelt hatten.[6]
Im 13. und 14. Jahrhundert kam es zu zahlreichen
schweren Judenpogromen und Vertreibungen der Juden. 1221 wurde die jüdische
Gemeinde in Erfurt ausgelöscht, 1235 folgte die in Fulda, 1285 die in München.
1264 wurden englische Juden Opfer eines Pogroms in London. In sämtlichen Fällen
ging dem Pogrom der Vorwurf eines angeblichen Ritualmords voraus.
1290 vertrieb König Eduard I. von England alle
Juden aus seinem Reich. 1306 tat Philipp IV. es ihm in Frankreich nach. Ludwig
X. erlaubte 1315 die Rückkehr der französischen Juden. 1394 wurden sie unter Karl
VI. endgültig vertrieben. Die meisten aus England und Frankreich Vertriebenen
flohen zunächst in das Heilige Römische Reich, in deutsche oder italienische
Gebiete. Dort waren sie keineswegs überall vor Verfolgung sicher. Sie wurden in
den europäischen Königreichen und Fürstentümern nur geduldet, solange sie den
Herrschern wirtschaftlichen Nutzen brachten.
Im deutschsprachigen Raum kam es während des „Rintfleisch-Pogroms“
(1298) und der „Armledererhebung“ (1336–1338) zur Judenverfolgungen, die
die gesamte Region Franken erfassten, sich darüber hinaus ausbreiteten und
durch zahlreiche Pogrome gekennzeichnet waren.
1348 brach die Pest in weiten Teilen
Mitteleuropas aus. Sofort kam das Gerücht auf, die Juden hätten „Brunnen
vergiftet“ und dadurch die Seuche ausgelöst. Daraufhin erreichten die
Judenverfolgungen einen grausamen Höhepunkt.[7]
Angesichts des um sich greifenden Zerfalls der Autoritäten, die hilflos
gegenüber dem „Schwarzen Tod“ waren, fand die Bevölkerung in den Juden den
geeigneten „Sündenbock“. Die Massenmorde an den Juden wurden aber nicht nur
durch religiösen Hass, Aberglauben und politische Unfähigkeit verursacht. Hinzu
kamen Interessen verschuldeter Adeliger und Bürger, die eine willkommene
Gelegenheit sahen, ihre Gläubiger loszuwerden. Kaiser und Papst versuchten ihre
Pflichten als Schutzherren der Juden wahrzunehmen und diese zu schützen. Clemens
VI. argumentierte erstmals rational: „Die Pest wüte auch dort, wo keine Juden
lebten, und raffe auch sie dahin, wo sie lebten“.[8]
Er verbot das Hinrichten von Juden ohne Gerichtsverfahren. Das half ihnen
jedoch nur in Avignon. 1349 kam es in vielen Städten noch vor Ausbruch der Pest
zu Massakern an Juden, oft angeheizt durch die Flagellanten. Zeitgenössische
Quellen berichten auch von häufigen Selbstmorden ganzer Judengemeinden vor der
ihnen angedrohten Verbrennung. Ein Jahr darauf lebten nur noch wenige Juden in
Mitteleuropa. Nur in Spanien, Österreich und Polen erreichten die Herrscher ein
vorzeitiges Ende der Pogrome.
Mit der großen Pest im 14. Jahrhundert, der über
ein Drittel der europäischen Bevölkerung zum Opfer fiel, war „die Zeit der
Plagen“ angebrochen und für viele war der Glaube an das „Ende aller Tage“ eine
unmittelbar bevorstehende Tatsache.[9]
Mit Kapuzen verhüllte Geißler zogen durch das Land und forderten die Menschen
auf zu bereuen, bevor es zu spät sei und die Juden sich endlich zum Christentum
zu bekennen, wenn sie nicht sterben wollten. Immer mehr skurrile Geschichten
schrieben den Juden zu, die Christen vernichten zu wollen, indem sie als
Teufelsdiener des Bösen mächtig seien und Krankheiten sowie Hungersnöte über
das Land verbreiten würden.
Ihren Höhepunkt erreichte die Judenhetze
allerdings mit Martin Luther.[10]
Auf ihn geht nicht nur die Ausdehnung der Glaubensfreiheit zurück, sondern auch
das Wiedererwecken des früheren Hasses der Urchristen.
Anfangs getrieben von falscher Hoffnung alle
Juden rasch bekehren zu können, wurde er „ein ungleich grausamerer und
gehässigerer Feind der Juden“.[11]
Seine Beschreibungen der Juden übertrafen alle je existierenden Mythen. Die
katholischen Kirchenführer gestatteten „den Juden, in Frieden unter den
Christen zu leben, schrieb Luther, und diese revanchierten sich durch Wucher,
Brunnenvergiftung und indem sie bei ihren satanischen Ritualen christliche
Kinder ermordeten“. Seiner Meinung nach könnten die Juden ebenso wenig bekehrt
werden, wie der Teufel selbst und nur ihr Tod sei die endgültige Lösung der
„Judenfrage. Mit seiner vielzitierten Schrift „Von den Juden und ihren Lügen“
veröffentlichte Luther 1543 ein „übles Traktat, in dem er die Juden
beschuldigte, die Weltherrschaft erringen zu wollen“ und nahm „die
Argumentation der Rassisten des 19. Jahrhunderts vorweg, die (...) ebenfalls
die Ansicht vertraten, daß die Juden aufgrund ihres Blutes weder assimilierbar
noch bekehrbar seien“.[12]
Luther brachte somit einen tief empfundenen Volksglauben zum Ausdruck, wie
nirgends ein anderer in Europa und sprach somit für „Millionen von Bauern und
ländlichen Handwerkern, die in der ganzen neuzeitlichen Geschichte Deutschlands
(...) Bewegungen bilden sollten, (...), die schließlich den Nationalsozialismus
unterstützen sollten“.[13]
Unter der Gegenreformation seitens der
Katholiken, mit ihren verheerenden Religionskriegen, hatten auch die wenig
übrig gebliebenen Juden zu leiden. Ihr Dasein war zum Vagabundieren
herabgesunken, die überall Schutz suchten, wo sie nur konnten und letztendlich
in Ghettos zusammengetrieben leben mussten. Innerhalb dieser Ghettos wurden
ihnen sämtliche Sondersteuern auferlegt und außerhalb durften sie sich nur mit
Sondergenehmigungen aufhalten. Mit einer geringen Zahl an Genehmigungen für
Ehen sollte zudem ihre „Vermehrung“ eingeschränkt werden. Diese Ghettoisierung
der Juden im 16. Jahrhundert hielt sich in Mitteleuropa bis zum 18.
Jahrhundert.
Luthers „Judenschriften“ bildeten zwar nur einen
geringen Bruchteil seines Werks, gehörten aber im 16. Jahrhundert wegen seiner
Popularität zu den meistgelesenen Texten zum Thema Juden. Ab 1523 prägten sie
das Judenbild des Luthertums. Daß Jesus Christus ein geborener Jude sei
wurde damals mit zehn deutschen und drei lateinischen Ausgaben, Vom Schem
Hamphoras in sieben, die übrigen Schriften über Juden in jeweils zwei
deutschen und einer lateinischen Ausgabe gedruckt. Buchdruck und Druckgrafiken
verbreiteten Luthers Aussagen weit, so dass sie Judenhass in der Bevölkerung
fördern und literarisch weiterwirken konnten.
Zunächst folgten begrenzte Versuche einer
Judenmission. Luthers Freund und Übersetzer Justus Jonas vertrat 1538 die
Meinung: Die Päpste hätten das Studium der hebräischen Bibel vernachlässigt und
damit die Juden verachtet. Die Reformation habe mit ihrer Bibel auch den Wert
des Volkes Israel wiederentdeckt. Die Juden könnten Jesus Christus aus dem
Eigensinn des Alten Testaments erkennen. Darum müsse sich die Kirche unablässig
für deren Rettung einsetzen.
Mit dieser Schrift „Von den Juden und ihren
Lügen“ begann Luthers Serie judenfeindlicher Schriften von 1543, die denselben
Zweck verfolgten: das Judentum theologisch vollständig zu entkräften und zu
verteufeln, um die Vertreibung der Juden aus allen evangelischen Gebieten
durchzusetzen.[14] In
einer Tischrede von 1542 wandte er sich hier auch gegen das „Judaisieren“
christlicher Hebraisten. In der Erstausgabe gab er an, ein (ungenannter)
Rabbiner habe seine Sabbatherschrift zu widerlegen versucht und ihn dabei auf
ein Buch hingewiesen, das ein Gespräch eines Juden mit einem Christen enthalte,
in dem der Christ „abwesend“ sei. Damit kann er Sebastian Münsters Schrift Messias
Christianorum et Judaeorum Hebriace & Latine von 1539 gemeint haben:
Diese gab dem jüdischen Gesprächspartner Raum zur Entfaltung seiner
rabbinischen Messiasvorstellungen, talmudischen und kabbalistischen Exegese.
Der Christ stellt dem nur christlich gedeutete Altes-Testament-Stellen
gegenüber, ohne den Juden zu überzeugen.[58]
Luther erklärte zu Beginn, er wolle die Juden
nicht mehr bekehren, weil dies so wenig möglich sei wie beim Teufel. Er lehnte
Disputationen mit Juden und das Erlernen ihrer Bibelexegese ab, weil dies sie
erfahrungsgemäß nur in ihrem Glauben bestärke und ermutige, Christen „an sich
zu locken“.[15] Er
wolle nur noch „unseren Glauben stärken und die schwachen Christen vor den
Juden warnen“, also nur ihnen selber die „unsinnige Narrheit“ des jüdischen
Messiasglaubens beweisen. Dazu genüge das Neue Testament, so dass man das
„verdammte Glossieren“ (fälschende Auslegen) der Juden von vornherein
zurückweisen solle. Eine rein philologische Bibelexegese verfehle die
eigentliche Aufgabe, das Christuszeugnis des AT herauszustellen. Diese
christologische AT-Exegese führte Luther im ersten Teil im Kontrast zu Münsters
Dialogschrift vor.
Er beschrieb zunächst den „Hochmut“ der
gegenwärtigen Juden, ihren Erwählungsanspruch: Sie hielten sich aufgrund
Abstammung, Beschneidung, Tora, Land- und Tempelbesitz für Gottes Volk, obwohl
sie doch wie alle Menschen als Sünder unter Gottes Zorn stünden. Anhand von
fünf AT-Stellen versuchte er dann, die Messianität Jesu Christi zu beweisen. Im
dritten Teil beschrieb er jüdische Polemik gegen ihn und die Christen. Im
letzten Teil zog er praktische Folgerungen daraus. Schon in die theologischen
Anfangsteile ließ er laufend viele damalige Stereotype einfließen:
Juden seien blutdürstig, rachsüchtig, das
geldgierigste Volk, leibhaftige Teufel, verstockt. Ihre „verdammten Rabbiner“
verführten die christliche Jugend wider besseres Wissen, sich vom wahren
Glauben abzuwenden. Man beschuldige sie, Brunnen zu vergiften, Kinder wie Simon
von Trient zu rauben und zu ermorden; falls dies nicht zutreffe, seien sie aber
bereit dazu. Denn wenn sie etwas Gutes täten, dann nicht aus Liebe, sondern aus
Eigennutz, weil sie bei den Christen wohnen müssten. Sie hielten nicht einmal
die Zehn Gebote, machten sich zu Herren der Christen, beuteten sie aus und
verhöhnten sie, obwohl es ihnen jetzt besser gehe als im Königreich Israel.[16]
Ab 1543 gab man meist dem „Schutz“ der Christen
vor angeblicher Gefährdung durch Juden Vorrang.[17]
Die meisten evangelischen Fürsten wollten sie jedoch als Wirtschaftsfaktor und
Einnahmequelle behalten und ignorierten darum Luthers Forderungen. Das
Kurfürstentum Sachsen erneuerte und verschärfte 1543 das Durchreise- und
Aufenthaltsverbot für Juden von 1536. Einige Monate nach Luthers Tod wurden die
Juden aus Braunschweig und weiteren Städten vertrieben. Sein Klischee jüdischer
Ärzte führte zur Verbannung von jüdischen Medizinern von einigen evangelischen
Universitäten.1547 vertrieb der Graf von Mansfeld die Eislebener
Juden wie verlangt aus der Stadt. Landgraf Philipp von Hessen ordnete eine
Talmudverbrennung an, verbot Juden das Zinsnehmen und setzte einen Inquisitor
ein; die Vorschriften wurden dennoch nicht umgesetzt. Das Stereotyp des
jüdischen „Gebetsfrevels“ statt des Hostienfrevels gab im evangelischen Raum
oft den Ausschlag, Juden zu vertreiben.[18]
Auch die meisten Reformatoren folgten Luthers
Forderungen nicht, obwohl sie das Judentum theologisch wie er als überholte,
feindliche Gesetzesreligion einordneten.[19]
Philipp Melanchthon verbreitete Luthers Schriften von 1543 als „nützliche
Lehre“. Wolfgang Capito unterstützte Josel von Rosheims Vorstoß zur Aufhebung
des Durchzugsverbots in Sachsen. Heinrich Bullinger nannte Luthers Schriften
von 1543 „sehr schmutzig geschrieben“. Sie enthielten zwar manches „zur
Verteidigung des Christentums nicht unnütze, aber er hat diesen schönen und
dankbaren Stoff entstellt und geschändet durch seine schmutzigen Ausfälle und
durch die Scurrilität, die Niemanden, am wenigsten einem bejahrten Theologen,
ansteht.“ Das „schweinische, kotige Schemhamphoras“ hätte auch dann, wenn es
ein Schweinehirt und kein berühmter Seelenhirt verfasst hätte, „wenig
Entschuldigung“. Er lehnte auch Luthers Vorwurf des „Judaisierens“ darin ab und
befürwortete eine wortgetreue Exegese des Alten Testamentes, da sonst auch das
Neue Testament unglaubwürdig werde. Antonius Corvinus und Caspar Güttel hielten
die Solidarität der gemeinsamen Schuld von Juden und Christen vor Gott fest. Urbanus
Rhegius bemühte sich in seiner Region um eine gewaltlose Judenmission. Martin
Bucer und Ambrosius Blarer forderten strenge Knechtschaft, nicht aber
Vertreibung der Juden. Huldrich Zwingli sah sie als direkte Urheber
katholischer Riten und Kriege und lastete ihnen wie Luther absichtliche
Schriftverderbnis an. Das blieb politisch folgenlos, da in seiner Region kaum
Juden lebten.[20]
Andreas Osiander hatte den Ritualmordvorwurf 1529
in einer anonymen Schrift anhand der Toragebote, die den Blutgenuss verbieten,
widerlegt, mit Hinweis auf die tägliche Toralesung und vorbildliche
Torabefolgung der Juden für unglaubwürdig erklärt und die finanzielle
Verschuldung von Christen als Ursache vieler Judenpogrome benannt Er blieb
damit im evangelischen Raum ein Außenseiter. Weil Luther jüdische Ritualmorde
1543 anders als 1523 wieder für möglich oder wahrscheinlich erklärt hatte,
erinnerte man sich im Protestantismus noch lange an derartige Vorwürfe.
Mit der Hetzschrift „Judenfeind“ (1570) knüpfte
der Gießener Pastor Georg Nigrinus an Luthers aggressive Polemik von 1543 an.[21]
Zudem erhob er den Vorwurf des Hostienfrevels, auf den nach der Peinlichen
Halsgerichtsordnung von 1532 die Todesstrafe stand. Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel
empfahl seinem Bruder Ludwig IV. von Hessen-Marburg brieflich, das „schlechte
Werk“, das nur von anderen abgeschrieben sei, einzuziehen. 1577 gab der
Leipziger Superintendent Nikolaus Selnecker, Mitautor der Konkordienformel,
Luthers „Judenschriften“ von 1538 und 1543, seinen Brief an Josel von Rosheim
und eine anonym verfasste Liste „schrecklicher Gotteslästerungen“ der Juden als
Buch für evangelische Hausväter heraus. Er kommentierte: Weil das
Wirtschaftsverhalten von getauften wie ungetauften Juden derart verdorben sei,
seien sie ebenso wenig wie „der Teufel und seine Mutter selbst“ zu dulden. Sie
seien besonders gefährliche Feinde der Lutheraner, da sie überall
gesellschaftlich aufgestiegen seien, während die wahre Lehre „greulichen Schiffbruch
gelitten“ habe.[22]
Das kirchliche Mittelalter hatte Juden
prinzipiell eine jenseitige Erlösung offengehalten, die sie durch die Taufe
schon in diesem Leben erreichen konnten. Deshalb wurden jüdische Gemeinden
zeitweise geduldet und von manchen Päpsten und Kaisern ausdrücklich geschützt.
Freiwillig getaufte Juden waren vor weiterer Verfolgung meist relativ sicher.
Nur bei Zwangstaufen behielten andere Christen Vorbehalte gegen sie, besonders
in Spanien: Nach der Massenvertreibung der spanischen Juden durch das Alhambra-Edikt
von 1492 verfolgte die spanische Inquisition die im Land gebliebenen „Conversos“
als „Schweine“ (marranos) und begründete dies mit dem rassistischen
Ideal der „Reinheit des Blutes“ (limpieza de sangre).
Dieses Muster wiederholte sich im 19. Jahrhundert
gegen die Judenemanzipation. Schon 1790 entwickelte der Göttinger
Popularphilosoph Christoph Meiners (1747–1810) ein Rangsystem der Rassen, das
Juden zwar über „Orang-Utans“, „Negern“, „Finnen“ (Lappen) und „Mongolen“
einstufte, aber unter Weißen und Christen.[23]
Deshalb stünden ihnen weniger Rechte als diesen zu. Seit Ernest Renan wurde es
zunehmend üblich, Juden als „Semiten“ einen Mangel an Zivilisiertheit
nachzusagen. Frühe Antisemiten wie Grattenauer und Hartwig von Hundt-Radowsky
beschrieben Juden direkt als Affen, um ihnen die Menschenrechte abzusprechen
und ihren Emanzipationsprozess, ihr Streben nach Bildung und Aufklärung als von
vornherein lächerlich und illusorisch abzuwerten.
1853 unterschied Arthur de Gobineau mit dem
Aufsatz Die Ungleichheit der Rassen „Arier“ von angeblich minderwertigen
„semitischen und negriden Rassen“.[24]
1858 begründete Charles Darwins Aufsatz Über die Entstehung der Arten
die Evolutionstheorie und moderne Genetik mit den Prinzipien Variation,
Vererbung und Selektion: Der „Kampf ums Dasein“ führe zu einer Auslese der dem
Überleben angepasstesten Arten. Dies übertrugen Rassisten auf die
Völkergeschichte: Sie sei als ewiger Kampf zwischen höheren und niedrigeren
Rassen zu deuten. Das ermöglichte Antisemiten, die „Judenfrage“ mit pseudobiologischen
Argumenten als Rassenproblem zu propagieren.[25]
So schrieb der österreichische Kulturhistoriker Friedrich
von Hellwald (1842–1892) 1872 in einem Zeitungsartikel, Juden seien aus Asien
eingewanderte Fremdrassige; dies würden Europäer „instinktiv“ spüren. Das
sogenannte Vorurteil gegen Juden sei also durch zivilisatorischen Fortschritt
nie zu überwinden. Als Kosmopolit sei der Jude dem „ehrlichen Arier“ an Schläue
überlegen. Von Osteuropa aus grabe er sich als Krebsgeschwür in die übrigen
europäischen Völker ein. Ausbeutung des Volkes sei sein einziges Ziel. Egoismus
und Feigheit seien seine Haupteigenschaften; Selbstaufopferung und Patriotismus
seien ihm völlig fremd.[26]
Nach der rechtlichen Gleichstellung der Juden
überhöhten Antisemiten den rassischen zum welthistorischen Gegensatz: „Arier“
galten als zur Weltherrschaft berufen, „Semiten“ als ihre zur Unterlegenheit
bestimmten Konkurrenten, die gleichwohl zur Zeit noch über die Arier
herrschten. Der Nationalökonom Eugen Dühring (1833–1921) begründete dies mit
seinem populären Buch Die Judenfrage als Racen-, Sitten- und Culturfrage
(1881), das eine Art Bibel für Antisemiten wurde.[27]
Er erklärte die „Selbstsucht“ und „Machtgier“ der Juden als unveränderbare
Erbanlage und verband damit antichristliche und antikapitalistische Motive: Die
Bibel sei eine vom „Asiatismus“ durchtränkte Religionsurkunde. Juden seien
„Drahtzieher“ der Krisenphänomene und sozialen Missstände der
Industrialisierung. Als einer der Ersten sprach er von einer „Endlösung“. Da
diese vorläufig nicht möglich sei, solle man die Juden wieder in Ghettos
zwingen und dort überwachen. Ziel aber bleibe: „Der unter dem kühlen nordischen
Himmel gereifte nordische Mensch hat die Pflicht, die parasitären Rassen
auszurotten, wie man eben Giftschlangen und wilde Raubtiere ausrotten muss!“[28]
Diese seit dem Mittelalter bekannten Sprachbilder
der Entmenschlichung passten die Antisemiten der wissenschaftlichen Sprache der
Bakteriologie, Mimikry-Theorie und Rassenlehre an. Juden wurden immer mehr
nicht nur mit Blutsaugern, Krebsgeschwüren, Schmarotzern, Seuchen, Ungeziefer,
Volksschädlingen, wuchernden Schlingpflanzen usw. verglichen, sondern
identifiziert. Stand im mittelalterlichen Aberglauben hinter ihnen der Teufel,
also eine letztlich unbesiegbare dämonische Macht, so wurde es mit dem
medizinisch-technischen Fortschritt denkbar, sich dieser „menschlichen Viren“
radikal zu entledigen.[29]
Das verschloss Juden jede Möglichkeit, sich
sozial anzupassen. Denn auch getaufte Juden blieben nun Juden, die von
Vorfahren mit jüdischer Religion abstammten, egal ob und wie lange ihre
Vorfahren schon Christen waren. Damit war die Religionszugehörigkeit für
Antisemiten nur noch als pseudobiologisches Merkmal wichtig, das Judesein zum
unentrinnbaren Schicksal machte. Die Juden zugeordneten negativen Erbanlagen
erschienen durch keinerlei Erziehung, Bildung, Integration und Emanzipation
veränderbar. So wurde ihre völlige Vertreibung oder Vernichtung in ganz Europa
als einzig realistische „Lösung der Judenfrage“ nahegelegt.
Der Rassismus untermauerte auch sonst die
Ablehnung fremder Völker nach außen und ethnischer oder anderer Minderheiten
nach innen. So wuchs parallel zum Antisemitismus in ganz Europa der Hass auf
Minderheiten. In Deutschland richtete sich diese z.B. gegen „Zigeuner“
oder Sorben.[30]
Darwin distanzierte sich 1880 von diesem
politischen Missbrauch seiner Theorien. Nach seinem Tod 1882 wurden diese
jedoch immer stärker rassistisch umgedeutet. Man redete nun von der
„Zersetzungskraft jüdischen Blutes“ und zählte auch „Halb“- oder
„Viertel“-Juden zum Judentum, während die „arische Rasse“ immer stärker zur
einheitsstiftenden Idee wurde. Deren „Notwehr“ gegen die Juden wurde als
Naturgesetz dargestellt. Damit wurde das Recht des Stärkeren gegenüber Natur-
und Menschenrecht deterministisch legitimiert. So forderte z.B. Paul de Lagarde
(1827–1891) in Juden und Indogermanen 1887 die Einheit von „Rasse und
Volk“ unter Ausschluss des Judentums. Er beklagte, dass in Berlin mehr Juden
lebten als in Palästina, und forderte, „dies wuchernde Ungeziefer zu
zertreten“: „Mit Trichinen und Bacillen wird nicht verhandelt, Trichinen und
Bacillen werden auch nicht erzogen, sie werden so rasch und so gründlich wie
möglich vernichtet.“[31]
Auch Wilhelm Marr verwendete 1879 das Bild von
den Jesusmördern und sprach kulturpessimistisch von einem Sieg des
Judenthums über das Germanenthum, wobei er die Juden als „eigene Rasse“
darstellte.[32]
1899 forderte Houston Stewart Chamberlain
(1855–1927) in seinem Buch Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts als
Erster die „Reinheit der arischen Rasse“ gegen „Vermischung“.Das
Buch las Kaiser Wilhelm II. persönlich seinen Kindern vor und empfahl es als
Lehrstoff für die Kadettenschulen.
In den 1920er Jahren erreichte die
Massenproduktion rassistischer und antisemitischer Traktate, Bücher und
Neuauflagen neue Höhepunkte.[33]
In Deutschland wurden z.B. die Schriften von Hans F. K. Günther populär: Rassenkunde
des deutschen Volkes, Kleine Rassenkunde des deutschen Volkes und Rassenkunde
des jüdischen Volkes. Die „Vergleiche“, die Günther anstellte, liefen
darauf hinaus, dass die „nordische Rasse“ die höchstentwickelte, aber auch die
in ihrem Bestand gefährdetste sei. Seine Theorien wurden zeitweise zur
maßgeblichen ideologischen Grundlage der nationalsozialistischen Rassenpolitik,
die nicht nur zum Holocaust an den Juden und den Völkermord an den als "Zigeuner"
Verfolgten, sondern auch zur Ermordung zahlloser Angehöriger der als
minderwertig diskriminierten slawischen Völker führte. Allerdings hielt Günther
selbst das Thema Judentum für untergeordnet und meinte bereits in den zwanziger
Jahren, der Begriff des „Ariers“ sei veraltet. Das hinderte ihn allerdings
nicht, sich in seiner Rassenkunde ausgiebig antisemitischer Klischees zu
bedienen. Sein Wunsch war, dass die Juden nach „Palästina oder ein anderes,
ihren Erbanlagen angemessenes Gebiet“ auswandern.[34]
Das deutsche Volk sollte „aufgenordet“ werden.
Das Wort „Aufnordung“ hatte er von Ludwig Ferdinand Clauß übernommen, der damit
allerdings keine Züchtungsgedanken, sondern eine gesellschaftliche Förderung
bestimmter, von ihm als „nordisch“ (nord-west-europäisch) aufgefasster
Kulturelemente verband.[35]
Bei Günther wurde dieser ursprünglich rein kulturell gedachte Prozess
biologisch umgedeutet und in diesem Zusammenhang so prominent, dass die
ursprüngliche Bedeutung nahezu in Vergessenheit geriet. Die Leitsätze der
Deutschen Gesellschaft für Rassenhygiene stellten dabei für Günther in seinem
Buch Der nordische Gedanke unter den Deutschen, 2. Auflage 1927, nur die
Mindestforderung dar. Dort war langfristig die Zwangssterilisation
„minderwertiger“ Menschen sowie deren schnellstmögliche Isolation in
Arbeitslagern vorgesehen. Günther befürwortete nicht nur in weitem Umfang
Zwangssterilisationen von Menschen mit „minderwertigen Erbanlagen“, sondern
auch Zwangsabtreibungen oder die zwangsweise Expatriierung beispielsweise der
damals so genannten „Rheinlandbastarde“, Kindern von schwarzafrikanischen
französischen Besatzungssoldaten und deutschen Müttern. Er war somit einer der
Vordenker der nationalsozialistischen Rassenhygiene.
Die Bedeutung des rassistischen Antisemitismus
wird verschieden beurteilt. Manche Historiker sehen in den Rassenlehren jene
Steigerung des überkommenen Judenhasses, die den Nationalsozialismus vorbereiteten.
Andere, etwa Mark Weitzmann vom Simon Wiesenthal Center, betonen, sie hätten
dem bestehenden Antijudaismus nur einen „rassistischen und wissenschaftlichen
Glanz“ hinzugefügt.[36]
Ein religiös motivierter Antijudaismus war
bereits in der Antike verbreitet, machte sich vor allem im Mittelalter
bemerkbar und fand seinen Ausdruck in der Errichtung von Ghettos,
Kennzeichnungen ("Judenfleck"), Zwangstaufen und Verfolgungen.[37]
Nie erloschen ist der seit Beginn der frühen Neuzeit erhobene Vorwurf, der Jude
sei von Natur aus ein Geldmensch, ein "Wucherer" und
"Blutsauger". Dabei ist es nicht schwer zu erklären, dass Juden seit
dem Mittelalter aus der wirtschaftlichen Gesellschaft des
"christlichen" Kaufmannsstandes systematisch herausgedrängt und ihnen
"unehrliche" Berufe zugewiesen wurden. Wirtschaftliche
Judenfeindschaft ist eine Folgeerscheinung der gesellschaftlichen Ausgrenzung
und fordert die Beschneidung jüdischen Einflusses in der Wirtschaft. Der
kulturelle Antisemitismus wendet sich gegen die Beschäftigung von Juden mit
nichtjüdischem Kultur- und Gedankengut und ihre Beteiligung an kulturtragenden
Institutionen. Der neuzeitliche Judenhass nahm alte Begriffe wieder auf wie:
"Christuskreuziger", "Ungläubige", "Volksschädlinge",
"Kulturzersetzer", "Untermenschen",
"Weltverschwörer".[38]
Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) schrieb,
„der Jude“ sei „ein unersättlicher, habgieriger Betrüger, besessen von einem
skrupellosen Handels- und Schachergeist“, amoralisch, gerissen, hinterhältig
und schmarotzerhaft.[39]
Er halte sich für viel zu intelligent, sei aber „ausgesprochen anpassungsfähig,
nutzlos und schädlich für die Umwelt“, ein Beispiel des Bösen und
Minderwertigen. Er verglich Juden in seinen Sudelbüchern öfter mit Sperlingen,
die damals als schlimme Flurschädlinge galten und massenhaft bekämpft wurden.
Andererseits trat er für befreundete Juden ein.
Immanuel Kant (1724–1804) nannte in
Tischgesprächen Juden „Vampyre der Gesellschaft“. Sie seien „durch ihren
Wuchergeist seit ihrem Exil in den nicht unbegründeten Ruf des Betruges (…)
gekommen“ seien.[40]
Obwohl er biblische Grundgedanken der Tora in seinem Sittengesetz vernunftgemäß
entfaltete und die rabbinischen Traditionen kaum kannte, hielt er das
Christentum für sittlich überlegen, grenzte es scharf gegen das Judentum ab,
verlangte von Juden die Abkehr von biblischen Ritualgesetzen und ein
öffentliches Bekenntnis zur ethischen Vernunftreligion. Erst dann könnten sie
Anteil an allen Bürgerrechten erhalten.
Johann Gottfried Herder (1744–1803) hielt die
Juden für „verdorben“, „ehrlos“ und „amoralisch“, aber durch Erziehung zu
bessern. Er deutete ihre Diaspora-Situation als Unfähigkeit zu einem eigenen
Staatsleben und prägte den oft zitierten Satz, Juden seien seit Jahrtausenden „eine
parasitische Pflanze auf den Stämmen anderer Nationen“. Er forderte die
Abkehr von ihrer Religion als Voraussetzung für ihre nationale und kulturelle
Integration.[41]
Der Philosoph Johann Fries wollte das „Judentum
ausrotten“ und kann somit als Vordenker des Holocausts bezeichnet werden.[42]
Seine wichtigste Abhandlung, die Neue oder anthropologische Kritik der
Vernunft von 1807, war ein Versuch, der kritischen Theorie von Immanuel
Kant in der Selbstreflexion und dem „Selbstvertrauen der Vernunft“ eine
neue Grundlage zu geben; sie hat Fries den Vorwurf des Psychologismus
eingetragen, wie mehrfach nachzuweisen versucht wurde, allerdings zu Unrecht.
1811 erschien sein System der Logik und 1814 Julius und Evagoras, ein
philosophischer Roman. Nach seiner Berufung nach Jena auf den Lehrstuhl der
theoretischen Philosophie (einschließlich Mathematik und Physik und neuerer
Philosophie) unternahm er einen Kreuzzug gegen den vorherrschenden
Romantizismus.
Politisch war Fries ein erklärter Liberaler,
Nationalist und Unionist, der auf vielfältige Weise die Burschenschaften
unterstützte. Seine Ansichten legte er in der Schrift Von deutschem Bund und
deutscher Staatsverfassung (1816) dar, die er „der Jugend von
Deutschland“ widmete; 1817 trat er auf dem Wartburgfest als Redner auf.
1819 beendeten die durch die Repräsentanten der deutschen Regierungen
verabschiedeten Karlsbader Beschlüsse sein universitäres Wirken.
In seiner Polemik Über die Gefährdung des
Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden (1816) äußert er
sich antijüdisch; während er zunächst zwischen Judentum („Judenschaft“) und
Juden unterscheidet, bezieht er seine negativen Beschreibungen im Folgenden
auch auf Individuen. Er befürwortet, dass ein Zeichen an ihrer Kleidung sie von
der restlichen Bevölkerung unterscheide. Zudem macht er die deutschen Juden für
den wachsenden gesellschaftlichen Einfluss von Geld verantwortlich und
ermuntert zu ihrer Auswanderung aus Deutschland; er fordert, dass man das
Judentum „ausrotten“ muss.[43]
Karl Ludwig Sand, der Mörder Kotzebues, zählte zu
Fries’ Schülern. Einen Brief von ihm, der bei einem anderen Studenten gefunden
wurde und in dem Sand vor der Teilnahme an Geheimgesellschaften gewarnt wurde,
sahen die argwöhnischen Behörden als Schuldbeweis an. Ein Mainzer Gericht
verurteilte Jakob Friedrich Fries, so dass der Großherzog von Weimar ihm
deswegen und wegen der Teilnahme am Wartburgfest 1817 die Lehrbefugnis von 1818
bis 1824entziehen musste. Der Großherzog zahlte jedoch das Gehalt
weiter.
Fries gilt als der Begründer des Prinzips der „Ahndung“,
womit er sich dem Dilemma von Glaube und Wissen zu entziehen suchte. Er führte
so die Rolle des Gefühls und der Ästhetik als Handlungsprinzip ein. „Andacht“
und „Hingabe“ gestaltet er zu mithin außerreligiösen Kategorien politischen
Handelns. Nach Fries sind Überzeugung und Gesinnung hinreichende Motive aktiver
Beteiligung am politischen Geschehen. Von seiner Brisanz für die Begründung
ideologisch abgezielter Handlungen bis zum Attentat hat Fries’ Ansatz bis heute
nichts eingebüßt.
John Toland (1670–1722), englischer Freidenker,
sprach sich als Erster ausdrücklich für eine rechtlich-kulturelle jüdische
Emanzipation aus. In Deutschland kämpfte vor allem Moses Mendelssohn
(1729–1786) für die Anerkennung seiner Religion, die er zugleich von innen
liberalisieren und über sich selbst aufklären wollte (Haskala). Sein Freund Gotthold
Ephraim Lessing (1729–1782) rief 1749 in seinem Lustspiel Die Juden dazu
auf, die anachronistischen Vorurteile gegen sie aufzugeben. In seinem Drama Nathan
der Weise (1779) forderte er die gegenseitige Toleranz der drei
monotheistischen Religionen, deren subjektive „Wahrheit“ objektiv unbeweisbar
sei. Die Hauptfigur trägt Mendelssohns Züge und setzte ihm ein Denkmal. Lessing
glaubte an die Aufhebung jedes religiösen Aberglaubens durch humanen
Fortschritt und die pädagogische Erziehung des Menschengeschlechts
(1781); auch den „jüdischen Kinderglauben“ an Tora und Talmud wollte er damit
„überwinden“.[44]
Gegenüber der
europäischen Aufklärung setzte die Haskala, die jüdische Aufklärungsbewegung
zeitverzögert ein.[45] Intellektuell, politisch,
kulturell, sozial und religiös galt es, denn Vorsprung der europäischen
Aufklärung zu kompensieren. Staatliche Maßnahmen, wie die Auflösung der
Ghettosituation z. B. in Preußen und Österreich erhöhten den sozialen und
zeitlichen Druck auf die jüdische Bevölkerung um ein Zusätzliches. Die
teilweise Öffnung der Ghettos und die damit verbundene Forderung der Anpassung
an die christliche Majoritätsgesellschaft zum allgemeinen Wohl des Staates,
ließen die sozialen und kulturellen Gegensätze vollends zur Geltung kommen. Der
Blick nach Amerika und Frankreich verdeutlichte, dass der Traum von der
Emanzipation der Juden hin zu gleichberechtigten Staatsbürgern nunmehr nicht
allein dem Traum und einem entfernten Bedürfnis verhaftet bleiben sollte,
sondern zur realen Möglichkeit avancierte. Wollte die jüdische Bevölkerung den
Anschluss an die allgemeine kulturelle Entwicklung nicht verpassen, so musste
die Möglichkeit der Aufklärung und der gesellschaftlichen Emanzipation der Juden
die unmittelbare Notwendigkeit selbiger nach sich ziehen.[46]
Berlin galt im
Selbstverständnis der Maskilim als historischer Ausgangspunkt der jüdischen
Aufklärung. Hier entstand sie zunächst als Selbstaufklärung, durch die
autodidaktische Aneignung von säkularem Wissen und säkularer Wissenschaft
Einzelner.
Nach dem
Siebenjährigen Krieg 1756- 1763 setzte sich die aufklärerischen Tendenzen vor
allem bei wohlhabenden Juden durch und entwickelte sich zu einer eigenständigen
Bewegung. Um Mendelssohn und die Mitglieder der berühmten Berliner
Mittwochgesellschaft (z. B. Spalding, Gedicke, Teller, Suarez u.a.) entstand
ein beachtlicher Kreis jüdischer Aufklärer. Das Neue bestand in der Tatsache,
dass die jüdischen Gelehrten sich keineswegs, wie zu früheren Zeiten, damit
begnügten, Selbstaufklärung zu betreiben, sondern das jüdische Volk im Ganzen
als Gegenstand der Aufklärung betrachteten. Einzelne aufgeklärte Juden gab es
bereits vor der Haskala. Exemplarisch verweise ich auf Uriel da Costa, Baruch
Spinoza und Moses Chajim Luzzatto, die im 17. und frühen 18. Jahrhundert in den
Niederlanden und Italien gewirkt hatten. Auch in Deutschland gab es in der
ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vereinzelte Juden, die aufklärerische Ideen
transportierten. Namentlich waren das u.a. der Hebräisch- Grammatiker Salomo
Hanau, der Kaufmann Isaak Wetzlar, der Mathematiker Raphael Levi oder der Arzt
Aron Gumpertz.[47]
Während des 18.
Jahrhunderts war die jüdische Gesellschaft in einer kulturellen Krise. Sie fiel
auseinander, was mit dem Autoritätsverlust der Rabbiner einherging. Um die
Probleme zu lösen, entstanden unterschiedliche Bewegungen, insbesondere die
Haskala. Ihren Ursprung hatte die Bewegung im jüdischen Berliner Bürgertum, das
von den Schriften vor allem der französischen Aufklärung inspiriert war und
angesichts der – durch die historischen und ökonomischen Entwicklungen
vorangetriebenen – Veränderung der Sozialstrukturen eine weitere Isolierung des
Judentums befürchtete. Eine erste gesetzliche Anerkennung ihres Anliegens der rechtlichen
Gleichstellung der Juden erfuhr die Haskala zuerst in Frankreich durch die
„Assemblée constituante“, die am 27. September 1791 den Juden die volle
Staatsbürgerschaft zusprach.
Die
Hauptziele richteten sich auf Säkularisierung, also Trennung von Religion und
Staat, und Öffnung in die christliche Mehrheitsgesellschaft durch Herstellung
persönlicher wie institutioneller Kontakte und Heranführung an jüdische
Glaubenslehren.[48]
Dabei entwickelte sich eine Spannung zwischen der erstrebten Erneuerung des Judentums
und der Konfrontation mit der jüdischen Orthodoxie.[49]
Das
mittelalterliche elitäre Vernunftmodell erfuhr mit der Haskala einen radikalen
Bruch.[50] Vernunft, als
menschliches Spezifikum, wurde nun allen Menschen zugewiesen und nicht einer
Elite überlassen. Auch für die Juden bedeutete dies, dass ihre mangelnde
Aufklärung keineswegs auf den Mangel an Vernunft zurückzuführen sei, sondern an
den schlechten äußeren Bedingungen, der Diskriminierung, der fehlenden profanen
Bildung und Erziehung sowie an der starren religiösen Tradition festgemacht
werden muss. Dementsprechend galt die jüdische Aufklärung allen Juden.[51]
Die
Epoche der Aufklärung wird im Allgemeinen auf 1700 datiert und hatte ihren
Ausgangspunkt in Amsterdam. Der Beginn einer Aufklärungsbewegung dagegen wird
auf 1770 mit den Aktivitäten von Moses Mendelssohn und seinem Zirkel gelegt,
wenn auch zwischen einer „frühen“ Haskala, also der Aufklärungsbewegung
innerhalb des jüdischen Establishments und einer „preußischen“ Bewegung
(Ausdehnung auch auf nichtjüdische Kreise) unter Moses Mendelssohn
unterschieden werden muss. Der jüdische Aufklärer (Bezeichnung: Maskil ab 1783)
zeichnete sich durch seine Aktivitäten (Publizität, öffentliche
Meinungsäußerungen, Teilnahme an den Diskussionsrunden, materielle und
finanzielle Förderung), aber auch durch sein Bildungsniveau (zumeist
Universitätsabschluss) aus.[52]
Mit
der bürgerlichen Revolution in Westeuropa verband sich einerseits die erhoffte
Emanzipation der jüdischen Bevölkerung, gleichzeitig entstand eine moderne
Judenfeindlichkeit.
Seit dem 19. Jh. stützt sich die
Judenfeindschaft vorwiegend auf Rassegedanken durch Betonung der Fremdartigkeit
des jüdischen "Stammes".[53]
In Opposition gegen den Reformkurs Karl August
Fürst von Hardenbergs, in Überbetonung nationaldeutscher Werte und in Abneigung
gegen die Juden schlossen sich adelige und bürgerliche Romantiker 1811 zu einer
Berliner "Christlich-deutschen Tischgesellschaft" zusammen. Unter den
Teilnehmern dieses literarischen Zirkels befanden sich auch Heinrich von
Kleist, Clemens Brentano, Carl von Clausewitz, Johann Gottlieb Fichte.[54]
Das Vereinsstatut setzte einen "Arierparagraphen" fest, der die
Mitgliedschaft von Juden ausschloss. Bei einer Sitzung der Tischgesellschaft im
März 1811 trug Clemans Brentano eine "scherzhafte Abhandlung" vor, in
der er traditionell christlichen Judenhass mit Animositäten gegen die
aufziehende kapitalistische Markt- und Geldwirtschaft vermengte. Die
antijüdischen Auslassungen Brentanos wurden von der Tischgesellschaft - von der
einige Mitglieder ständig in den jüdischen Salons von Henriette Herz und Rahel
Levin verkehrten - mit solcher Zustimmung aufgenommen, dass sich Brentano
veranlasst sah, sein Vortragsmanuskript drucken zu lassen.[55]
Dieses Beispiel aus der Voremanzipationsphase zeigt,
dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts neben religiösen und wirtschaftlichen
Motiven erstmals rassistisch-biologische Vorurteile in das antijüdische Denken
der Zeit eingeflossen waren.
In seiner Schrift mit dem programmatischen Titel
"Germanomanie" verurteilte der Berliner jüdische Schriftsteller Saul
Ascher Nationalismus und Deutschtümelei und zog sich damit den Zorn der
deutschen Burschenschaften zu, die Aschers Broschüre auf dem Wartburgfest 1817
verbrannten. Diese symbolische Ermordung Aschers war der Anstoss zu Heinrich
Heines drei Jahre später geäußerter Prophezeiung: "Dies war ein Vorspiel
nur; dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen."[56]
Im Zeitalter eines "hoch aufschäumende(n)
deutsche(n) Nationalismus"[57]
gaben rassistische Volkstumslehren romantischer Agitatoren wie Ernst Moritz
Arndt und "Turnvater" Friedrich Ludwig Jahn den Ton an. Die nationale
Idee der deutschen Einheitsbewegung verband sich mit Doktrinen, die an die
Stelle der traditionellen religiösen Judenfeindschaft eine biologisch
begründete setzten. In einer wertmässig abgestuften Hierarchie von
Menschenrassen wurden einzelnen Völkern kollektive, unveränderliche
Eigenschaften zugeschrieben. Jahn war überzeugt, dass es - so wie es
"taube Nüsse" gibt - auch "taube Staaten und ohne Volkstum taube
Völker" gebe, zu denen er unzweifelhaft die Juden rechnete.[58]
Und Arndt wollte die Juden von Deutschland fernhalten, damit sich der
"germanische Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen
rein"[59]
erhalte.
Arndt warnte vor zu engem Kontakt mit dem Judentum:
Zwar sei durch den Übertritt zum Christentum in der zweiten Generation der
„Same Abrahams“ kaum noch zu erkennen, schädlich aber seien die „Tausende,
welche die russische Tyrannei uns nun noch wimmelnder jährlich aus Polen auf
den Hals jagen wird“, „die unreine Flut von Osten her“. Er warnte vor einer
angeblichen jüdisch-intellektuellen Verschwörung, „Juden oder getaufte und (…)
eingesalbte Judengenossen“ hätten sich der Literatur „wohl zur guten Hälfte
bemächtigt“ und verbreiteten „ihr freches und wüstes Gelärm, wodurch sie
(…)jede heilige und menschliche
Staatsordnung als Lüge und Albernheit in die Luft blasen möchten.“ Das lange „unstäte
Daseyn“ hätte aus ihnen „das Gemeine, Kleinliche, Feige und Geitzige
hervorgelockt“, sie seien „jeder schweren Mühe und jeder harten Arbeit
ungeduldig“ und würden daher nach jedem „leichten und flüchtigen Gewinn“
streben. Forderungen nach Dialog, Humanität und Toleranz gegenüber Juden
bezeichnete Arndt als „Allerweltsphilosophie und Allerweltliebe“, die Zeichen
von „Schwächlichkeit und Jämmerlichkeit“ seien. Noch im Alter wandte sich Arndt
gegen die „unruhigen, neugierigen und alles betastenden und umwühlenden
Hebräer“.
Mit der Taufe konnten sich die Juden in gewissem
Sinne das "Entree-billett" in die europäische Kultur erwerben, doch
in einer Zeit, in der man begann, sie ethnisch zu definieren, war der
Glaubenswechsel allenfalls eine Scheinlösung. Heinrich Heine nahm zwar die
Taufe, ohne allerdings das Judentum zu verlassen. "Ich bin getauft",
räumte er ein, "aber ich bin nicht bekehrt."[60]
In ihrer Gegnerschaft zu den Juden waren sich konservative Nationaldeutsche und
Fortschrittliche, die von den Ideen der Französischen Revolution durchdrungen
waren, einig - die Judenfeindschaft unterschiedlicher sozialer Klassen war
sozusagen eine ideologische Klammer. In der Voremanzipationsphase begannen
antijüdische Autoren, die eine radikale Reform hinsichtlich des Status der
Juden befürchteten, eine heftige "literarische" Kampagne gegen diese.
Die antijüdischen Ideologen warnten - ganz im Fichteschen Sinne - vor einer
bürgerlichen Gleichstellung: "Die wesentlichen Punkte des Judentums
untergraben die Geselligkeit, sie bewirken einen Staat im Staate, und zwecken
dahin ab, den Juden die Herrschaft zu verschaffen und die übrigen Bürger zu
ihren Sklaven zu machen."[61]
Das deutsche Nationalbewusstsein, das die
Befreiungskriege getragen und das die deutschen Juden ebenso wie die deutschen
Christen beseelt hatte, besaß einen gefährlichen judenfeindlichen Akzent. In
seiner Schrift "über die Gefährdung des Wohlstandes und des Charakters der
deutschen durch die Juden" kam der Heidelberger Philosophieprofessor Jakob
Friedrich Fries zu dem Schluss, die Juden seien auszutreiben oder mit Stumpf
und Stiel auszurotten. Ein Berliner Universitätskollege, der Historiker
Friedrich Rühs, schlug vor, den Juden alle Rechte abzusprechen und die
Judensteuer sowie die alten Judenkennzeichen - Spitzhut, gelben Ring
("Judenfleck") - wieder einzuführen.
Am weitesten jedoch ging der Publizist Hartwig
von Hundt-Radowsky. In seinem 1819 in Würzburg erschienenen
"Judenspiegel" regte er an, alle Jüdinnen ins Bordell zu stecken,
alle Juden zu kastrieren, sie nur noch in Bergwerken unter Tage arbeiten zu
lassen oder sie an die Engländer zu verkaufen, die sie in ihren überseeischen
Kolonien als Sklaven einsetzen sollten. Die Tötung eines Juden hielt er weder
für eine Sünde noch für ein Verbrechen.
Hundts demagogische Forderungen, die Juden
auszurotten oder sie mindest zu vertreiben und Deutschland ganz von dem
"Ungeziefer" zu reinigen, wurden in der Hepp-Hepp-Bewegung im Jahre
1819 blutige Wirklichkeit. In vielen deutschen Städten kam es zu Pogromen mit
Einbrüchen, Plünderungen, Misshandlungen und Morden. Zentrum der judenfeindlichen
Ausschreitungen war Würzburg, wo es zur Austreibung von 400 Juden kam. An den
Tumulten beteiligten sich v.a. Studenten, Kleinbürger und verschuldete Bauern,
die mit "Hepp-Hepp-Jud-verreck!"-Rufen[62]
als diabolische Volksbelustigung Juden verhöhnten und misshandelten.
Die akademischen Hetzschriften machten eine
antijüdische Haltung im Bildungsbürgertum salonfähig. Flugblätter und
antijüdische Parolen erreichten die unteren Schichten und lösten die
Gewalttätigkeiten aus.[63]
Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit und Erbitterung waren die Kennzeichen dieser
Jahre nach dem Aufschwung der Befreiungskriege: das dürftige Ergebnis des
Wiener Kongresses, eine Wirtschaftskrise nach Aufhebung der Kontinentalsperre,
Polizeischikanen, "Demagogen"-Verfolgung und die Karlsbader Beschlüsse
nach dem Attentat auf den Diplomaten August von Kotzebue, steigende Brotpreise
nach den Missernten von 1816/17. Es genügte schon, wenn ein jüdischer Händler
seine Waren billiger verkaufte als sein nichtjüdischer Konkurrent, um Krawalle
auszulösen. Eine scharfe Konkurrenzerfahrung löste bei manchen
"christlichen" Kaufleuten den antisemitischen Komplex aus: Es sei nur
deshalb so schlimm um die Wirtschaft bestellt, weil auch "die Juden"
ihre Hände im Spiel hätten. Die kleinen Händler fühlten sich an die Wand
gedrängt und reagierten bitter. Mit der Formel "Flucht in den Hass"
hat Eva Reichmann die psychische Reaktion auf jene ökonomischen Umstände
treffend bezeichnet.[64]
Die Hepp-Hepp-Unruhen - durchaus keine marginalen
und lokal begrenzten Erscheinungen - zeigen besonders eindringlich die
Verflechtung von lokalen Anlässen und politisch-sozialen Bedingungen mit
historischen Traditionen. Sie wiederholen sich in den nachfolgenden Jahrzehnten
immer wieder: In den revolutionären Jahren 1830 und 1848 erfolgten unter diesem
Schlachtruf weitere Gewalttätigkeiten gegen Juden, häufig auch im Zusammenhang
mit der Anschuldigung des Ritualmordes, dessen man die Juden dann bis ins 20.
Jh. hinein zieh.
Tendenziöse Presseberichte machten die Würzburger
Unruhen in ganz Deutschland bekannt und wirkten wie ein Aufruf zur Nachahmung.[65]
Zwischen dem 9. und 15. August folgten Tumulte und Angriffe auf die Juden in Bamberg,
Bayreuth (12. August), Regensburg, Pottenstein, Hollfeld, Ebermannstadt und
vielen weiteren oberfränkischen Ortschaften. Deren Polizei griff oft erst spät
ein und schützte die Betroffenen nicht ausreichend, so dass diese sich mit
Petitionen direkt an die Staatsregierung wandten. Diese machte die Gemeinden
kollektiv für etwaige Schäden und Kosten für notwendige Soldatenquartiere
haftbar, um so deren Schutz für die Juden zu erzwingen. In Franken ließ sie
dies in allen Orten öffentlich bekannt machen.
Dennoch griff die Welle der antijüdischen
Empörung ab dem 15. August auf Hessen, die Oberpfalz, Baden und das Rheinland über.[66]
In Karlsruhe (16./17. August), Mannheim, Heidelberg und ihrer Umgebung waren
die Ausschreitungen besonders heftig und konnten dort ebenfalls nur durch
Militäreinsatz beendet werden. Auch im überwiegend protestantischen Preußen
folgten in den Folgewochen Krawalle, u.a. in Danzig, Breslau, Grünberg, Königsberg,
Lissa, Koblenz, Hamm, Kleve, Dormagen (12. Oktober, hier ausgelöst durch ein
Ritualmord-Gerücht.
In Großstädten mit größeren Judengemeinden nahmen
die Tumulte teilweise die Form von Revierkämpfen an.[67]
In Frankfurt am Main, damals Hauptstadt des Deutschen Bundes, wurden Juden ab
dem 10. August angegriffen. Nach einer morgendlichen Prügelei zwischen
christlichen und jüdischen Briefabholern am Postamt wurden jüdische Passanten
von der öffentlichen Promenade gedrängt. Abends durchzogen Straßenbanden mit Hepp,
Hepp-Rufen pöbelnd die Frankfurter Judengasse und warfen Fensterscheiben
mit Steinen ein. Obwohl einige Abgeordnete der Bundesversammlung den Stadtrat
sofort zum Eingreifen drängten, wurden die Polizeiwachen erst am Folgetag
verstärkt. Die Stadtverwaltung erwog vorübergehend, die Zahl der jüdischen
Bürger auf 500 zu begrenzen und ihnen ein Ghetto zuzuweisen.
Viele jüdische Familien verließen die Stadt zu
ihrem Schutz und siedelten in Nachbarstädte um, wo die Unruhen sie jedoch
wenige Tage darauf ebenfalls ereilten. In Darmstadt kam es am 12. und 13.
August zu Massenaufläufen, Prügeleien und Sachbeschädigungen; die Bedrohung der
örtlichen Juden dauerte wochenlang, so dass die Regierung noch am 4. September
Schutzmaßnahmen für sie öffentlich bekannt machte.[68]
Auch in Hamburg (20. August) war eine Prügelei
zwischen jüdischen und christlichen Händlergehilfen Auslöser der
Ausschreitungen: Diese begannen mit dem Hinauswurf von Juden aus einem Pavillon
am Jungfernstieg, am Folgetag aus sämtlichen Kaffeehäusern und
Vergnügungsstätten der Stadt. Die Betroffenen wehrten sich; eine
Massenschlägerei wurde durch massiven Polizeieinsatz beendet. Auf Flugblättern
stand Hepp, hepp, der Jude muß inn Dreck oder … Juden verreck.
Dabei begründeten die Aufrufe die Hetze der
Krawallanten mal mehr wirtschaftlich, mal mehr religiös, meist aber beides
kombiniert. Sie zielten stets auf die Vertreibung aller örtlichen Juden und
drohten ihnen darüber hinaus häufig massiv mit „Tod und Verderben“. In Düsseldorf
(22. August) z.B. wurden an jüdischen Wohnhäusern Plakate angeschlagen,
auf denen es hieß: „Schon zu lange hat die Herrschaft der Juden über den
Betrieb des Handels gedauert. Mit ruhigen Augen haben die Christen diesem
unerlaubten Unwesen zugesehen, die Zeiten haben sich geändert. Sind bis 26ten
dieses Monats dem Handel und Moral verderbenden Volke, was kein gesetzmäßiges
Oberhaupt anerkennen kann, nicht Schranken gesetzt, so soll ein Blutbad
entstehen, das anstatt Bartholomäus-Nacht, Salomoni-Nacht heißen soll.“[69]
In Kreuznach verkündete ein in der Nacht vom 27.
auf den 28. September an Straßenlaternen und Häuserecken angeschlagenes
Flugblatt: „Kreuznacher, das Vehmgericht hat beschlossen, daß auf den langen
Tag alle Juden aus Teutschland gejagt werden sollen. Es erwartet, daß die Stadt
Kreuzenach dabey nicht zurückbleibt.“[70]
Der Landrat hielt die Gendarmerie bereit, doch
der Folgetag verlief ohne Unruhen. Daraus zogen die Behörden den Schluss, es
handele sich nur um „Bangemachen“ ohne konkrete Verwirklichungsabsicht. Dies
führte in manchen Städten und Regionen zum vorzeitigen Abzug der
Militärtruppen. Meist aber wurde das Militär sofort eingesetzt, besonders dann,
wenn die Aufrufe gegen die Juden mit allgemeineren politischen Forderungen
verbunden waren. Dies deuteten die Behörden als revolutionäre Gärung, so dass
sie – im eigenen Interesse, nicht nur dem der betroffenen Juden – jeden
Massenprotest so rasch wie möglich erstickten.
In Marburg wurden im Oktober Zettel verteilt, auf
denen stand: „den 18ten October wird hep, hep! gegeben, der Schauplatz ist auf
allen Strassen. Gewisse Umstände zwingen uns, den HUNDSTATEN der Juden eine
Galgenfriste zu gestatten. FURCHTBAR und alles vertilgend wird alsdann der
Würgeengel ueber Euch schweben wie an jenem Tage in Jerusalem.“[71]
Hier wurde auf den Ersten Kreuzzug angespielt,
der am 15. Juli 1099 mit einem der grausamsten Massaker des Mittelalters in
Jerusalem geendet hatte. Der „Würgeengel“ wird hier zum Racheengel an den Juden
umgedeutet. Antijüdisch gedeutete Bibelmotive spielten auch sonst auf vielen
Flugblättern eine Rolle. Sie dienten dazu, den eigenen Handlungen eine
religiöse Rechtfertigung und einen höheren Sinn zu geben. Sie zeigten die
Wirkung der jahrhundertelangen kirchlichen Gottesmord-Propaganda und
„jahrzehntelang angestaute Hassgefühle“ bei Christen, die bei geringfügigen
Anlässen durchbrachen.[72]
Die Aggressionen richteten sich gegen sozialen
Aufstieg, wirtschaftliche Konkurrenz und politische Gleichberechtigung
jüdischer Bürger, die anders als in Jahrhunderten zuvor nun vermehrt am
öffentlichen Kulturleben teilnahmen und etwa auf den Märkten nicht mehr wie
selbstverständlich nachrangig von den Christen behandelt werden konnten.
Damalige Zeitungsberichte beurteilten die Motive
der Krawallanten unterschiedlich. Gebildete Beobachter sahen religiöse
Begründungen für die Unruhen jedoch als vorgeschoben an. Sie machten
„Handelsgeist“ und „Krämerneid“ dafür verantwortlich oder teilten das
verbreitete Vorurteil, eine angeblich zu rasche rechtliche Gleichstellung habe
das „schnelle Emporkommen“ der Juden bewirkt.[73]
Deren gestiegene Konkurrenzfähigkeit wurde also als an sich illegitime
Bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit beurteilt.
Eine apologetische Schrift des Dramatikers Julius
von Voß führte jüdische Gewinne darauf zurück, jüdische Händler seien meist
sparsamer und fleißiger und böten höherwertige Waren preisgünstiger an als
Christen, was diese wiederum anreize, das Qualitätsniveau ihrer Waren zu
steigern, und so allen zugute komme. Doch auf dem Hintergrund eines
verbreiteten Krisengefühls erschienen die Juden den christlichen
Kleingewerbetreibenden der Städte als geeignetes Aggressionsobjekt. Sie wollten
zur mittelalterlichen Ständeordnung zurückkehren und versprachen sich von der brutalen
Ausschaltung einer gut 1000 Jahre lang sozialökonomisch diskriminierten
Minderheit aus dem Wirtschaftsleben eine rasche Verbesserung der eigenen Lage.[74]
Trotz des Eingreifens der Behörden wurden die
Unruhen als praktisches Argument gegen die Judenemanzipation vorgebracht, die
die Gefahr gesellschaftlicher Auseinandersetzungen mit sich bringe. Damit wurde
die volle Gleichberechtigung der Juden jahrzehntelang verzögert und erst 1871
mit der Gründung des Deutschen Reiches allgemeines Gesetz. Doch auch danach
setzte sich die Tradition der antisemitischen Hetze und Bedrohungen fort. Sie
erreichte um 1848, 1879–1882 und 1890–1900 reichsweit neue Höhepunkte.[75]
Unter den Juden selbst lösten die Ereignisse
ebenfalls ambivalente Reaktionen aus. Während einige für eine rasche und
völlige Assimilation an die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft eintraten,
sprachen sich andere für ein noch engeres Zusammenrücken jüdischer Milieus aus.
Verbreitet ist die Ansicht, dass die Krawalle von
Studenten initiiert und hauptsächlich getragen wurden. Demgegenüber vertritt
der Historiker Jacob Katz die Position, Haupturheber seien die durch die
Judenemanzipation einem neuen Konkurrenzdruck ausgesetzten kleinbürgerlichen
Schichten gewesen, die zudem in jener Zeit häufig bei jüdischen Kreditgebern
verschuldet waren.[76]
Zwar gelangten in der preussischen Reformzeit
unter der Kanzlerschaft Hardenbergs einige (getaufte) Juden in Staatsämter,[77]
doch erst die gescheiterte, aber für die demokratische Entwicklung in
Deutschland nicht vergebliche Revolution von 1848 bot ihnen die Möglichkeit,
öffentliche Ämter zu bekleiden. Zu diesem Zeitpunkt glaubten die Juden endlich
ihr Ziel erreicht zu haben. Mit dem Scheitern der Revolution von 1848/49 und
der beginnenden Reaktionsphase mussten sie jedoch erkennen, dass die
Emanzipationsgesetze und die ihnen verfassungsmässig zustehenden Rechte mehr
auf dem Papier als in der Wirklichkeit bestanden. Die von den Hochkonservativen
entwickelte christliche Staatsidee zielte auf die Rücknahme des
Gleichberechtigungsprinzips für die Juden. Sprachrohr der Vertreter dieser
Richtung war die "Neue Preussische Zeitung"
("Kreuzzeitung"), die keine Gelegenheit ausließ, gegen die Juden zu
polemisieren. Besonders der Chefredakteur dieser Zeitung, Hermann Wagener, ein
Vertrauter Bismarcks, betrieb in seinen Leitartikeln antijüdische Agitation:
Die Presse würde zu zwei Dritteln von Juden beherrscht, und diese führten einen
"boshaften und erbitterten Vernichtungskampf" gegen alles, "was
Christ oder Christentum"[78]
heiße.
Zum antijüdischen Repertoire gehörte auch das
Bild des Wucherers, des Preisträgers und Ausbeuters, der sich an den Christen
bereichere und an ihrem Schweiß vollsauge. Es sei unbedingt notwendig, hieß es
in dem Blatt, sich gegen die Juden zur Wehr zur setzen. Provozierend
prophezeite das Organ Hass und Rache des Proletariats, die sich unter bestimmen
Umständen leicht Luft machen könnten. Und ganz im Jargon der
Vernichtungsantisemiten wurde von einer Judenverfolgung orakelt, wie sie die Welt
noch nicht erlebt habe.[79]
Und immer
wieder ist die Rede von der "Fremdartigkeit" der Juden, womit der
rassistisch-biologistische Antisemitismus der mörderischen Form antizipiert
wurde.[80]
Die antisemitischen Gedankengänge, die in den Konservatismus eindrangen, sind
im Wesentlichen auf den Einfluss des Hegelianers Bruno Bauer zurückzuführen. In
der Auseinandersetzung mit Bauer hat sich übrigens auch Marx - der mit Bauers
Schilderungen der Juden, nicht aber mit dessen Schlussfolgerungen,
übereinstimmt - mit der "Judenfrage" befasst. Bauer bediente sich
seit den 1850er Jahren, wenn er über Juden spricht, einer Rassenterminologie:
"(...) man nehme den Juden aus Portugal, Deutschland, Polen, England oder
sonst wo her, er ist überall derselbe, weder Portugiese noch Deutscher, weder
Pole noch Engländer. Er ist der echte und unverfälschte Jude geblieben, den
nichts beherrscht als der Racetypus. Der Jude gibt den Kern seiner nationalen
Eigentümlichkeit ebenso schwer auf, als es ihm vermöge seiner geistigen
Elastizität leicht wird, sich in das Kleid jeder beliebigen Nationalität zu
hüllen und bis zu einem gewissen Grade sich die fremde Nationalität formell
anzueignen. Aber seine Denkweise bleibt in jedem Kleide und unter jedem
Himmelsstrich dieselbe; jüdischer Sinn und jüdisches Blut sind unzertrennlich
geworden, weshalb das Judentum nicht allein als Religion und Kirche, sondern
ganz vorzüglich als der Ausdruck einer Raceneigentümlichkeit die eingehendste
Betrachtung verlangt: die Taufe macht den Juden nicht zum Germanen."[81]
Parallel zur Emanzipationsbewegung bildet sich in
der Belletristik ein negativ verzerrtes Bild vom Juden heraus, das zwar
stereotype Urteile aus der christlichen Tradition übernimmt, jedoch neue
Überzeichnungen popularisiert. Juden verkörpern in Romanen häufig das dunkle
Gegenstück zu den lichteren christlich-germanischen Gestalten (z.B. in Gustav
Freytags "Soll und Haben", in Felix Rabes "Hungerpastor"
oder in Felix Dahns "Ein Kampf um Rom"): den jüdischen Wucherer, den
Streber, den herzlosen Ausbeuter und den fremden, "Jargon" sprechenden,
also "mauschelnden" Juden.[82]
Hinzu kommt der jüdische Revolutionär, der alles Bestehende verneint und eine
Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Annette von Droste-Hülshoffs
"Judenbuche" oder Adalbert Stifters "Abdias", wo
menschlich-sympathische Judengestalten gezeichnet werden, sind literarische
Ausnahmen.
Im Herbst 1879 hatte der protestantische
Hofprediger Adolf Stöcker mit seiner judenfeindlichen Rede "Unsere
Forderungen an das moderne Judentum" die "Berliner Bewegung" ins
Leben gerufen und mit der Gründung der "Christlich-sozialen
(Arbeiter-)Partei" den politischen Antisemitismus zu einer Massenbewegung
in Deutschland gemacht. Proagandistisch unterstützt wurde Stöcker von dem
Berliner Historiker Heinrich von Treitschke, der eigentlichen treibenden Kraft
des modernen Antisemitismus.
Von Treitschke stammt der Satz „Die Juden sind
unser Unglück“, der später zur Parole des nationalsozialistischen
Hetzblattes Der Stürmer wurde. Treitschke formulierte diesen Satz in
seiner Denkschrift Unsere Aussichten (1879), die durch judenkritische
Aussagen für Aufsehen sorgte. Dabei stellte er dar, diese Überzeugung
entspreche dem breiten, parteiübergreifenden Konsens und werde von allen
Zeitgenossen „wie aus einem Munde“ geteilt, aber aufgrund des „weichlichen“ und
„philanthropischen“ Zeitgeistes und liberaler „Tabuisierung“ in der Presse
nicht offen ausgesprochen.
Der Aufsatz, in dem Treitschke die Forderung nach
Zurückdrängung des gesellschaftlichen Einflusses der Juden erhebt, löste den Berliner
Antisemitismusstreit aus, eine bis 1881 anhaltende Debatte, die auf große
Anteilnahme in der bürgerlichen Öffentlichkeit Deutschlands stieß und im
Ergebnis trotz eines vordergründig negativen Ausgangs für Treitschke den
Antisemitismus gesellschaftsfähig machte.[83]
Der Kern der Polemik Treitschkes richtet sich gegen den unterstellten Willen
der Juden, ihre kulturelle Eigenart offensiv gegen das Deutschtum zu behaupten,
was Treitschke als undankbar und frech charakterisierte, da sie der ihnen
gewährten Emanzipation doch die Teilhabe am Leben der Nation verdankten.
Die Lösung der „Judenfrage“ sei der Weg der Assimilation,
der aber nur von wenigen Einzelnen wie Gabriel Rießer oder Felix Mendelssohn
beschritten worden sei, während sich das Gros der Juden dagegen sperre. Nach
seiner politischen Theorie ging er davon aus, dass ein Jude, der den Willen zur
vollen Bejahung seiner Umwelt habe, die Fähigkeit besitze, das deutsche Wesen
in sich aufzunehmen und das jüdische Wesen abzustreifen.[84]
Eine solche Bekehrung zum Deutschtum mit all seinen spirituellen Werten sei
grundsätzlich möglich, müsse aber entschiedener eingefordert werden. Alles Gute
an den Juden verdankten sie der Anpassung an die deutsche Welt, dem Judentum
selbst wohne hingegen keine positive Kraft inne. Als Religion sei es vielmehr
ein überlebtes Relikt, das über eine für den Nationalstaat gefährliche
Eigenschaft verfüge, nämlich Solidaritätsbindungen über nationale Schranken
hinweg zu schaffen und die Bildung eines übernationalen jüdisch-säkularen
Netzwerks zu begünstigen. Die gesunde Hauptrichtung der Geschichte sei dagegen
im modernen Nationalstaat mit christlicher Tradition verwirklicht. Das Judentum
dürfe niemals als gleichberechtigte Konfession akzeptiert werden, da auf dieser
Basis keine nationale Einheit möglich sei und letztlich als Alternative nur die
Vertreibung der Juden bliebe.
Nichts hat die öffentliche Meinung zu Beginn der
1880er Jahre mehr aufgewühlt und beschäftigt als die "Judenfrage".
Eduard Bernstein, ein sensibler Beobachter der Szene, hat die Berliner
Pogromluft dieser Jahre als eine "Sturzwelle judenfeindlicher
Reaktion" beschrieben.[85]
Kein Zweifel - die Antisemiten waren auf dem Vormarsch. Sie brachten eine
Viertelmillion Unterschriften unter eine Petition zusammen, in der die
Errungenschaften der Judenemanzipation von 1812 quasi rückgängig gemacht werden
sollten. U.a. wurde darin die Einschränkung bzw. Verhinderung der
(ost-)jüdischen Einwanderung sowie die Ausschließung der Juden aus allen
obrigkeitsstaatlichen Stellungen gefordert. Im November 1880 debattierte das
Preußische Abgeordnetenhaus an zwei Sitzungstagen über diese Petition, und die
Abgeordneten der "Fortschrittspartei", die die Debatte beantragt
hatten, kämpften allein gegen eine Parlamentsmehrheit, die kein Vorurteil
unausgesprochen liess.[86]
1878 gründete sich wesentlich auf Stoeckers
Initiative die „Christlich-Soziale Arbeiterpartei“. 1881 wurde sie in „Christlich-Soziale
Partei“ umbenannt.[87]
Im Gründungsjahr verabschiedete der Reichstag die so genannten Sozialistengesetze
(1878 bis 1890). Sie verschärften die Repression gegen die zur Massenpartei
aufsteigende Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) und gegen andere
sozialistische Zusammenschlüsse. Ziel der CSAP war es, auf die Arbeiterschaft,
soziale Basis der sozialistischen Bewegung („Sozialdemokratie“), einzuwirken,
um sie ihren originären, nun von Illegalisierung bedrohten politischen
Repräsentanten zu entfremden.
Nach dem Scheitern ihrer Strategie bei der Reichstagswahl
1878 wandten die Christlich-Sozialen sich als nur mehr Christlich-Soziale
Partei von der Arbeiterschaft ab und orientierten sich mit antisemitischer Propaganda
auf die Mittelschichten.[88]
Sie gaben ihre parteipolitische Selbständigkeit auf und gliederten sich in die Deutschkonservative
Partei (DKP) ein. Wahlpolitisch blieben sie eine Splittergröße. Stoecker blieb
bis nach der Jahrhundertwende ihr einziger Reichstagsabgeordneter. Von 1879 bis
1898 war er Abgeordneter für Minden-Ravensberg im Preußischen Abgeordnetenhaus.
Von 1881 bis 1893 und von 1898 bis 1908 repräsentierte er den Wahlkreis Siegen-Wittgenstein-Biedenkopf
im Reichstag, bis 1896 als Vertreter der Deutschkonservativen Partei. Hier
wurde er entgegen den wahlpolitischen Misserfolgen seiner Bewegung wie seiner
Person im übrigen Reich regelmäßig mit ungewöhnlich großen Mehrheiten gewählt
(1887 in den Hauptwahlen, also vor der Stichwahl: 77,9%). Im politischen
Spektrum der Kaiserzeit bildeten die Christlich-Sozialen während ihrer
Zugehörigkeit zur Deutschkonservativen Partei als Teil der extremistischen Kreuzzeitungsströmung
– benannt nach der einflussreichen Kreuzzeitung – deren „äußersten
rechten Flügel“.[89]
Stoecker arbeitete eng mit dem konservativen Politiker und Chefredakteur der Kreuzzeitung,
Wilhelm Joachim von Hammerstein, zusammen, dem er in persönlicher Freundschaft
eng verbunden war.
Die politische Bewegung von Adolf Stöckerbrachte drei neue Momente in das rechte
politische Lager ein.[90]
Zum einen als neue Politikform die populistische „Bewegung“, mit der sie auf
das allgemeine Verlangen nach demokratischer Teilhabe reagierten und ihre
parlamentarischen Aktivitäten außerparlamentarisch unterstützten. Zum zweiten
eine antikapitalistische Phraseologie. Das verbindende Element war der
Antisemitismus: ob „Großkapital“ oder sozialistische Linke, die Gegner waren
„verjudet“.[91] Im
christlich-sozialen Weltbild standen Juden und „Judenfreunde“ für alle
Spielarten des Sozialismus, für den Linksliberalismus, den Kapitalismus, den
Materialismus, den Atheismus. Sie alle seien Ausdrucksformen und
Hervorbringungen des „internationalen Judentums“, das verschwörerisch die
Unterwanderung und Vernichtung des „deutschen Volks“ – zu dem sie deutsche
Juden nicht rechneten – plane.
In diesem Sinn betrachtete Stoecker sich als
„Begründer“ und „Vater der antisemitischen Bewegung“.[92]
Er erhob „als erster den Antisemitismus zum zentralen Credo einer modernen
politischen Partei“. Der Antisemitismus war und blieb sein
„fundamental-zentrales“ Leitthema. Er war „ein integraler Bestandteil seines
gesamten Denkens und seines öffentlichen Redens … Der Antisemitismus
strukturierte und vitalisierte alles, was er sagte, schrieb und tat.“[93]
Stoeckers antisemitische Aussagen schillerten
zwischen einem traditionellen christlichen Antijudaismus und modernen
ökonomisch, völkisch und rassisch begründeten Varianten, was ihre
Anschlussfähigkeit erhöhte. Er trug maßgeblich zur Verbreitung des
Antisemitismus in Politik, Kirche und Gesellschaft, vornehmlich aber im
Protestantismus und in den konservativen Parteien bei. Er brüstete sich damit,
„die Judenfrage aus dem literarischen Gebiet in die Volksversammlungen und
damit in die politische Praxis eingeführt“ zu haben.[94]
Stoecker war einer der Erstunterzeichner der
„Antisemitenpetition“ prominenter Judengegner. Sie denunzierte die Angehörigen
der Minderheit als kollektive „Gefahr für unser Volksthum“. Sie verlangte unter
anderem die Erfassung des jüdischen Bevölkerungsteils, den Ausschluss der
jüdischen Deutschen aus allen obrigkeitlichen Funktionen und dem Lehramt der
Volksschulen, ihre nur eingeschränkte Verwendung in den weiterführenden Schulen
und der Justiz sowie ein Verbot der jüdischen Zuwanderung.[95]In diesem Sinne vertrat Stoecker die Christlich-Sozialen 1882 auf dem Internationalen
Antisemitenkongress in Dresden.
Die völkische Rechte im Kaiserreich sowie in der
Weimarer Republik und mit ihr die Nationalsozialisten rezipierten Adolf
Stoecker als ihren Vorläufer und Wegbereiter. Durchweg positiv aufgenommen
wurde er auch innerhalb des Weimarer Protestantismus.[96]
Ein „Internationaler
antijüdischer Kongress“ fand erstmals 1882 in Dresden, ein weiterer 1883
in Chemnitz statt.[97]
Die Kongresse waren Teil des deutschen Antisemitismus, der sich seit 1879 im Berliner
Antisemitismusstreit und der Antisemitenpetition von 1880/81 politisch zu
organisieren begann. Nachhaltige Auswirkungen auf dessen Entwicklung hatten sie
nicht.
Organisiert wurde der „Internationale
Antijüdische Kongress“ vom in Dresden beheimateten Deutschen Reformverein, der
1879 gegründet worden war. Dessen Zeitschrift hieß Deutsche Reform. Die
Anhänger dieser „kleinbürgerliche[n] Reformpartei“ unter Alexander Pinkert
kamen weniger wegen der „Judenfrage“, sondern wegen ihrer bedrängten sozialen
Lage zur Partei. Von 14 Programmpunkten verwies nur einer auf das Judentum (nur
„christlich-religiöse Männer“ sollten in öffentliche Ämter gewählt werden
können), die Judenfeindschaft der Partei habe sich vielmehr in der Agitation
gezeigt.
Außerdem kam eine Reihe von Berlinern zum
Kongress, darunter Anhänger der Berliner Bewegung von Adolf Stoecker sowie der
„gemäßigte“ Max Liebermann von Sonnenberg, aber auch „Rasseantisemiten“ um Ernst
Henrici. Aus Berlin sollen mindestens dreißig Teilnehmer in Dresden gewesen
sein.
Aus Ungarn wurden dreißig Teilnehmer gemeldet,
die prominentesten von ihnen waren die drei Parlamentsabgeordneten Gyözö
Istóczy, Iván Simonyi und Géza Ónody. Vor allem Istoczy hatte sich als
Radikaler hervorgetan; das ehemalige Mitglied der regierenden liberalen
Fraktion in der ungarischen Kammer hatte Maßnahmen gegen die jüdische
Einwanderung und auch Gewalt gegen die Juden vorgeschlagen. Insgesamt hatte der
Kongress ungefähr 300 bis 400 Teilnehmer.[98]
Der Kongress begann am Samstag, dem 9. September
1882 im Helbigschen Etablissement in Dresden, dessen Großer Saal mit den Büsten
des deutschen Kaisers, des österreichisch-ungarischen Kaisers und des
sächsischen Königs geschmückt war. Außerdem wurde ein Bild von Esther Solymosi
präsentiert, die am 1. April 1882 im besagten ostungarischen Ort angeblich
einem „Ritualmord“ zum Opfer gefallen war, woraus sich die Affäre von
Tiszaeszlár entwickelte. Die Polizei überwachte den Kongress.
Auf dem Kongress selbst wurden am Montag acht
Thesen des Berliner Hofpredigers Stöcker diskutiert und dabei
rassenantisemitisch verschärft, schließlich hieß es in den einstimmig angenommenen
Thesen unter anderem, die Juden seien durch Abstammung, Sprache und Kultur eine
Nationalität und könnten keine Bestandteile eines christlichen Volkes sein.
Juden dürften keine Ämter haben, die Gesetzgebung solle die jüdische
Kapitalmacht einschränken. Damit setzten sich die „Reformer“ durch, zwischen
den gemäßigteren Christlich-Sozialen und den radikaleren Rassenantisemiten.[99]
Am Dienstag sprach von Simonyi über die Affäre
von Tiszaeszlár und wiederholte nicht nur die Ritualmordlegende, sondern behauptete
auch, dass sich das gesamte Judentum mit den Mordgesellen identifiziere.
Außerdem kam an diesem Tag eine Anzahl von Telegrammen aus Europa und Amerika
zur Verlesung.
Neben den Resolutionen war das wichtigste
Ergebnis der Tagung ein Beschluss über ein „ständiges Comité des
Internationalen antijüdischen Kongresses“.[100]
Es solle die Kongressbeschlüsse veröffentlichen, eine Presse ohne jüdischen
Einfluss schaffen und eine zweite Tagung einberufen.
Zwar war in Dresden ein Bevollmächtigter des
Komitees gewählt worden, der Vorsitzende des Chemnitzer Reformvereins Ernst
Schmeitzner, doch hat sich das Komitee nie konstituiert. Schmeitzner wollte mit
einer scharf antijüdischen Gruppe aus der Dresdner Reformpartei und mit
Zustimmung der Berliner Extremisten aus dem Komitee eine Alliance antijuive
universelle machen, in Anspielung auf die jüdische Alliance Israélite
Universelle.
Infolgedessen trafen sich in Chemnitz am 5.
Februar 1883 einige deutsche und österreichisch-ungarische Antisemiten, um
diese Allianz zu gründen, die die Bevölkerung über das Judentum „aufklären“,
eine nichtjüdische Presse schaffen und die „Judenfrage“ auf gesetzlichem Wege
regeln sollte. Dies müsse international geregelt werden, da die Juden sonst von
einem Land zum anderen zögen. Die nicht parteipolitische Allianz solle nur
Eingeladene als Mitglieder zulassen, Organ sei Schmeitzners internationale
Monatsschrift.
Der Kongress selbst kam am 27. April zusammen,
nachdem es am 26. bereits eine nichtöffentliche Sitzung der Allianz-Mitglieder
gegeben hatte. Der Journalist Otto Glagau aus Berlin und Iván von Simonyi waren
die Kongressvorsitzenden; Glagau begrüßte vierzig Anwesende, darunter angeblich
Herren aus Deutschland, Russland, Rumänien, Serbien und Frankreich. Die einzige
Wortmeldung aus dem Ausland machte, außer von Simnoyi, ein Deutschrusse aus der
Weichselgegend. Max Liebermann von Sonnenberg behauptete, mehrere der
Anwesenden aus Russland hätten sich gerne an der Debatte beteiligt, wenn sie
besser Deutsch gesprochen hätten.[101]
Es gehe nicht darum, die Juden zu „massacriren“,
aber sie in „gebührende Schranken“ zu weisen und damit vor der Volkswut zu
bewahren, meinte Glagau.[102]
Außerdem betonte er das völkerversöhnende Element der antisemitischen Strömung.
Abermals bemühte sich der Antisemitenkongress – ohne weitere Erläuterung – um
eine „Einschränkung“ des jüdischen Einflusses, diesmal in einer Petition an Bismarck,
während die Forderungen der Rassenantisemiten zurückgewiesen wurden. Amman aus
Berlin hatte in ihrem Sinne „Rassejuden“ von Zeitungen und öffentlichen
Anstellungen fernhalten wollen und eine Enteignung gefordert.
Die beiden antijüdischen Kongresse in Sachsen
bilden nur eine kurze Episode der deutschen antisemitischen Bewegung. Sie
zeigen aber eindrücklich deren Probleme: Die Internationalität dieser
Begegnungen muss stark relativiert werden. Alle Redner waren Deutsche oder
Ungarn, wobei letztere ihre Germanophilie betonten. Es verwundert das Fehlen
einer starken russischen Beteiligung, trotz der damaligen Pogrome in
Südrussland und Russisch-Polen. Auch die Themenwahl zeigt den internationalen
Anspruch als zu hoch gegriffen. Ein Treffen in Kassel 1886 und der Bochumer
Antisemitentag von 1889 wurden realistischerweise nicht mehr international
genannt. Bei den Teilnehmern handelte es sich nicht um Delegierte einer
Dachorganisation; die Delegierten der Reformvereine in Dresden 1882 hatten
eigene Sitzungen.
Der Kongress führte nur zur Gründung eines
Komitees, das einen weiteren Kongress vorbereiten sollte.[103]
Die Kongresse von Dresden und Chemnitz hatten keine Breitenwirkung und
bestimmten auch nicht die weitere Entwicklung des deutschen Antisemitismus.[104]
Viele der Antisemiten hatten politisch eine liberale Herkunft, und
wirtschaftliche Fragen dominierten. Dadurch entstand Streit mit den eher christlichen
„Moderaten“ um Stöcker, auch Pinkert, aber auch andererseits mit den (noch
radikaleren) Rasseantisemiten wie Henrici oder Amman. Liebermann von Sonnenberg
richtete an letzteren 1883 die Worte, er möge „nach 50 Jahren mit solchen
Anträgen wiederkommen, dann werden sie vielleicht Annahme finden können, und
wohl auch da nicht ganz“.[105]
In Abgrenzung zu
Stoeckers christlich motiviertem Antisemitismus gründete der Publizist Wilhelm
Marr im Oktober 1879 die "Antisemitenliga", die schnell zahlreiche,
mehrheitlich nicht kirchlich gebundene Mitglieder gewinnen konnte.[106] In ihrer vorwiegend
publizistischen Tätigkeit postulierte die Liga den rassistisch begründeten
Kampf gegen eine angebliche jüdische Bedrohung und forderte die Vertreibung
aller Juden aus Deutschland. Die "Antisemitenliga" unterstütze die
"Antisemiten-Petition" gegen die soziale und rechtliche
Gleichstellung der Juden. Deren Initiator Max Liebermann von Sonnenberg, ein
hochdekorierter Veteran des Deutsch-Französischen Kriegs, gründete 1881
zusammen mit dem Publizisten Bernhard Förster (1843-1889) den Deutschen
Volksverein. Deren überwiegend national-konservativen antisemitischen
Mitglieder agierten vor allem gegen die "verjudete" Deutsche
Fortschrittspartei.
Die frühe
antisemitische Bewegung in Berlin war von Beginn an zerstritten hinsichtlich
ihrer ideologischen und pragmatischen Ausrichtung.[107] Während auf der einen
Seite sozialpolitische Forderungen mit antisemitischen Argumenten untermauert
wurden, verlangten die radikalen Antisemiten weitreichende gesetzliche
Beschränkungen des jüdischen Lebens in Deutschland. Mehrere Initiativen eines
Zusammenschlusses der verschiedenen antisemitischen Gruppierungen, wie die von
Adolf Stoecker initiierte konservative "Berliner Bewegung" oder der
unter der Führung von Ernst Henrici (1854-1915) ins Leben gerufene Soziale
Reichsverein, scheiterten. Gerade wegen dieser Zerrissenheit beachteten die
etablierten Parteien die sich politisch formierende antisemitische Bewegung nur
beiläufig.[108]
Neben Berlin war
Sachsen ein weiteres Zentrum antisemitischer Parteien. Der Kleinunternehmer und
Lokalpolitiker Alexander Pinkert gründete 1879 in Dresden den antisemitischen
Deutschen Reformverein. Im Gegensatz zu den anderen Gruppierungen überwand der
Reformverein, der sich 1881 in Deutsche Reformpartei umbenannte, seinen lokalen
Charakter und etablierte selbständige regionale Ortsgruppen in Hessen und
Westfalen. 1882 wurde ein erster internationaler antijüdischer Kongress nach
Dresden einberufen, der die Beziehungen verschiedener nationaler und
internationaler Gruppierungen neu koordinieren sollte. Doch auch ein zweiter
Kongress, der ein Jahr später in Chemnitz stattfand, konnte die starken
Gegensätze zwischen radikalen und gemäßigten Antisemiten nicht beseitigen.
Mit der
wirtschaftlichen Erholung ab 1882 begann der politische Antisemitismus
zeitweise abzuflauen. Stöckers Partei schloss sich bereits 1881 der
Deutschkonservativen Partei an. Weitere Versuche einer Einigung der
antisemitischen Splitterparteien blieben erfolglos. Der Schwerpunkt der
antisemitischen Agitation verlagerte sich stattdessen in kleinere Städte und
ländliche Gebiete: Unter der Führung von Theodor Fritsch etablierte sich die
1884 gegründete "Deutsche Antisemitische Vereinigung" in den
sächsischen Kleinstädten. Der Marburger Bibliothekar und antisemitische
Agitator Otto Boeckel fand auf dem hessischen Land starken Zuspruch. Bei der
Reichstagswahl 1887 wurde er im Wahlkreis Kassel als erster bekennender
Antisemit in den Reichstag gewählt.
Auf dem
Antisemitentag in Bochum am 10. und 11. Juni 1889 wurde unter Führung Stoeckers
und Boeckels erneut die Einigung der verschiedenen antisemitischen
Gruppierungen versucht.[109] Die Meinungen gingen
aber besonders hinsichtlich der grundsätzlichen Ausrichtung der neuen Partei
auseinander: Während Boeckel und seine Anhänger den eindeutig antisemitischen
Charakter der Vereinigung bereits im Namen zum Ausdruck bringen wollten und
sich für eine Unabhängigkeit von der Deutschkonservativen Partei aussprachen,
wollte die Gruppe um Max Liebermann von Sonnenberg die neue Partei als
deutschsozial bezeichnen. Den Kompromissvorschlag "Antisemitische
Deutschsoziale Partei" lehnte Boeckel ab und verließ mit seinen hessischen
und Dresdner Anhängern die Tagung, eine Einigung kam nicht zustande.
Ein Beispiel für die Verdrängung der Juden aus
der Öffentlichkeit war der im Kaiserreich weit verbreitete
Bäder-Antisemitismus. Dieser Begriff die weit verbreitete Ausgrenzung und Diskriminierung
von jüdischen Gästen in deutschen Kur- und Badeorten, vor allem für die Zeit
vor dem Nationalsozialismus. Der Begriff entstand bereits im 19. Jahrhundert.[110]
Erst ab etwa 1870 wurde der Aufenthalt in
Erholungsorten auch für das weniger begüterte Bürgertum erschwinglich, und der
Badeurlaub kam in Mode. Die weniger renommierten Bäder waren auf die Kleinbürger
als zahlende Gäste dringend angewiesen, und da gerade unter ihnen
antisemitische Ressentiments weit verbreitet waren, versuchten die jeweiligen
Orte, sich bei ihnen mit antijüdischer Reklame zu empfehlen. Der gesellschaftliche
Antisemitismus wurde von den Bäderverwaltungen gezielt eingesetzt, um sich
gegen die Konkurrenz durchzusetzen. In vielen Fällen ging die Agitation auch
direkt von Kurgästen aus. Dafür gibt es bereits vor 1900 zahlreiche Beispiele.
Das wichtigste Motiv war Sozialneid, denn ein Badeurlaub bedeutete soziales Prestige.
Gerade das untere Bürgertum fühlte seinen gesellschaftlichen Aufstieg durch so
genannte jüdische „Parvenüs“ bedroht.[111]
Die Verbandszeitung des „Centralvereins deutscher
Staatsbürger jüdischen Glaubens“ veröffentlichte regelmäßig Warnlisten mit den
Namen antisemitischer Urlaubsorte, Hotels und Pensionen, die mit der Zeit immer
länger wurden. 1899 wurde bereits vor rund 30 Ferienzielen gewarnt. Nach der
nationalsozialistischen „Machtübernahme“ 1933 waren die Listen dann
überflüssig, denn jetzt waren prinzipiell alle Kurorte judenfeindlich. In
diesen Listen waren Badeorte und ganze Inseln an Nord- und Ostsee mit Abstand
am stärksten vertreten. Immer wieder genannt wurden Borkum, Juist, Wangerooge, Langeoog,
Spiekeroog, Scharbeutz, Müritz, Zinnowitz, Sellin auf Rügen, Bansin und auch Heiligenhafen.
Eine vergleichbare Massierung antisemitischer Erholungsorte habe es vor 1933 in
keiner anderen deutschen Ferienregion gegeben.
Als „judenfreundlich“ galten nur die
Traditionsbäder Norderney, Helgoland, Westerland, Wyk auf Föhr und Heringsdorf,
die antisemitische Reklame nicht nötig hatten. Es gab auch – zumindest
inoffiziell – das Prädikat „Judenkurort“, als solcher galt beispielsweise Königstein
im Taunus, wo sich auch Sommersitze namhafter jüdischer Bürger befanden.[112]Ende des 19. Jahrhunderts warben zahlreiche Bäder
damit, „judenfrei“ zu sein, nachzulesen z.B. in einem Inselführer für
Borkum aus dem Jahr 1897. Man ersann das „Borkumlied“, das täglich von der
Kurkapelle gespielt und von den Gästen gesungen wurde, und in dem es heißt:„An Borkums Strand nur Deutschtum gilt, nur
deutsch ist das Panier. Wir halten rein den Ehrenschild Germania für und für!
Doch wer dir naht mit platten Füßen, mit Nasen krumm und Haaren kraus, der soll
nicht deinen Strand genießen, der muß hinaus, der muß hinaus!“[113]
Borkum war bereits zur Jahrhundertwende eine
Hochburg der Antisemiten. An Hotels hingen Schilder mit der Aufschrift „Juden
und Hunde dürfen hier nicht herein!“, innen gab es einen „Fahrplan zwischen
Borkum und Jerusalem (Retourkarten werden nicht ausgegeben)“. Ein 1910
erschienener Reiseführer über die Nordseebäder riet „Israeliten“ vor allem vom
Besuch Borkums ab, „da sie sonst gewärtig sein müssen, von den zum Teil sehr
antisemitischen Besuchern in rücksichtslosester Weise belästigt zu werden.“[114]
In der Zeit der Weimarer Republik wurde die
antisemitische Agitation zunehmend radikaler. Nun wurden die Juden nach dem
verlorenen Ersten Weltkrieg als „Kriegs- und Inflationsgewinnler“ denunziert.
Immer häufiger kam es auch zu gewalttätigen Übergriffen gegen jüdische Gäste.
Zinnowitz eiferte dem Beispiel Borkums mit einem „Zinnowitzlied“ nach mit den
Schlusszeilen:„Und wer da naht vom Stamm
Manasse ist nicht begehrt, dem sei’s verwehrt. Wir mögen keine fremde Rasse!
Fern bleibt der Itz von Zinnowitz.“[115]
Die Sozialdemokraten - als außerparlamentarische
Opposition - blieben in der Debatte stumm und überließen den Linksliberalen das
Feld. Kein führender Sozialdemokrat erhob seine Stimme zur Verteidigung der
Juden.[116]
Erst 13 Jahre später rang sich die Partei zu einer grundsätzlichen
Stellungnahme durch. Dennoch: Auf pogromähnliche antisemitische Ausschreitungen
am Silvesterabend 1880 in Berlin hin, beriefen die Sozialdemokraten eine
Massenversammlung ein, um die Stellung der Arbeiter zur "Judenfrage"
klarzulegen. Auch in der Folgezeit demonstrierten sozialdemokratische Arbeiter
in antisemitischen Versammlungen.[117]
Doch auch innerhalb der Sozialdemokratie gab es
einen volkstümlichen, "taktischen" Antisemitismus - als Reflex auf
eine in der Arbeiterschaft verbreitete intellektuellenfeindliche Stimmung. Mit
dieser Haltung konnten antisemitische Angriffe gegen die Sozialdemokratie
neutralisiert und auf ihre Urheber zurückprojiziert werden. Sicherlich war die
deutsche Sozialdemokratie - nach ihrer Selbsteinschätzung - nicht
antisemitisch, einzelne Parteigenossen haben ihre Unsicherheit in der
"Judenfrage" jedoch nicht abzulegen vermocht, und es gab in der
Arbeiterpartei erklärte Antisemiten. Das funktionale Argument der Sozialisten
gegen den Antisemitismus war die Behauptung, dass dieser das Klassenbewusstsein
der Arbeiter verschleiere und den Klassenkampf in die falsche Richtung lenke.
Dieses Argument bemühte sich nicht um das Problem des Antisemitismus als
solchen, schon gar nicht um dessen Opfer, sondern bildete sozusagen die
funktionale und politische Grundlage in der tagtäglichen Auseinandersetzung mit
dem politischen Gegner. Wer das Judentum nicht mehr religiös, sondern als
Synonym mit Geld und "Schacher" definiert, oder - wie Marx - mit dem
weltbeherrschenden bösen Prinzip "Kapital", der muss irgendwann seine
eigenen Ressentiments in eine gute Ideologie umpolen. Durch den Antisemitismus
hindurch zum Klassenbewusstsein - das war ein wichtiges Element im
Selbstverständnis der Arbeiterbewegung. Marxens Haltung zur
"Judenfrage" hat dazu beigetragen judenfeindliche Vorurteile
innerhalb der deutschen Arbeiterbewegung zu bewahren und den Juden mit dem
kapitalistischen Ausbeuter gleichzusetzen. Erst als die Sozialdemokratie
begriffen hatte, dass sich Antisemiten und Konservative zu einer Allianz gegen
die Arbeiterbewegung zusammengeschlossen hatten und der Antisemitismus eine
Domäne und integraler Bestandteil der Rechten geworden war, trat die Partei
deutlich und programmatisch dagegen auf. Allgemein lässt sich feststellen, dass
die deutsche Sozialdemokratie insgesamt in Theorie und Praxis den
Antisemitismus ablehnte, wenngleich sie ebenso grundsätzlich allen Bestrebungen
der Juden, ihre religiösen, kulturellen oder nationalen Traditionen zu bewahren
oder mit neuem Leben zu erfüllen, gleichgültig bis feindlich gegenüberstand.[118]
Während der stürmischen Industrialisierung und
Modernisierung Deutschlands gelang den Juden zwar eine weitgehende Akkulturation,
aber von einer "Symbiose" der jüdischen und nichtjüdischen
Bevölkerung kann nicht die Rede sein. Viele Juden schafften den sozialen
Aufstieg in Bereiche des Handelns, einiger Industriebranchen und der
Geldwirtschaft. Allgemein strebten sie ins Besitz- und Bildungsbürgertum, da
ihnen auch trotz der rechtlichen Emanzipation nach der Reichsgründung de facto
Stellungen im öffentlichen Dienst und eine Militärlaufbahn vorenthalten
blieben. Obwohl die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 die rechtliche und
politische Gleichstellung der Juden gesetzlich verankerte und mithin die
Emanzipation äußerlich zu einem Ende gelangt war, bestand eine Kluft zwischen
dem geschriebenen und dem in Wirklichkeit geltenden Gesetz, "zwischen
Sollen und Sein, zwischen Sittlichkeit und Sitte".[119]
So drängten viele in die freien Berufe und den ihnen offenstehenden
Kulturbereich - hier ließ sich eine gute Bildung mit der Möglichkeit, Besitz zu
erwerben, verbinden. Die Berufe, in denen Juden stärker repräsentiert waren -
Verleger, Regisseure, Schauspieler, Journalisten und Kritiker -, waren zugleich
diejenigen, denen ein hoher öffentlicher Bekanntheitsgrad zukam. Folglich waren
die Antisemiten religiöser, wirtschaftlicher und rassistischer Prägung ohne
große Schwierigkeiten imstande, auf die "Überfremdung" des deutschen
Volkes durch die Juden hinzuweisen und, indem sie deren weithin bekannte Namen
nannten, diese als Träger der Moderne und damit als die Zerstörer der
althergebrachten Ordnung zu brandmarken.
Auch in Krisenzeiten konnten die wirklichen
Urheber des Massenelends auf die jüdischen "Sündenböcke" verweisen,
um die breite Masse zu verdummen und abzulenken. Derartige Krisen erlebte das
emanzipierte deutsche Judentum v.a. nach dem "Gründerkrach" ab 1873,
als nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und der nachfolgenden
Hochkonjunktur die deutsche Wirtschaft zusammenbrach. Für die "große
Depression" wurden in der deutschen Öffentlichkeit
"Spekulierende" jüdische Kapitalisten verantwortlich gemacht, aber es
waren ebenso einzelne jüdische Namen, die als Symbole für den unvorstellbaren
wirtschaftlichen Aufstieg galten. Der wirtschaftliche Antisemitismus hatte ein
ganzes Arsenal verleumderischer Vorwürfe gegen die Juden parat: unfaire
Konkurrenten, volkswirtschaftliche Parasiten, kapitalistische Ausbeuter,
ungehemmte Profitstreber, Zerstörer einheimischer und altdeutscher
Produktionsweisen, "artfremde" Werbungspraktiker.
Der wirtschaftliche Antisemitismus wuchs sich
nach der deutschen Reichsgründung zu einer feststehenden Größe aus: Herkommend
aus dem Konkurrenzmotiv, aufgeladen mit Fremdenhass, stabilisiert durch die
Ungunst wirtschaftlicher Umstände, entstand besonders in der mittelständischen
Bevölkerung ab dem frühen 19. Jh. eine erhebliche Existenzangst, deren Urgrund
wiederum den Juden zugeschrieben wurde.[120]
Sie galten als internationale Finanzverschwörer, die Inflation,
Wirtschaftskrisen und Kriege manipulierten, um sich zu Börsenherren
aufzuschwingen, mit dem Ziel, die Weltherrschaft an sich zu reißen.
Mit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre
1871 war den Juden in Deutschland zwar die volle gesetzliche Gleichberechtigung
gewährt worden, doch zugleich markieren die nachfolgenden Krisenjahre den
Beginn des modernen Antisemitismus. Nicht mehr religiös, sondern rassisch
definiert, sahen sich die Juden nunmehr Vorurteilen ausgesetzt, denen sie
nichts entgegenzusetzen vermochten. Innerhalb eines Menschenalters wurde
Auschwitz möglich. Antisemitismus als konzertierte Aktion mit dem Ziel,
antijüdische Denkweise in politische Aktion umzumünzen, erlangte hauptsächlich
in Deutschland Bedeutung. Hauptingredenzien des neuen giftigen Gebräus: als
Antikapitalismus verkleideter Antisemitismus mit einem Schuss deutschem
Sozialismus. Protagonisten des deutschen Antisemitismus waren u.a. Stöcker,
Treitschke, Eugen Dühring, die vorwegnahmen, was die nationalsozialistischen
Vernichtungsantisemiten Jahre später in die Tat umsetzten.
Der moderne Antisemitismus formierte sich im
politisch-gesellschaftlichen Bereich und fand als integraler Bestandteil in den
1880er Jahren Eingang in Parteiprogramme. Hier manifestierte sich eine
fortschritts- und demokratiefeindliche Ideologie, die bewusstseinsstiftend auf
die nachfolgenden Jahrzehnte wirkte. Als neues, alles überlagerndes Moment
antisemitischer Theorien bildete sich der Begriff der "Rasse" heraus.[121]
In der Zeitspanne von der Reichsgründung bis zum
Ende der Weimarer Republik war die Geschichte der Juden in Deutschland
einerseits durch eine fortschreitende Assimilation, andererseits jedoch durch
wachsende Widerstände gegen diesen Integrationsprozess gekennzeichnet. Die
wirtschaftliche Krise, die sich nach der deutschen Reichsgründung 1871 im
"Gründerkrach" von 1873 niederschlug, war der Ausgangspunkt einer
organisierten antijüdischen Bewegung. Judenhass war nichts Neues in
Deutschland. Aber im Unterschied zu früheren Zeiten war der Hass jetzt nicht
gegen die Anhänger des jüdischen Glaubens gerichtet, sondern gegen die
Angehörigen der "jüdischen Rasse". Nach dieser Definition galten als
Juden auch diejenigen, die sich selbst nicht mehr zum jüdischen Glauben
bekannten, durch Taufe aus dem Judentum ausgetreten oder Nachkommen von Juden
waren, die eine Generation vorher das Judentum verlassen hatten.
Die moderne Judenfeindschaft in Deutschland
bedurfte einer nomenklatorischen Sprachregelung, und diese erhielt sie durch
das von Wilhelm Marr 1879 geprägte Wort "Antisemitismus".[122]
Dies war der Begriff, mit dem sämtliche antijüdischen Motive und Argumente der
vorangegangenen Jahrzehnte gebündelt, etikettiert und zudem alle Vorurteile
"verwissenschaftlicht" werden konnten. Seinen kirchlichen und
universitären Segen erhielt der moderne Antisemitismus durch den Hofprediger
Adolf Stöcker und den Historiker Heinrich v. Treitschke. Kirche und Katheder
waren eine unheilige Allianz eingegangen und gaben die Parole aus: "Die
Juden sind unser Unglück!"[123]
Marr grenzte sich in seinen Schriften von der
traditionellen religiösen Judenfeindschaft ab und behauptete, dass die Juden
eine fremde Rasse von „Parasiten“ seien, die erfolgreich die Ausbeutung
Deutschlands betreibe.[124]
Diesen Paradigmenwechsel von Religion zu Rasse verdeutlichte er durch die
Einführung des Begriffs „Antisemitismus“ in den zeitgenössischen
politisch-gesellschaftlichen Diskurs. Es ist allerdings nicht sicher, dass die
Begriffsschöpfung tatsächlich auf ihn zurückgeht, da das Adjektiv
„antisemitisch“ schon 1873 belegt ist.
Agitatorisch erreichte Marr große Resonanz,
parteipolitisch hatte er einen Misserfolg nach dem anderen einzustecken. 1890
zog er sich, gesundheitlich angeschlagen und politisch verbittert, ins
Privatleben zurück und geriet zuletzt noch in Streit mit seinem Schüler Theodor
Fritsch, den er des „Geschäftsantisemitismus“ bezichtigte.[125]
Politisch war Marr mit seiner Liga ab 1880
isoliert, da andere Antisemiten neue Parteien gründeten und eine allzu offene
rassistische Propaganda ablehnten. Als Linksliberaler und Atheist blieb er
innerhalb der antisemitischen Szene ein Außenseiter. Umgekehrt war er bei der
politischen Linken wegen seines Antisemitismus diskreditiert.
Jedoch prägte Marr wesentliche Klischees und
Schlagworte, die weit über seinen persönlichen Erfolg hinaus weiterwirkten und
die Diskussion um die „Judenfrage“ bestimmten. So legte er 1880 mit seiner
Schrift Goldene Ratten und rothe Mäuse die Basis für die
verschwörungstheoretische Gleichsetzung von Judentum, Kapitalismus und Kommunismus,
wie sie später Adolf Hitler in Mein Kampf vertrat:„Von zwei
Seiten wird also die Zerstörung der Gesellschaft betrieben; von Seiten der
goldenen und rothen Internationale. Dort vom Standpunkt des krassesten
Individualismus aus, hier vom mehr oder weniger bewussten kommunistischen
Standpunkt. Das Judenthum hat die Führerschaft der goldenen Internationale
übernommen… Die, liberale‘ Gesetzgebung hat uns dem Kapitalismus
gegenüber nahezu wehrlos gemacht… Ein Volk von geborenen Kaufleuten unter
uns, die Juden, hat eine Aristokratie, die des Geldes, geschaffen, welche alles
zermalmt von Oben her, aber zugleich auch eine kaufmännische Pöbelherrschaft,
welche durch Schacher und Wucher von Unten herauf die Gesellschaft zerfrisst
und zersetzt.“[126]
Gobineau ging von einem
gemeinsamen Ursprung aller „Menschenrassen“ in der Schöpfung aus.[127] Doch ihre Verbreitung über
die gesamte Erde und die Anpassung an unterschiedliche Lebensräume habe zu
einer Ungleichheit der „Rassen“ geführt. Zivilisatorisch hochstehende
Fähigkeiten besitze allein die „weiße Rasse“, insbesondere die „Arier“. Ihre
Neigung zu Eroberung und Bevölkerungsvermehrung führe aber zu einer zunehmenden
Mischung mit den als kulturunfähig titulierten „schwarzen und gelben Rassen“,
was eine Nivellierung und Kulturlosigkeit zur Folge hätte.
Gobinistisches
Gedankengut lässt sich an vielen Stellen bei Richard Wagner nachweisen. In den
Bayreuther Blättern erschien schon 1882/1883 auf Veranlassung Wagners eine
umfangreiche Zusammenfassung des „Essai sur l’inégalité des races humaines“ von
Hans von Wolzogen. Weiterhin publizierten die Bayreuther Blätter regelmäßig die
Berichte der im Jahre 1894 gegründeten Gobineau-Gesellschaft.[128]
Der
Rassismus bei Gobineau war noch nicht mit dem Antisemitismus verbunden; diese Verbindung wurde erst durch die
Gobineau-Rezeption im Umfeld Richard Wagners hergestellt.[129]
Das Werk Gobineaus wurde von Karl Ludwig Schemann, einem Mitglied des Bayreuther
Kreises um Cosima Wagner, ins Deutsche übersetzt und nahm Einfluss auf Cosima
Wagners Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain, der Gobineaus Grundgedanken
um einen verstärkten Antisemitismus ergänzte. Schemann interpretiert in
Gobineaus Werk einen „Rassenkampf“ zwischen „Ariern“ und „Semiten“ hinein,
obwohl Gobineau die Juden zur „weißen Rasse“ gezählt hatte.[130]
Wagner
bewunderte die Schrift Gobineaus; ihn faszinierte vor allem dessen Vision der
Arierdämmung.[131]
Er distanzierte sich jedoch in zwei entscheidenden Punkten von Gobineaus
Thesen. Erstens lehnte er die standes- bzw. stammesmäßig geschlossenen Ehen als
Mittel zur Bewahrung und Weitergabe der „Rassennatur“ ab. Außerdem sah er mit
der Rassenmischung das kulturelle Potential der Menschheit als nicht erschöpft
an, stattdessen sprach er von einer Befähigung der Gattung zur Mutation.
Angesichts der Vernichtungsgefahr, mit der die Menschheit aufgrund der
Degeneration konfrontiert sei, sei damit zu rechnen, dass sich die Lebenskraft
der Gattung noch einmal verdichte und einen qualitativen Sprung bewirke. Es sollte
nicht nur ein höher organisiertes Individuum, sondern eine neue Spezies
geschaffen werden: den „Erlöser bzw. den Gottmenschen, in dem sich die Gattung
selbst sublimiere“.[132]
Wagner hat in der „Rassenmischung“ den „Gewinn einer allgemeinen moralischen
Übereinstimmung“ gesehen, auf deren Basis das Kunstwerk der Zukunft gedeihen
könne.[133]
Richard Wagners Weltbild war geprägt von einer unbestimmten Sehnsucht nach
Aufbruch, Umsturz und Revolution, nach einer meist nicht näher definierten
neuen Form der Kunst und Gesellschaft durch Untergang des Bestehenden.[134]
Seine Gedanken waren durchdrungen von romantischen Aspekten wie der Rückkehr
zur Natur und der Ablehnung der Industrialisierung, sowie nationalistischer
Phantasien von der totalen Homogenität einer „Rasse“ oder eines Volkes.
Wenn seine persönliche Eitelkeit angegriffen wurde oder sich der erhoffte
finanzielle Erfolg nicht einstellte, machte er dafür häufig eine angebliche
jüdische Verschwörung verantwortlich. Die missgünstige Diffamierung von
jüdischen Komponisten wie Giacomo Meyerbeer und Felix Mendelssohn Bartholdy
versuchte er mit Schriften wie „Das Judentum in der Musik“ und dem darauf
aufbauenden „Brief an Gräfin Muchanow“ zu belegen; um diese persönliche
Motivation zu überdecken.[135]
In seinem
Werk „Das Judenthum in der Musik“ aus dem Jahre 1869 sprach Wagner ohne
notwendigen Bezug auf die musiktheoretische Polemik vom „natürlichen
Widerwillen gegen jüdisches Wesen.” Die angebliche Weltherrschaft der Juden
wird außerdem angesprochen:[136]
„Der Jude ist nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge dieser Welt wirklich
bereits mehr als emanzipiert: er herrscht, und wird solange herrschen, als das
Geld die Macht bleibt, vor welcher alles unser Thun und Treiben seine Kraft
verliert”. Seine Schrift schließt mit folgenden Worten an die Juden:[137]
„Aber bedenkt, dass nur Eines eure Erlösung von dem auf euch lastenden Fluche
sein kann: die Erlösung Ahasvers, - der Untergang!”
Durch
praktisch alle Opern Wagners zieht sich wie ein roter Faden der Hass auf das
Jüdische, wenn auch in den frühen weniger offensichtlich und bestimmend.
Seine Opern
waren „treue mythologische Widerspiegelungen dessen zu sein, was er in seinen
Aufsätzen als eine durch das Jüdische verdorbene deutsche Welt beklagt, von
welchem sie durch ‚Vernichtung’ oder ‚Untergang’ erlöst werden müsse.“[138]
Seit 1850
hat er die "Vernichtung" oder den "Untergang" des Judentums
gefordert. Es stellt sich aber die Frage, ob Wagner von "Vernichtung des
Judentums" im übertragenen oder wörtlichen Sinne meinte. Wagners Weltbild
in seinem letzten Lebensjahrzehnt ist von der Überzeugung durchdrungen, dass
die revolutionäre deutsche Lösung der Judenfrage die Vertreibung sein müsse, da
eine Assimilation unmöglich sei. In Cosimas Tagebuch ist zu lesen:[139]
„Die Zeitung bringt wieder Nachrichten von Hetzen gegen die Juden in Rußland,
und R. meint, es gäbe nur das, Äußerung der Volkskraft, und sagt: Gobineau hat
recht, sie fühlen - die Russen -sich noch als Christer.“
Houston
Stewart Chamberlain entwickelte sich zu einem großen Anhänger Richard Wagners,
engagierte sich in den Wagner- Vereinen von Paris und Wien, schrieb ein Buch
über Wagners Musikdramen und lieferte Beiträge für die Bayreuther Blätter.
Spätestens als er 1908 Richard Wagners Tochter Eva heiratete und nach Bayreuth
übersiedelte, rückte er in den engeren Kreis der Wagnerianer auf.[140]
In seinem Werk „Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts“ aus dem Jahre 1899
übernahm Chamberlain von Gobineau die Deutung der Weltgeschichte mit Hilfe des
"Rassenprinzips", das er jedoch allein auf den Antagonismus von
Ariern und Juden zuspitzte.[141]
Die „arisch- germanischen Völker“ wären die einzige kulturschöpferische „Rasse“,
während die Juden als „Gegenrasse“ das Prinzip der Zersetzung verkörperten.
Laut Chamberlain löse Rassenmischung kulturellen Verfall und politischen
Machtverlust aus. Chamberlain listete historiographische und ethnologische
„Belege“ auf, die den Niedergang großer Reiche von der Völkerwanderung bis in
die Gegenwart aus einer Steigerung des semitischen Blutanteils erklären.[142]
Er spricht
nicht von der unaufhaltsamen Degeneration einer reinen „Urrasse“, vielmehr sei
„Rassenzucht“ ein historisch offener Prozess. Mit der Identifikation des
Schicksals der „arischen Rasse“ und der Weltmission des Deutschtums
schmeichelte er dem imperialistischen Sendungsbewusstsein der Ära Wilhelms II.
Sein Monumentalwerk wurde zu einer der wichtigsten Schriften seiner Zeit;
Chamberlain fand ein breites Echo in Teilen des Bildungsbürgertums auch außerhalb
völkischer Kreise.[143]
Der
Antisemitismus war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein zentrales
Medium der Selbstverständigung in einer sich verändernden Zeit. Das Modell des
souveränen Nationalstaates geriet durch Imperialismus und Globalisierung und
durch eine zunehmende Dynamik innergesellschaftlicher Klassenkonflikte unter
Druck geriet und schien nicht mehr die gegenwärtigen Probleme lösen zu können.
Der souveräne Nationalstaat wurde als tragfähiges Ordnungsmodell immer mehr in Frage
gestellt.[144]
Immer mehr
setzte sich dieser angenommene und rassentheoretisch hergeleitete Gegensatz zum
Judentum als eine Art neue Weltdeutung in weiten Teilen des deutschen
Bürgertums fest. Mit Recht hat man ihn rückblickend als einen übergreifend
gültigen „kulturellen Code“ vor allem bürgerlicher Selbstverständigung im
Kaiserreich bezeichnet.[145]
Die
Vorstellungen Gobineaus stießen auch bei Friedrich Nietzsche auf Resonanz. In
der Schrift „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“, stellte er eine
Beziehung zwischen dem Prometeus-Mythos und dem arischen Wesen her. Danach
äußerte Nietzsche in der „Genealogie der Moral“, „daß die Eroberer- und
Herren-Rasse, die der Arier, auch physiologisch im Unterliegen ist.“.[146]
Er sah
„Rasse“ sowohl als etwas Geschichtliches wie etwas Natürliches an.[147]
Sie konnte ein Produkt der Natur sein, wie es die blonden Arier der europäischen
und indischen Frühzeit waren. Aber sie konnte auch das Resultat von
künstlich-gewollten Veredelungsvorgängen sei, die an „unrein“ gewordenen, d.h.
gemischten oder gekreuzten Populationen ansetzten. Diese künstlich-gewollte
Rassenbildung schien ihn die bedeutendere zu sein:[148]
„ Es gibt wahrscheinlich keine reinen, sondern nur reingewordene Rassen, und
diese in großer Seltenheit (…) Die Reinheit ist das letzte Resultat von
zahllosen Anpassungen, Einsaugungen und Ausscheidungen, und der Fortschritt zur
Reinheit zeigt sich darin, daß die in einer Rasse vorhandene Kraft sich immer
mehr auf einzelne ausgewählte Funktionen beschränkt, während die vordem zu viel
und oft Widersprechendes zu besorgen hatte: (…) weshalb reingewordene Rassen
immer auch stärker und schöner geworden sind.“
Für ihn sind
„die Griechen (…) das Muster einer reingewordenen Rasse und Kultur“; diesem
Beispiel gilt es nachzuahmen und „eine reine europäische Rasse und Kultur“ zu
schaffen.
Nietzsche verlangte die Züchtung eines neuen Adels, einer Herrenrasse:[149]
„Es wird von nun an günstige Vorbedingungen für umfänglichere Herrschaftsgebilde
geben, deren Gleichen es noch nicht gegeben hat. Und dies ist noch nicht das
Wichtigste: es ist die Entstehung von internationalen Geschlechts-Verbänden
möglich gemacht, welche sich die Aufgabe setzten, eine Herren-Rasse heraufzuzüchten,
die zukünftigen ‚Herren der Erde’; - eine neue ungeheure, auf der härtesten
Selbst-Gesetzgebung aufgebaute Aristokratie, in der dem Willen philosophischer
Gewaltmenschen und Künstler-Tyrannen Dauer über Jahrhunderte gegeben wird:
eine höhere Art Menschen, (…)“
Diese
künstlich-gewollte Rassenbildung selbst stellte sich Nietzsche nach den
Erkenntnissen der aufkommenden wissenschaftlichen Eugenik vor. Die neue Elite
sollte in Anlehnung an Platon fernab von den anderen Ständen planvoll
herangezüchtet werden.
An Nietzsches Idee,
Rassen eher als Ergebnisse einer bewussten Züchtung denn als Naturprodukte
aufzufassen, knüpften vor allem die rechten Intellektuellen der „Konservativen
Revolution“ an.[150] (…) Moeller van den
Bruck bezog sich darauf in seiner Zurückweisung rein biologischer Rassentheorien.[151] Die Verhältnisse
innerhalb der Gesellschaft und zwischen den Völkern sollten auf der Grundlage
des „Überlebenskampfes“ nach sozialdarwinistischen Prinzipien ausgetragen
werden.[152]
Edgar Julius Jung unterschied zwischen höher- und minderwertigen Rassen und
wollte eine neue Aristokratie nur aus den ersteren schaffen.[153] Hans Blüher sprach von
einer „Primärrasse“, die seit Anbeginn der Schöpfung existierte und ihre
herausragenden Qualitäten auf dem Wege der Vererbung weitergab. Die
„germanischen Rassenart“ nehme hier einen hegemonialen Platz, speziell die
Deutsche.[154]
Zunächst hatte Nietzsche Wagner in seiner frühen Schrift „Die Geburt der
Tragödie aus dem Geiste der Musik“ noch als Erneuerer deutscher Kultur gefeiert
und ihm in seinen „Unzeitgemäßen Betrachtungen“ einen eigenen Essay „Richard
Wagner in Bayreuth“ gewidmet. Diese Verehrung schlug spätestens 1879 nach
Wagners vermeintlicher Hinwendung zum Christentum in „Parsifal“ in Feindschaft
um. Seitdem warf er Wagner Dekadenz und ein „undeutsches” Wesen vor machte sich
über das geistige Niveau der Wagnerianer in Bayreuth lustig. In seiner
Spätschriften „Nietzsche contra Wagner“ wiederholte er seine Angriffe und
Vorwürfe der „décadence“:[155] „Denn der Parsifal ist
ein Werk der Tücke, der Rachsucht, der heimlichen Giftmischerei gegen die
Voraussetzungen des Lebens, ein schlechtes Werk. – Die Predigt der Keuschheit
bleibt eine Aufreizung zur Widernatur: Ich verachte jedermann, der den Parsifal
nicht als Attentat auf die Sinnlichkeit empfindet.“
Mit der Gründung der "Christlich-sozialen
(Arbeiter-)Partei" suchte Stöcker eine parteipolitische Alternative zur
weitgehend religionskritischen und kirchenfeindlichen Arbeiterbewegung zu
schaffen. Schon zu Beginn seiner politischen Tätigkeit hatte es von ihm
sporadisch judenfeindliche Äußerungen gegeben, doch zum Protagonisten des
Antisemitismus avancierte er erst Ende der 1870er Jahre. Im September 1879
hielt er mit dem Vortrag "Unsere Forderungen an das moderne Judentum"
seine erste programmatische judenfeindliche Rede. Durch das große Echo wurde er
mit diesem Thema zum Erfolgsredner, zum Demagogen und Agitator, der große Säle
füllte und die Massen mitzureißen verstand.
Der Antisemitismus als Weltbild bot den zu kurz
gekommenen Kleinbürgern - und nicht nur diesen - eine praktikable Ideologie an,
sämtliche politischen, sozialen und ökonomischen Schwierigkeiten auf die Juden
abzulenken: der Jude als Objekt rhetorischer und realer Aggressionen und
Brutalitäten. Die jüdische Minderheit wurde zum gesellschaftlichen
"Abladeplatz", auf dem Ressentiments und Minderwertigkeitsgefühle
kompensiert werden konnten, ohne das das soziale Gefüge des Volkes dadurch
besonders in Mitleidenschaft gezogen wurde. Im Dunkel wirrer Mythen wurde ein
neues Fundament gelegt, auf dessen feste weltanschauliche Pfeiler sich später
der rassistische nationalsozialistische Vernichtungsantisemitismus stützen
konnte. "Was der Jude glaubt ist einerlei, in der Rasse liegt die
Schweinerei!"[156]
war der stereotyp vorgetragene Slogan deutscher Gossenantisemiten. Zwar
versuchten sich die Salonantisemiten und intellektuellen Drahtzieher von dem
national(sozial)istischen Radauantiemitismus zu distanzieren, der für ihr
ästhetisches Gefühl zu blutig war, doch wurden sie die Geister, die sie gerufen
hatten, nicht mehr los. Der moderne Antisemitismus zog sich durch alle
gesellschaftlichen Schichten, er war die nationale Klammer -
bewusstseinsstiftend und konstitutiv für die politische Kultur in Deutschland
und Österreich.
Unmittelbar nach der Reichsgründung, in den
wirtschaftlichen Rückschlägen der Gründerjahre, artikulierten sich antijüdische
Gruppen und Parteien immer deutlicher. Die Zeitschrift, die Judenfeindlichkeit
gesellschaftsfähig machte, war die "Gartenlaube". Diese illustrierte
Familienzeitschrift mit einer Auflagenhöhe von etwa 400.000 Exemplaren im Jahre
1875 nahm sehr wesentlich Einfluss auf die Bildung des neuen Mittelstandes und
verhalf mit einer Artikelserie aus der Feder Otto Glagaus dem Antisemitismus zu
einer ungewöhnlichen Popularität bei breiten Bevölkerungsschichten. Die
"Gartenlaube" war für "warme Herzen", doch ging es um die
Juden, brach eine neue Eiszeit an: "Die ganze Weltgeschichte kennt kein
zweites Beispiel, dass ein heimatloses Volk, eine physisch wie psychisch
entschieden degenerierte Rasse bloss durch List und Schlauheit, durch Wucher
und Schacher über den Erdkreis gebietet."[157]
In parteipolitischer Hinsicht wurde der
Antisemitismus in der Gesellschaft im Kaiserreich durch die Deutsche
Reformpartei (DRP) vertreten.[158]
Die Deutsche Reformpartei (DRP) war eine antisemitischePartei im Deutschen Kaiserreich. Sie wurde
zunächst unter dem Namen Antisemitische
Volkspartei (AVP) am 20.
März 1890 von Otto Böckel gegründet. Die Partei war, ebenso wie die Deutschsoziale
Partei aus der 1886 in Kassel gegründeten Deutschen Antisemitischen Vereinigung
hervorgegangen. 1893 wurde sie in Deutsche Reformpartei umbenannt und
wählte Oswald Zimmermann zum Vorsitzenden.
Im Gegensatz zu den eher konservativen
deutschsozialen Antisemiten um Max Liebermann von Sonnenberg verfolgten die
„Reformer“ einen antikonservativen Kurs und traten unter der Wahlparole „gegen Junker
und Juden“ für soziale Reformen zugunsten der unteren Bevölkerungsschichten
ein. Die Spannungen zwischen diesen Gruppen beschrieb der Publizist Hellmut von
Gerlach: „Der eine war Mittelständler, der andere Arbeiterfreund, der eine
Aristokrat, der andere Demokrat. Der eine rief zum Kampf gegen Juden und Junker
auf, der andere ging mit den Großagrariern durch dick und dünn. Bei jeder
Abstimmung fiel die Fraktion auseinander.“[159]
Die Partei hatte ihre Schwerpunkte in Hessen
unter Otto Böckel und in Sachsen unter Oswald Zimmermann.[160]
Gewählt wurde sie vor allem in ländlichen Regionen von Bauern und Handwerkern.
Bereits 1887 war Böckel als erster unabhängiger Antisemit in den Reichstag
gewählt worden. 1890 gewann die AVP vier Mandate (Böckel, Zimmermann, Pickenbach
und Werner).
1893 gewannen die Antisemitenparteien insgesamt
16 Sitze, von denen 11 auf die DRP entfielen. 1894 schloss sich die DRP mit den
Deutschsozialen zur Deutschsozialen Reformpartei (DSRP) zusammen. Der
Niedergang der Böckel-Bewegung in Hessen schwächte die DRP und stärkte den
deutschsozialen Flügel. 1895 wurden die besonders radikalen Antisemiten Otto
Böckel und Hermann Ahlwardt aufgrund ihrer antikonservativen Haltung aus der
Partei ausgeschlossen, woraufhin sie die Antisemitische Volkspartei neu
gründeten.[161]
Diese blieb allerdings bedeutungslos. Die „Reformer“ unter Oswald Zimmermann
verblieben zunächst in der DSRP, bis sich die Partei 1900 wieder in
Deutschsoziale und „Reformer“ aufspaltete. Beide Flügel schlossen sich 1914 in
der Deutschvölkischen Partei zusammen, deren Mitglieder den Kern des 1922
verbotenen Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes stellten.[162]
Auch Wilhelm Busch, den Pessimismus und
Humanismus verbindenden geistreichen, witzigen Dichter und Zeichner, der die
Schwächen des Philistertums erkannte und schonungslos karikierte, verließ die
Menschenliebe, wenn die Sprache auf die Juden kam: "Und der Jud' mit
krummer Ferse, krummer Nas' und krummer Hos' schlängelt sich zur hohen Börse tiefverderbt
und seelenlos."[163]
Bei Busch durchdringen sich wirtschaftliche und
rassistische Ressentiments zu einem antisemitischen Gemisch, das den Juden
immer negative Eigenschaften zuschreibt. "Schmulchen Schievelbeiner"
ist für ihn der typische Vertreter des deutschen Juden, dessen
charakteristischer Steckbrief sich so liest: "Kurz die Hose, lang der
Rock, Krumm die Nase und der Stock, Augen schwarz und Seele grau, Hut nach
hinten, Miene schlau - So ist Schmulchen Schievelbeiner. (Schöner ist doch
unsereiner!)"
Mit seinen satirischen Zeichnungen und Dichtungen
erzielte Busch große Wirkung, seine komisch-grotesken Typen wurden
Allgemeinbesitz. Das "Fremde", das "Unheimliche" des Juden,
das Busch so wirkungsvoll darstellen konnte, fand in der Romanliteratur wie in
der Karikatur zahlreiche Nachahmer. So konnte sich das Bild des krummbeinigen,
höckernasigen, schwulstlippigen, hässlichen Juden, der mit unredlichen Mitteln
nach dem Geld jagt und unschuldigen blonden Mädchen auflauert, stereotyp
verfestigen. Buschs "gutmütige" Karikatur des "Schmulchen
Schievelbeiner" war eine rassistische Verzerrung, wie sie dem populären
Humoristen bei keiner seiner "deutschstämmigen" Typen in den Sinn
gekommen wäre. Durch ihre weite Verbreitung beeinflusste sie das Judenbild und wurde
selbst von vielen jüdischen Lesern als eine Karikatur anderer Juden amüsiert
zur Kenntnis genommen.
In vulgärer, hämischer und manchmal
pornographischer Weise wurden Juden seit 1896 im "Simplicissimus"
überzeichnet dargestellt. Diese satirische Wochenschrift stand auf künstlerisch
hohem Niveau, und auch die literarischen Beiträge konnten sich sehen lassen -
Thomas Mann, Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse zählten zu den Autoren.
Abstoßende Darstellungen sexueller und geschäftlicher Verdächtigungen von Juden
versprachen dem Blatt eine höhere Auflage. In einer Karikatur droht der
jüdische Unternehmer seinen jungen weiblichen Angestellten in jiddisch:
"Man is nich sufrieden mit eiern Leistungen", um dann, nachdem der
Zweck des Begehrens erfüllt ist, in bestem Deutsch eine Lösung anzubieten:
"Ihr werdet wahrscheinlich am Ersten entlassen. Die endgültige
Entscheidung könnt ihr euch heut' Abend bei mir zu Hause in meiner Wohnung
abholen."[164]
Der Jude als Typus, ausgestattet mit einem fremden Jargon und einem ekelhaften
Aussehen nutzt hier, so will der Text glauben machen, ein ökonomisches
Abhängigkeitsverhältnis aus, um mit seinen geilen Wünschen "arische"
Mädchen zu schänden. Sexuelle Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen
behandelte der "Simplicissimus" regelmäßig, manchmal satirisch
kritisch, manchmal voyeuristisch genießend.
Der "hochgelehrte" Houston Stewart
Chamberlain, Engländer von Geburt und als Schwiegersohn Richard Wagners in
Bayreuth lebend, seit 1914 naturalisiert, sah in den Juden eine durch ein
"blutschänderisches Verbrechen" gegen die Natur hervorgegangene
"Bastardrasse" mit unreinem Blut: "(...) ein Bastardhund ist
nicht selten sehr klug, jedoch niemals zuverlässig, sittlich ist er stets ein
Lump".[165] Die
wirklich große Rasse aber ist nach Chamberlain die germanische und ihr
Hauptvertreter das Deutschtum, die eigentliche "Gegenrasse" die der
semitischen Juden.
Paul Bötticher, der sich Paul de Lagarde nannte,
hatte sich als Orientalist einen Ruf erworben und galt als ein christlicher
Vorkämpfer für eine evangelische Nationalkirche. In seinen "Deutschen
Schriften" kommen seine verdrängten atavistischen Hassgefühle in Form
eines besonders bösartigen Antisemitismus zum Ausdruck: "Die Juden sind
als Juden in jedem europäischen Staate Fremde, und als Fremde nichts anderes
als Träger der Verwesung." Viele Deutsche seien zu feige, das jüdische
Ungeziefer zu zertreten. Er selbst empfahl im Jahre 1888 folgende
"Endlösung": "Mit Trichinen und Bazillen wird nicht verhandelt,
Trichinen und Bazillen werden auch nicht 'erzogen', sie werden so rasch und
gründlich wie möglich unschädlich gemacht.“[166]
Lagarde ist ein "Klassiker" des Antisemitismus. In seinem Denken
verschmelzen alle Gegensätze und Widersprüche zu einer völkischen Einheitsidee
- Einheit von Rasse und Religion, von Blut und Geist. Dabei sind Blut und Rasse
nach dem Verständnis der völkischen Ideologie nicht so kompromisslos und starr
in rein biologischen Kategorien zu verstehen - weshalb auch
christlich-kirchliche Kreise sich haben darauf einlassen können.
All diese Zitate, die beliebig ergänzt werden
könnten, sind Gedankengänge des deutschen Kulturbürgertums, in dem der rassisch
motivierte Antisemitismus seit den 1880er Jahren ideologisch und emotional fest
verankert war. Der moderne Antisemitismus konnte sich auch und gerade
etablieren, weil er von "intellektuellen" Agitatoren organisiert
wurde, deren Parolen bei den Gebildeten, Halbgebildeten und "dummen
Kerls" ankamen - ganz gleich, ob diese dem Kaiserhaus, dem Adel, der
Geistlichkeit, der Beamten-, Professoren- und Lehrerschaft, den Angestellten,
dem Handwerkertum oder der Kaufmannschaft angehörten. Gegen den antisemitischen
Bazillus zeigte sich allein die Arbeiterschaft weitgehend immun.
Die große Verbreitung und politische Wirksamkeit
des Antisemitismus - im Jahre 1893 gab es z.B. 16 Abgeordnete antisemitischer
Parteien im Reichstag - führten den Juden vor Augen, dass die Integration in
die Gesellschaft des wilhelminischen Kaiserreiches nicht so problemlos
verlaufen würde, wie es nach der in der Reichsverfassung verbrieften
Rechtsgleichheit schien.[167]
Sowohl die Argumentation während der Emanzipationszeit, die Juden hätten ihre
"Eigenart" aufzugeben und sich in die deutsche Gesellschaft
einzufügen, wie auch die Vorwürfe der Antisemiten, die den Juden generell
"undeutsche" Eigenschaften und Fremdheit vorwarfen und damit
grundsätzlich die Möglichkeit ihrer gesellschaftlichen Anpassung negierten,
hatten die jüdischen Staatsbürger veranlasst, ihre deutsche Seite stets sehr
deutlich zu betonen. Trotzt der Erfahrungen des Antisemitismus hat die Mehrheit
der deutschen Juden den Weg der Assimilation niemals in Frage gestellt. Nur ein
kleiner Teil zog aus der Realität des Antisemitismus die Konsequenz, sich der
um die Jahrhundertwende entwickelnden zionistischen Bewegung anzuschließen.
Wie keine andere nationalistische Organisation im
Deutschland des Kaiserreichs wirkte der im Jahre 1891 gegründete
"Alldeutsche Verband" an der Herausbildung und Verbreitung des
Rassenantisemitismus mit. Als Sammelbecken der Antisemiten übernahm er die
Führung der völkischen Bewegung. In dem großes Aufsehen erregenden (1912
pseudonym erschienenen) Buch seines Vorsitzenden Heinrich Class "Wenn ich
Kaiser wär" sind Forderungen zur "Behandlung" der Juden
enthalten, die zehn Jahre später im Programm der NSDAP wiederkehren sollten. In
dieser Propagandaschrift entwickelte Class seine Pläne, die darauf abzielten,
jede weitere Demokratisierung Deutschlands zu verhindern und bereits
eingeleitete Entwicklungen rückgängig zu machen. Class forderte u.a. die
Aufhebung der Judenemanzipation, Verhinderung jeder jüdischen Einwanderung,
Ausweisung aller nichteingebürgerten Juden und ein Fremdenrecht für alle
deutschen Juden. [168]
Die grundlegenden Elemente der Ideologie der
Alldeutschen fanden sich auch in deren Idee des völkischen Staats wieder. Die
beiden Alldeutschen Heinrich Class und Leopold von Vietinghoff-Scheel entwarfen
mehrere, komplexe Konzepte für dieses Hochziel des Verbandes. Im Wesentlichen
basierten diese Pläne auf rassistischen und antisemitischen Ansichten und sahen
deshalb eine Aussonderung nicht-deutscher Bürger vor. Danach könnte sich „das
deutsche Volk … seelisch, geistig und körperlich von Stufe zu Stufe“
fortentwickeln. Dabei zeigt sich erneut das Ziel einer Rassenreinheit.
Vietinghoff-Scheel forderte darüber hinaus eine Differenzierung der Bevölkerung
in rassistischen Kategorien (wie etwa ‚Brauchbare‘ oder ‚Minderwertige‘). Von
besonderer Bedeutung waren dabei die Themen Bildung und Jugend. Bereits bei der
Schulbildung sollten alldeutsche, völkische Ansichten und Werte vermittelt
werden, um die folgenden Generationen mit diesen Vorstellungen und Ideen zu
prägen. Darüber hinaus sollte eine neue Reichs- und Wirtschaftsordnung
geschaffen und eine verstärkte Politik in Bezug auf Bevölkerung und Raumplanung
betrieben werden. Die Ablehnung von Parlamentarismus und Liberalismus führten
zu der alldeutschen Forderung nach einer völkischen Diktatur.
Das Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen
Randstellung beeinflusste die Haltung der deutschen Juden im 1. Weltkrieg. Mit
dem grössten Teil der nichtjüdischen Bevölkerung ließ sich die Mehrheit der
Juden von der allgemeinen Kriegsbegeisterung mitreißen. In den Synagogen wurde
für den "Sieg der deutschen Waffen" gebetet und in den jüdischen
Zeitungen erschienen Kriegsgedichte, die in ihrem patriotischen Überschwang die
Stimmung jener Tage widerspiegelten. In allen öffentlichen Aufrufen kam jedoch
noch ein weiteres Motiv zum Ausdruck: Die große Mehrheit der Juden hoffte,
durch die Betonung ihrer patriotischen Gesinnung die letzten Hindernisse auf
dem Wege der Eingliederung in die deutsche Gesellschaft zu überwinden. Auch die
jüdischen Freiwilligen wollten als "stammesstolze Juden" zu den
"besten Söhnen des Vaterlandes" gehören.[169]
Selbst im Lager der offenen Antisemiten schien es
zunächst, als ob man denn jüdisch-nichtjüdischen "Burgfrieden"
akzeptieren wollte. Jedenfalls schrieb Houston St. Chamberlain 1915:
"Deutschland zählt (...) zehnmal soviele Juden (als England), und wo sind
sie jetzt! Wie weggeputzt von der gewaltigen Erhebung: als 'Juden' nicht mehr
auffindbar, denn sie tun ihre Pflicht als Deutsche vor dem Feinde oder
daheim."[170]
Doch die Verbrüderung war trügerisch. War der
Antisemitismus in Deutschland bei Kriegsbeginn "staatlicherseits"
obsolet geworden, so wurde er nach der Besetzung Russisch-Polens durch deutsche
Truppen 1915 sehr bald vehement wiederbelebt. Als billige Arbeitskräfte teils
freiwillig angeworben, teils gewaltsam ins Deutsche Reich deportiert, wurden
die ostjüdischen Arbeiter bald Anlass zu wilder Agitation. Und weil die
Regierung Bethmann-Hollweg nach Ansicht der Völkischen nicht genug gegen den
"Zustrom" der Ostjuden tat, wurde sie als "verjudet"
beschimpft. Die extremen Nationalisten und Antisemiten gaben jede Form der
Zurückhaltung, auch dem Kaiser gegenüber, auf.
"Überall grinst das Judengesicht, nur im
Schützengraben nicht!" war ein für diese Zeit typischer, die Juden
verunglimpfender und diffamierender Spottvers, der nicht nur an deutschen
Stammtischen die Runde machte.[171]
So ist es nicht verwunderlich, dass es im Herbst 1916 auf antisemitischen Druck
zu einer sog. "Judenzählung" kam, mit deren Hilfe das
Kriegsministerium die aktive Beteiligung der jüdischen Soldaten am Weltkrieg
nachprüfen ließ. Dass dieser statistischen Erhebung antisemitische Motive
zugrunde lagen, geht nicht nur aus der Tatsache hervor, dass ausschließlich
jüdische Soldaten erfasst wurden, sondern auch daraus, dass ihr Ergebnis nicht
veröffentlicht wurde, so dass antisemitische Agitatoren weiterhin das Märchen
von der "jüdischen Drückebergerei" verbreiten konnten. Bekannt
gemacht, hätten die Daten das Gegenteil des von den Initiatoren der Erhebung
Beabsichtigten belegt. Die "Judenzählung", mit der der
antisemitischen Agitation erstmals ein Durchbruch größten Ausmaßes glückte,
hatte für die Betroffenen nur die Wirkung, stigmatisiert und degradiert worden
zu sein.
Das Militär war vollends zur Kaderschmiede der
Judenfeindschaft geworden. Spott und Witze über die angebliche Untauglichkeit
der Juden als Soldaten hatten geradezu sprichwörtlichen Charakter und machten
in Offizierskasinos und in breiten Gesellschaftskreisen des wilhelminischen
Deutschlands die Runde.[172]
Dabei hatten die Juden in Deutschland seit den Befreiungskriegen ihre Pflicht
als Soldaten tapfer erfüllt und sich damit gewissermaßen ihre
Gleichberechtigung als loyale Staatsbürger "erkämpft". Doch das
Militär blieb der gesellschaftliche Bereich, in dem die Juden auch nach der
rechtlichen Emanzipation keine Aufstiegsmöglichkeiten besaßen. Bei aller weitverbreiteten,
aus der jüdischen Tradition abzuleitenden pazifistischen Grundhaltung
dokumentierten Juden ihren Patriotismus auch dadurch, dass sie in fünf Kriegen
in aller Regel freiwillig zu den Fahnen eilten.
In seiner autobiographischen Schrift "Mein
Weg als Deutscher und Jude" hat Jakob Wassermann die Atmosphäre im
Vorkriegsheer in eindrucksvoll-erschreckender Weise festgehalten. Schon die
distanziert-verächtliche Haltung der Vorgesetzten sei schwer erträglich
gewesen: "Obwohl ich meine Ehre und ganze Kraft darein setzte, als Soldat
meine Pflicht zu tun und das geforderte Maß der Leistung zu erfüllen, (...)
gelang es mir nicht, die Anerkennung meiner Vorgesetzten zu erringen, und ich
merkte bald, dass es mir auch bei exemplarischer Führung nicht gelungen wäre,
dass es nicht gelingen konnte, weil die Absicht dawider war." Und weiter:
"Von gesellschaftlicher Anerkennung konnte nicht die Rede sein, (...)
Beförderung über eine zugestandene Grenze hinaus kam nicht in Frage, alles,
weil die bürgerliche Legitimation unter der Rubrik Glaubensbekenntnis die
Bezeichnung Jude trug." Bei den niederen militärischen Rängen, den
Mannschaften, spürte Wassermann eine besondere Judenfeindschaft, die er als
noch "quälender" empfand als das Verhalten der Vorgesetzten: "Auffallender,
weitaus quälender war mir (...) das Verhalten der Mannschaften. Zum ersten Mal
begegnete ich jenem in den Volkskörper gedrungenen, dumpfen, starren, fast
sprachlosen Hass, von dem der Name Antisemitismus fast nichts aussagt, weil er
weder die Art, noch die Quelle, noch die Tiefe, noch das Ziel zu erkennen gibt.
Dieser Hass hat Züge des Aberglaubens ebenso wie der freiwilligen Verblendung,
(...) der Ranküne des Benachteiligten, Betrogenen ebenso wie der Unwissenheit,
der Lüge und Gewissenlosigkeit (...) wie des religiösen Fanatismus. Gier und
Neugier sind in ihm, Blutdurst, Angst, verführt, verlockt zu werden, Lust am
Geheimnis und Niedrigkeit der Selbsteinschätzung." Und den Antisemitismus
deutscher Prägung sieht Wassermann so: "Er ist in solcher Verquickung und
Hintergründigkeit ein besonderes deutsches Phänomen. Es ist ein deutscher
Hass."[173]
Die Dreyfus Affäre in Frankreich blieb auch in
Deutschland nicht unbeachtet und wurde kontrovers zwischen Antisemiten und
toleranten Menschen diskutiert. Als Dreyfus-Affäre
bezeichnet man die Verurteilung des französischen Artillerie-Hauptmanns Alfred
Dreyfus 1894 durch ein Kriegsgericht in Paris wegen angeblichen Landesverrats
zugunsten des Deutschen Kaiserreichs und die dadurch ausgelösten, sich über
Jahre hinziehenden öffentlichen Auseinandersetzungen und weiteren
Gerichtsverfahren.[174]
Die Verurteilung des aus dem Elsass stammenden jüdischen Offiziers basierte auf
rechtswidrigen Beweisen und zweifelhaften Handschriftengutachten. Für die
Wiederaufnahme des Verfahrens und den Freispruch Dreyfus’ setzten sich zunächst
nur Familienmitglieder und einige wenige Personen ein, denen im Verlauf des
Prozesses Zweifel an der Schuld des Angeklagten gekommen waren.
Der Justizirrtum weitete sich zum ganz Frankreich
erschütternden Skandal aus. Höchste Kreise im Militär wollten die Rehabilitierung
Dreyfus’ und die Verurteilung des tatsächlichen Verräters Major Ferdinand
Walsin-Esterházy verhindern.[175]
Antisemitische, klerikale und monarchistische Zeitungen und Politiker hetzten
Teile der Bevölkerung auf, während Menschen, die Dreyfus zu Hilfe kommen
wollten, ihrerseits bedroht, verurteilt oder aus der Armee entlassen wurden.
Der bedeutende naturalistische Schriftsteller und Journalist Émile Zola musste
beispielsweise aus dem Land fliehen, um einer Haftstrafe zu entgehen. Er hatte
1898 mit seinem berühmt gewordenen Artikel J’accuse…! (Ich klage an …!)
angeprangert, dass der eigentlich Schuldige freigesprochen wurde.[176]
Die im Juni 1899 neu gebildete Regierung unter Pierre
Waldeck-Rousseau setzte auf einen Kompromiss, nicht auf eine grundsätzliche
Korrektur des Fehlurteils, um die Auseinandersetzungen in der Affäre Dreyfus zu
beenden. Wenige Wochen nach seiner zweiten Verurteilung wurde Dreyfus
begnadigt. Ein Amnestiegesetz garantierte gleichzeitig Straffreiheit für alle
mit der Dreyfus-Affäre im Zusammenhang stehenden Rechtsbrüche. Lediglich Alfred
Dreyfus war von dieser Amnestie ausgenommen, was es ihm ermöglichte, sich
weiter um eine Revision des Urteils gegen sich zu bemühen. Am 12. Juli 1906 hob
schließlich das zivile Oberste Berufungsgericht das Urteil gegen Dreyfus auf
und rehabilitierte ihn vollständig. Dreyfus wurde wieder in die Armee
aufgenommen, zum Major befördert und darüber hinaus zum Ritter der
französischen Ehrenlegion ernannt. Der strafversetzte Major Marie-Georges
Picquart, ehemals Leiter des französischen Auslandsnachrichtendienstes (Deuxième
Bureau) und eine Schlüsselfigur bei der Rehabilitierung von Alfred Dreyfus,
kehrte mit dem Rang eines Brigadegenerals in die Armee zurück.[177]
Die Dreyfus-Affäre war nach dem Panamaskandal und
parallel zur Faschodakrise der dritte große Skandal in dieser Phase der Dritten
Republik. Mit Intrigen, Fälschungen, Ministerrücktritten und -stürzen,
Gerichtsprozessen, Krawallen, Attentaten, dem Versuch eines Staatsstreiches (23.
Februar 1899) und einem zunehmend offenen Antisemitismus in Teilen der
Gesellschaft stürzte die Affäre das Land in eine schwere politische und
moralische Krise. Insbesondere während des Kampfes um die Wiederaufnahme des
Gerichtsverfahrens war die französische Gesellschaft bis in die Familien hinein
tief gespalten.[178]
Die Friedensresolution des Reichstags im Juli
1917 und die Ankündigung der Einführung des gleichen und direkten Wahlrechts in
Preussen im selben Monat waren Anlass zu einer immer vulgärer werdenden
antisemitischen Phraseologie in der Öffentlichkeit. Demokratische Ideen waren
in den Augen der Führer der alldeutschen Verbandsleitung "Gift", und
dies war "jüdischer Herkunft".[179]
Sie konstatierten die unumstössliche "Schuld des Judentums" an
sämtlichen politischen Veränderungen in Deutschland und an allen damaligen
Erscheinungen des wirtschaftlichen, geistigen und kulturellen Lebens, die von
ihnen aufs schärfste missbilligt wurden.
Bedingt durch Opfer und Entbehrungen, die der
Weltkrieg den Menschen auferlegte, nahm der Antisemitismus an Bedeutung zu.
Teile der wilhelminischen Machtelite passten sich der veränderten Stimmungslage
an und schufen so auf ihre Weise die Grundlage für den administrativen
Antisemitismus, der sich durch die nachfolgenden Jahre der Weimarer Republik
zog. Noch während des Weltkriegs bildete sich eine
reaktionär-demagogisch-nationalistische Bewegung mit antisemitischer
Stossrichtung heraus, die in der deutschen Politik einen ebenso gefährlichen
wie spürbaren Einfluss ausübte.
Anders als in Russland wurden im nationalen
Überschwang bei Ausbruch des Krieges die Juden im Deutschen Reich zusammen mit
den Sozialdemokraten zunächst in den sog. "Burgfrieden" einbezogen.[180]
Es schien, als sei der gegenseitige Argwohn, mit dem sich die Reichsregierung
und die jüdische Gemeinschaft vor dem Krieg gegenübergestanden hatten,
überwunden. Die Juden erhofften sich vom Nachweis ihrer patriotischen Gesinnung
im Kriegsdienst die völlige Gleichbehandlung in der deutschen Gesellschaft. Dieser
patriotische Konsens bestand vom liberalen C.V. über die Orthodoxie bis zu den
Zionisten. Tatsächlich wurden Juden wie Walther Rathenau oder Albert Ballin in
führende Positionen der Kriegswirtschaft berufen, und die antisemitische
Agitation unterlag strenger Zensur. Der "Burgfrieden" erwies sich
jedoch als eine "Schönwetter-Konstruktion", die vielleicht bei einem
deutschen Sieg bleibende Effekte auf das deutsch-jüdische Verhältnis gehabt
hätte. Je mehr sich das Kriegsglück gegen Deutschland wendete, desto mehr Raum
gewann die Rechte für ihre antijüdische Agitation. Im Militär machte sich auf
allen Ebenen bereits 1915 Antisemitismus wieder offen bemerkbar. Dahinter stand
eine Kampagne der Rechten, die Eingaben an die Regierung und das
Kriegsministerium organisierte, in denen Juden "Drückebergerei"
vorgeworfen wurde. SPD und Fortschrittliche protestierten dagegen im Reichstag,
und eine Weile widerstand die Regierung dem Druck von rechts, bis sie
schließlich im Oktober 1916 eine "Judenstatistik" anordnete, die den
Einsatz von Juden im Heer erfassen sollte. Gegen diese infame Maßnahme erhob
sich vor allem von jüdischer Seite Protest, so dass die Ergebnisse nicht
veröffentlicht wurden, was antisemitischen Unterstellungen Tür und Tor öffnete.
Für die Juden bedeutete die "Judenzählung" eine tiefe Enttäuschung,
sie fühlten sich von dem Land verraten, für das sie ihr Leben einsetzten.
Die antijüdische Stimmung der Front und die von
der Rechten in die Welt gesetzte Legende von der jüdisch beherrschten
Kriegswirtschaft beeinflussten die Bevölkerung, die die Juden als
"Schieber" und "Kriegsgewinnler" für die sich im
"Kohlrübenwinter" 1916/17 drastisch verschlechternde Versorgungslage
verantwortlich machte.
Der Kriegsverlauf spaltete die Deutschen in zwei
ideologische Lager: Die Kriegsziele der "Falken" liefen auf einen
imperialistischen "Siegfrieden" hinaus, der Deutschland Weltgeltung
sichern sollte. Innenpolitisch strebten sie die "Entfernung des Giftes aus
dem deutschen Volkskörper" an, womit vor allem das "internationale
Judentum" gemeint war.[181]
In diesem Lager befanden sich die Spitzenverbände von Industrie und
Landwirtschaft, die Konservative Partei, der Alldeutsche Verband und Teile der
Nationalliberalen. Ihr Kampf richtete sich gegen die "Flaumacher",
die einen Frieden ohne Annexion anstrebten und für Demokratie und soziale
Rechte stritten. In diesem Lager fanden sich Liberale, Linke, Juden und
Katholiken. Die Polarisierung zwischen beiden Lagern wuchs. Im Reichstag wurde
1917 mit den Stimmen von SPD, Nationalliberalen und Deutschkonservativen eine
Friedensresolution verabschiedet. Gegen diese von der Heeresleitung ignorierte
Resolution gab es eine heftige Kampagne des AV, der BdL, der Veteranenverbände
und antisemitischen Gruppen. Der AV warnte, "der Reichstag der Juden wird
einen Judenfrieden machen!"[182]
Im September 1917 wurde vom späteren Putschisten Wolfgang Kapp und Admiral v.
Tirpitz die "Deutsche Vaterlandspartei" gegründet, die als
Sammelbecken völkisch-nationaler und annexionistischer Kreise zur mitgliederstärksten
Partei des Kaiserreichs wurde.
Ein weiterer Streitpunkt war die schon vor dem
Krieg debattierte "Ostjudenfrage", also die Einwanderung russischer
Juden nach Deutschland (bis 1915 ca. 90.000), die sich schon bald nach dem
Kriegsausbruch intensivierte, da man nun mit der Ausdehnung Deutschlands nach
Osten die Gefahr einer Masseneinwanderung heraufkommen sah.[183]
In der Broschüre "Die Ostjudenfrage, Zionismus und Grenzschluß"
warnte Geheimrat Georg Fritz schon 1915 vor der Flut von "Millionen nicht
nur armer, leiblich und sittlich verkümmerter Menschen, sondern rassefremder,
verjudeter Mongolen". Für eine Grenzsperre für Ostjuden gab es durchaus
auch Sympathie bei deutschen Juden, die eine Verschärfung des Antisemitismus
befürchteten, warnten doch rechtsstehende Verbände, die verstärkte Zuwanderung
würde zum Wiederaufleben der "Judenfrage" führen, die dann nur durch
Aufhebung der Gleichberechtigung zu lösen wäre.[184]
Im April 1918 kam es dann zur medizinalpolitisch mit Fleckfieber begründeten
Grenzschließung, obwohl man allenthalben in Osteuropa Fremdarbeiter für die
deutsche Wirtschaft anwarb. Trotz der Proteste deutsch-jüdischer Organisationen
und des Auswärtigen Amtes blieb die Grenzsperre bis Kriegsende bestehen.
Die Alldeutschen und andere völkische und antisemitische
Gruppen mussten nicht den Waffenstillstand, die Abdankung des Kaisers und die
Ausrufung der Republik im November 1918 abwarten, um den Juden die Schuld an
der Niederlage zu geben, hatten sie doch bereits 1917 den Krieg in einen Kampf
ums Dasein zwischen Deutschtum und Judentum umgedeutet.[185]
Noch im September 1918 gründeten sie zur Koordination der antisemitischen
Aktivitäten einen "Ausschuss für die Bekämpfung des Judentums", der
die Bereitschaft signalisierte, Antisemitismus bedenkenlos als politische Waffe
bis hin zum Mord einzusetzen. Mit der "Dolchstoßlegende" besaß man
ein wirksames Propagandainstrument, um die Wende des Krieges aus der
Verantwortung des Militärs auf andere Gruppen wie Juden und Sozialdemokraten
abzuschieben. Auf jüdischer Seite sah man diese Aktivitäten mit Sorge und
fürchtete, dass man sich würde "auf einen Judenkrieg nach dem Kriege
gefasst machen müssen".[186]
Der Antisemitismus der Vor- und Nachkriegszeit
besitzt starke organisatorische, personelle und inhaltliche Kontinuitäten,
dennoch spricht vieles dafür, im Zusammenbruch der europäischen Ordnung von
1914 und im Erleben des ersten Massenkrieges und -todes eine Zäsur zu sehen.[187]
Die Erfahrung der "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts - die Wirkung
des Gaskrieges auf Adolf Hitler ist bekannt - hat gemeinsam mit der von
Niederlage und Revolution vor allem, aber nicht nur in den Verliererstaaten zur
Ausbreitung eines revolutionären Hypernationalismus (Faschismus) geführt und
die Bereitschaft der Bevölkerung verstärkt, den "alten" Behauptungen
der Antisemiten zu glauben, die "Lösung der Judenfrage" wäre die
Lösung der sozialen und nationalen Probleme. Auch wenn die Wurzeln des
deutschen und österreichischen Antisemitismus vor 1914 zu suchen sind, so
erklären sich seine ungeheure Dynamik und Radikalität nach 1918 aus Krieg,
Niederlage, Revolution und Gewalterfahrung. Auch das Beispiel Ungarn zeigt, wie
ein scharfer politischer Antisemitismus relativ unvermittelt nach der
Niederlage und den Gebietsverlusten von 1918 hervortrat. Offenbar sind durch
den Ersten Weltkrieg und seine Folgen die Resonanzbedingungen für
antisemitische Politik in vielen europäischen Staaten grundlegend verändert
worden.[188]
Gegen den wachsenden Antisemitismus setzten die
Juden sich zur Wehr. In einem Aufruf erklärte der "Centralverein deutscher
Staatsbürger jüdischen Glaubens": "Keine Macht der Erde wird das Band
zerreißen, das sich um die Volksgenossen schlingt. Mit ihnen kämpfen wir, wenn
Deutschland weiterkämpfen muss (...) Wir wollen einig sein, vergessen, was
Zwietracht geschaffen hat, zurückstellen, was Zwietracht schaffen kann
(...)."[189]
Doch dieser patriotische Appell blieb ungehört.
Im Gegenteil: Ohne alle Umschweife forderte Class die alldeutschen Aktivisten
im Oktober 1918 auf, die krisenhaften Zeitumstände zu "Fanfaren gegen das
Judentum" und die Juden "als Blitzableiter für alles Unrecht" zu
benutzen.[190]
Unumwunden versicherte Class, dass er sich von keinem Mittel zurückschrecken
ließe, und forderte seine Zuhörer - sich an ein Zitat Heinrich von Kleists[191]
anlehnend -, zur blutigen Rache an den Juden auf: "Schlagt sie tot, das
Weltgericht fragt euch nach den Gründen nicht!"[192]
Eine Hochburg antisemitischer Feindseligkeit
blieb weiterhin das Militär, einschließlich der Freikorps und
Freiwilligenverbände. Der Kapp-Putsch in Berlin 1920 machte dies hinreichend
augenfällig: Hakenkreuze an Helmen und Fahrzeugen und Handzettel des
"Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes" verteilend, zog die
Brigade Ehrhardt in die deutsche Hauptstadt ein. Welches Ausmaß an Verhetzung
in diesen Kreisen herrschen konnte, lässt die Eingabe eines bayerischen
Freiwilligen erkennen, dessen radikale Haltung vielleicht nicht exemplarisch
war, für das Militär wohl aber in ähnlicher Weise die Spitze eines Eisbergs
markierte wie für die radikalen völkischen Gruppen und die gesamte, zumindest
rechtsgerichtete Bevölkerung Deutschlands.
Die dem
bayerischen Ministerpräsidenten 1920 eingereichte und sich ausdrücklich frei
von "humanitären Erwägungen" erklärende Denkschrift zur
"radikale(n) aber gerechte(n) Lösung der Judenfrage antizipierte die
Ergebnisse der Berliner "Wannsee-Konferenz" 21 Jahre später:
Innerhalb 24, längstens 48 Stunden, hätten sich 1. "der grösste Teil der
Juden" mit den "notwendigsten Bekleidungsstücken" versehen an
"bestimmten Sammelstellen" einzufinden. Von diesen Plätzen habe dann
der "Abtransport in die Konzentrationslager" zu erfolgen. 2. Juden,
die sich "durch Flucht oder durch Bestechung" dieser Internierung zu
entziehen suchten, sollten zum Tode verurteilt werden. Ihr Vermögen sei
einzuziehen. 3. Deutsche, die den Juden zur Flucht verhelfen würden, sollten
"das gleiche Schicksal zu gewärtigen" haben. 4. Eröffne die Entente
die Feindseligkeiten gegen Deutschland, so müsse "unverzüglich mit
Repressalien an den Juden" geantwortet werden. Bei Verhängung der Blockade
"müssen die Juden dem Hungertode ausgeliefert" werden. Erfolge der
Einmarsch der Feinde, so müsse "die Niedermetzelung der Juden"
stattfinden, bis der Vormarsch eingestellt sei. 5. Die Internierung solle so
lange aufrechterhalten werden, wie Deutschland "von inneren und äusseren
Feinden bedroht" bleibe. Für den Fall, dass Juden noch überlebten, sollte
nach der Beseitigung der "inneren und äusseren Gefahren" deren
"restlose Abschiebung" nach Palästina erfolgen, selbstverständlich
unter Zurücklassung ihres Besitzes und Vermögens. Eine Rückkehr nach
Deutschland habe als "todeswürdiges Verbrechen" zu gelten.[193]
Freikorpssoldaten und Studenten griffen 1919 bei
der (vielerorts blutigen) Niederschlagung der kommunalen Räterepubliken
zusätzlich Juden an; Rosa Luxemburg wurde kurz vor ihrer Ermordung (15. Januar
1919 in Berlin) als „Judenhure“ beschimpft und schwer misshandelt. Am 21.
Februar 1919 fiel der durch die Novemberrevolution in Bayern an die politische
Macht gelangte erste Ministerpräsident der bayerischen Republik Kurt Eisner
kurz vor seinem geplanten Rücktritt einem auch antisemitisch motivierten
Mordanschlag zum Opfer. Etwa zwei Monate später, kurz nach der Niederschlagung
der auf Eisners Tod folgenden Münchner Räterepublik, wurde der anarchistische
jüdische Intellektuelle und Pazifist Gustav Landauer, einer der Protagonisten
der ersten Phase dieser Räterepublik, am 1. Mai 1919 verhaftet, von
wachhabenden Freikorpssoldaten im Zuchthaus Stadelheim misshandelt und am 2. Mai
1919 ermordet.[194]
Seit der Republikgründung 1919 konnten Juden
erstmals in höchste Staatsämter aufsteigen. Obwohl auch konservative Juden
skeptisch gegen die Linksparteien waren, galten sie weithin als Profiteure von
Umsturz und Kriegsniederlage. Antisemiten, die bislang auf staatliche Umsetzung
ihrer Ziele gehofft hatten, lehnten daher fast immer Revolution und Demokratie
zugleich ab, ihre Gegner verteidigten meist beides. Während des Krieges war
allzu offene antisemitische Propaganda staatlich zensiert worden, um den
„Burgfrieden“ nicht zu gefährden; seit Kriegsende konnten sich die Antisemiten
ungehindert neu organisieren und agitieren. Zeitungen wie das Deutsche
Wochenblatt und Flugblätter hetzten gegen die Juden. Bei deren Verteilung
kam es bis zum Frühjahr 1920 öfter zu Prügeleien auf offener Straße;
eingreifende Polizei nahm nicht selten Juden zu ihrem Schutz oder als Anstifter
fest.
Neu gegründete rechtsradikale Gruppen wie die Thulegesellschaft
propagierten die Dolchstoßlegende. In ihr verbanden sich antisemitische,
antisozialistische und antidemokratische Motive so miteinander, dass die
gesamte nationale Demütigung – eigene Kriegsschuld, Niederlage, Revolution und
Elend der Nachkriegszeit – erneut auf die jüdische Minderheit als deren
angebliche Drahtzieher projiziert wurden. Juden und Sozialdemokraten, die fast
seit der Reichsgründung als „innere Reichsfeinde“ markiert worden waren, wurden
nun auch mit den „Bolschewisten“ identifiziert: Sie seien angeblich dem „im
Felde unbesiegten“ Heer heimtückisch in den Rücken gefallen, um Deutschland
fremden Mächten auszuliefern und alle kulturellen Werte der Nation zu
vernichten. Dabei verwies man auf jüdische Namen unter führenden russischen wie
deutschen Revolutionären.[195]
Von 1919 an wurden immer neue völkisch-antisemitische
Agitationsverbände gegründet, die in dem über das ganze Reich verbreiteten
"Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbund" mit über 200.000
Mitgliedern ihre grösste organisatorische Plattform besaßen.[196]
Mit beträchtlichen finanziellen Unterstützungen durch die Industrie und alle
möglichen Wirtschaftsunternehmen konnte diese Organisation mit ihrem
antisemitischen Gift in Form von Handzetteln, Flugblättern und Pamphleten aller
Art Deutschland millionenfach überschwemmen. In rascher Folge erschienen Pamphlete
wie "Judas Schuldbuch"[197],
Arthur Dinters Roman "Die Sünde wider das Blut", der - vorsichtig
geschätzt - anderthalb Millionen Leser fand, schließlich "Die Protokolle
der Weisen von Zion", die den Mythos einer angeblichen jüdischen
Weltverschwörung unter die Massen brachten. In zahlreiche Sprachen übersetzt,
feiert diese perfide Fälschung bis in die heutige Zeit fröhliche Urstände.
Die "Protokolle der Weisen von Zion" sind die
weitverbreitetsten und hartnäckigsten Dokumente des modernen Antisemitismus.[198]
Nicht nur in rechtsextremen Kreisen dienen sie als das Beweisdokument für das
vermeintliche Streben der Juden nach der Weltherrschaft. Antisemiten sämtlicher
politischer und religiöser Richtungen beziehen sich auf die Protokolle.
Der Text war und ist nicht
zuletzt deshalb so erfolgreich, weil er für Menschen reaktionärer Denkweise
eine einfache und griffige Welterklärung bietet, die sämtliche unerwünschte
Erscheinungen der Moderne auf einen Verursacher zurückführt.[199] Kern der
Verschwörungslegende bildet eine geheime jüdische Verbindung, deren Ziel es
sein soll, die traditionellen gesellschaftlichen Strukturen mit Hilfe von
Demokratie, Liberalismus und Kapitalismus – im Zweifelsfall auch Sozialismus –
zu zerstören und auf diese Weise die Weltherrschaft anzustreben.
Der Text, der erstmals
am Anfang des 20. Jahrhunderts auftauchte – eine erste russischsprachige
Ausgabe erschien 1903 im Zarenreich –, ist in 24 Abschnitte gegliedert, die
jeweils das Protokoll einer Versammlung der "Weisen von Zion"
darstellen sollen. In den Reden der beteiligten jüdischen Führer geht es –
inhaltlich eher unstrukturiert - um die angeblichen Pläne des Weltjudentums,
die Weltherrschaft zu übernehmen.[200] Dabei sollen
Liberalismus und Demokratie, aber auch Finanzpolitik, eine jüdisch
kontrollierte Presse und erforderlichenfalls Terror dazu dienen, die
bestehenden Nationalstaaten zu destabilisieren. Am Ende sollen sich die Völker
freiwillig in die Hände einer jüdischen Diktatur begeben, die dann umgehend
alle Freiheiten, für die sich die Juden zuvor eingesetzt hätten, wieder
rückgängig machen würde.[201] Die Darstellung als
angebliches Protokoll soll dabei die Glaubwürdigkeit erhöhen. Zudem wird an
mehreren Stellen auf die aktuelle Politik in Russland am Ende des 19.
Jahrhunderts angespielt.
Die Echtheit des
Dokuments wurde dennoch von Beginn an angezweifelt. Bereits 1921 erschien in
der Times eine Artikelserie, in der die "Protokolle" als Fälschung
entlarvt wurden. Von 1933 bis 1935 befasste sich ein Schweizer Gericht mit der
Entstehungsgeschichte des Dokuments und stellte fest, dass der Text dem Genre
der "Schundliteratur" zuzurechnen sei und es sich um ein Plagiat
handelte.[202]
Zweifelsfrei wurden die Quellen und die Schöpfer der "Protokolle"
ermittelt. Bedient hatten sich die Schöpfer der "Protokolle" zum
Beispiel aus den historisch-politischen Romanen von Hermann Ottomar Friedrich
Goedsche, einem Redakteur der konservativen preußischen Kreuzzeitung, der unter
dem Pseudonym Sir John Retcliffe Romane veröffentlichte.
Goedsche war bestrebt,
seiner Leserschaft eine antiliberale Überzeugung in einem geschlossenen
Weltbild zu vermitteln.[203] Seine Bücher wären
längst in Vergessenheit geraten, wäre da nicht eine Szene in seinem Roman
"Biarritz" (1868). Sie spielt auf dem berühmten Prager Judenfriedhof.
Alle hundert Jahre, so der Roman, treffen sich hier die Vertreter der zwölf
jüdischen Stämme, um über den Stand der Welteroberung zu beraten. Der Autor
führt an dieser Stelle die wesentlichen politischen und ökonomischen
Entwicklungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf die organisierten
Aktivitäten der jüdischen Minderheit zurück. Damit leistete er einen
bedeutenden Beitrag zur Popularität der Denkfigur einer jüdischen
Weltverschwörung und lieferte eine literarische Schablone, auf die andere Autoren
zurückgreifen konnten. Die besagte Szene wurde seit 1881 auch in eigener Form
als "Rede eines Oberrabbiners in geheimer Versammlung" veröffentlicht
und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Die Entlarvung als Fälschung konnte die
Verbreitung des Textes kaum aufhalten. Als die Feststellung, es handele sich um
"Schundliteratur", zwei Jahre später durch eine Berufungsinstanz in
der Schweiz wieder aufgehoben wurde, feierten Antisemiten das Verfahren als
Bestätigung für die Echtheit des Textes. Angesichts der propagandistischen
Wirkung der "Protokolle der Weisen von Zion" ist ihre Echtheit aber
von zweitrangiger Bedeutung, auch, weil Beweise, dass es sich um eine Fälschung
handelte, als Lügen der jüdischen Medienmacht abgetan und so selbst zum Bestandteil
der Verbreitung wurden.
Mit ihren planmäßigen Kampagnen gelang es den
völkischen Organisationen, den ersten demokratischen deutschen Staat als
"Judenrepublik" verächtlich zu machen, permanent zu attackiere und
schließlich aus den Angeln zu heben.[204]
Zur Zielscheibe antisemitischen Terrors wurde auch Walther Rathenau,
Deutschlands erster nicht getaufter jüdischer (Außen-)Minister. Aber gerade an
der Person Rathenaus zeigt sich die widersprüchliche Lage der Juden in der
Weimarer Republik: Zwar genossen sie seit der Novemberrevolution 1918 formal
die volle - soziale Aspekte einschließende - Gleichberechtigung und konnten
auch Staatsämter bekleiden, andererseits aber war ihre Bedrohung durch den
militanten Antisemitismus in hohem Masse gewachsen. Rathenau wurde 1923 von
Rechtsradikalen ermordet, die ihn als "Erfüllungspolitiker"
denunziert hatten. Bei dem tödlichen Attentat auf ihn spielte aber v.a. die
Tatsache eine Rolle, dass er Jude war. "Schlagt tot den Walther Rathenau,
die gottverdammte Judensau!" - so lautete die Parole der rechtsradikalen
Stosstrupps.[205]
Antisemitisch eingestellte Studenten und
Akademiker und ehemalige DVP-Mitglieder fanden ihre neue politische Heimat nun
in einer der rechtsextremen und bürgerlich-konservativen Parteien, vor allem in
der DNVP. Diese startete 1919 eine Kampagne gegen sogenannte Ostjuden: Etwa
34.000 meist polnische Juden waren im Krieg als Rüstungsarbeiter angeworben und
interniert worden; danach flohen zudem etwa 107.000 in Osteuropa verfolgte und
verarmte Juden nach Deutschland. Etwa ein Viertel davon lebte vorübergehend
oder dauerhaft in Berlin Mitte. Bis 1921 waren ca. 40 Prozent weitergewandert.
Die DNVP verlangte ein Ende des Zuzuges und die Ausweisung der Juden, um so die
Meinungsführerschaft gegenüber den „Radauantisemiten“ wiederzugewinnen. In
Bayern wurden osteuropäische Juden nach dem Kapp-Putsch 1920 von den Behörden
gezielt schikaniert und zum Teil in Abschiebelagern interniert.
1921 schloss die DNVP Juden und Menschen mit
einem jüdischen Elternteil aus der Partei aus.[206]
Die Deutsche Burschenschaft beschloss 1921 den Ausschluss jüdischer Mitglieder.
Mit der Propagierung der „nationalen Revolution“ begünstigten viele Studentenverbindungen
den Aufstieg des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds (NSDStB). Mit
diesem Schlagwort fanden Konservative, bürgerliche Monarchisten, Befürworter
autoritärer Staatsmodelle und des Volkstums einen gemeinsamen ideologischen
Nenner. Diese Ablehnung der oft als „Judenrepublik“ verachteten Demokratie im reaktionären
Bürgertum gilt als ein wichtiger Faktor, der den Siegeszug des
Nationalsozialismus mit ermöglichte.
Zugleich aber gab es Mitte der 1920er Jahre einen Höhepunkt bei
Friedhofs- und Synagogenschändungen. Die Schändungen waren in der deutschen
Öffentlichkeit weithin diskreditiert und daher besonders provokant, gerade in
der politisch vermeintlich ruhigen Phase Mitte der 1920er Jahre. Die abseits
der Wohnbebauung gelegenen Friedhöfe waren ein leichtes Angriffsziel. In einer
regelrechten Schändungswelle wurden zwischen 1923 und 1932 fast 200 Fälle
registriert, darunter auch eine nicht geringe Anzahl in Bayern: Juni 1924 Binswangen/Schwaben;
August 1924 Regensburg; Mai 1926 Memmelsdorf i.Ufr. (Lkr. Haßberge); August
1928 Pretzfeld bei Bamberg; Frühjahr 1929 Gerolzhofen (Lkr. Schweinfurt). Auch
Synagogen waren ein Ziel der Angriffe, so im April 1927 die Herzog-Max-Synagoge
in München, im Oktober 1928 die Synagoge in Hof und im Dezember 1928 diejenige
in Gunzenhausen.
Zwei Phänomene stechen dabei hervor: Zum einen handelte es sich
bei den Tätern oft um strafunmündige Jugendliche. Zum zweiten galten
Schändungen als die "undeutscheste, unchristlichste, roheste, gemeinste,
feigste" Form der Judenfeindschaft (so der Schriftsteller Walter von Molo
in der CV-Zeitung 21. September 28). Dadurch fiel auch konservativen
Zeitgenossen die Distanzierung von den Schändungen leicht, ohne dass sie ihre
antisemitische Grundhaltung aufgeben mussten.
Wie die politischen Gewalttaten generell, häuften sich in der
Weimarer Republik auch Misshandlungen jüdischer Bürger.[207]
Eine Zählung der Taten existiert nicht, so dass man auf Aktenüberlieferung
einzelner Straftaten angewiesen ist. Bayerische Fälle sind vor allem in der
Frühphase der Weimarer Republik nachweisbar, später scheinen sich die
Aktionszentren verlagert zu haben. Schon 1920 wurde in München der Rabbiner Leo
Baerwald (1883-1970) bei einer NSDAP-Versammlung mit Adolf Hitler als Redner
angepöbelt, seine Begleiter verprügelt. Die stark zunehmende Öffentlichkeit des
Antisemitismus, unter anderem durch massenhaft kursierende Flugblätter und
Plakate, führte zu Schlägereien, etwa im März 1920 auf dem Münchner
Odeonsplatz, als vier jüdische Männer ein Plakat abreißen wollten, eine
"Menschenmenge" sie jedoch daran hinderte. Auch gab es regelrechte
Boykottkampagnen gegen Firmen mit jüdischen Eigentümern, die persönlich bedroht
wurden - zum Beispiel 1922 Simon Rosenberg, Besitzer der Münchner Romeo &
Neptun Schuh AG. Im Oktober/November 1923 gab es in Nürnberg und in den
fränkischen Gemeinden Untermerzbach (Lkr. Haßberge) und Autenhausen (Lkr.
Coburg) brutale Überfälle auf jüdische Bürger. Mit Blick auf die Lage außerhalb
Bayerns sind Angriffe mit teils lebensgefährlich Verletzten etwa in Herne und
Alzey (1929), in Preußisch Holland und Berlin (Kurfürstendamm-Krawall 1931) zu
erwähnen.
Die gewalttätige Offensive radikaler Antisemiten hatte eine
starke Wirkungskraft und zog im Lager der Anhänger und Gegner unterschiedliche
Reaktionen nach sich.
Im demokratischen Lager
bemühte sich vor allem der Centralverein deutscher Staatsbürger jüdischen
Glaubens (CV), die größte jüdische Organisation in der Weimarer Republik, um
eine gerichtliche Ahndung der Vorfälle. Ein Spezialthema der im CV arbeitenden
versierten Juristen wie Wilhelm Levinger (1877-1958) in München oder Ludwig
Foerder (1886-1954) in Breslau war der Kampf gegen antisemitische Gesinnung.
Antisemitismus per se war in der Weimarer Republik nicht strafbar.[208] Ein
Teil der Delikte wurde aber über die Strafgesetzbuch-Paragraphen 166
(Religionsbeschimpfung) und 130 (Aufreizung zum Klassenhaß) geahndet. Der CV
bemühte sich nun, durch Präzedenzurteile den Bogen möglichst weit zu spannen
und alle Äußerungen von Judenfeindschaft juristisch ahnden zu lassen,
scheiterte jedoch letztlich an der zum Teil rechtskonservativen Justiz. So
endete ein Prozess vor dem Nürnberger Schwurgericht im November 1929 kläglich:
Der CV hatte gegen den Herausgeber des "Stürmers", Julius Streicher (NSDAP,
1885-1946), und seinen Redakteur Karl Holz (1895-1945) geklagt - ein Verfahren
mit symbolischer Wirkung, weil der "Stürmer" ein reichsweit
bedeutender Stichwortgeber für vehemente, regional agierende Antisemiten war.
Doch Streicher und Holz wurden trotz großer Bemühungen des CV wegen
Verunglimpfung des Talmuds nach §166 StGB nur zu geringen Strafen verurteilt,
was die NSDAP als Triumph zu verkaufen wusste.
Zugleich ist in den 1920er Jahren ein gesellschaftlicher Trend
zur Ausgrenzung der Juden unverkennbar, der aber sehr uneinheitlich blieb und
nach dem momentanen Forschungsstand nicht quantifiziert werden kann. An den
Universitäten etwa wurden einzelne "jüdischstämmige" Gelehrte
diskreditiert oder gar vertrieben - in München verfolgbar am Streit um den
Chemiker und Nobelpreisträger Richard Willstätter (1872-1942) und den
Staatsrechtler Hans Nawiasky (1880-1961). Große Organisationen wie etwa der
Alpenverein führten schon Mitte der 1920er Jahren de facto einen
"Judenparagraphen" ein, dessen Umsetzung indes im Einzelfall
bezweifelt werden kann. Einzelne Hotels in Oberbayern diskriminierten Juden,
indem sie ihnen die Aufnahme verweigerten. Es gab auch Gegenbeispiele, etwa Bad
Kissingen, wo die Kurverwaltung mit dem CV zusammenarbeitete. Doch der sog.
Bäderantisemitismus - also die Diskriminierung von Juden an Kurorten - griff
weiter um sich.
Die Geschichte der deutschen Juden seit der
Aufklärung ist die Geschichte des allmählichen Hineinwachsens in eine
nichtjüdische - christliche - Gesellschaft, die selbst einem langdauernden
Wandlungs- und Modernisierungsprozess unterworfen war. Die Forderung aus der Emanzipationszeit,
die Juden sollten für die Aufnahme in die deutsche Gesellschaft ihre jüdische
Identität aufgeben, war am Ende der Weimarer Zeit weitgehend erfüllt worden.
Die Mehrheit der jüdischen Staatsbürger betrachtete ihre Religion als
Privatsache und lebte als deutsche Staatsbürger (jüdischen Glaubens) in
Deutschland, das für sie Heimat war. Die Fremdheit zwischen jüdischen und
nichtjüdischen Deutschen war weitgehend geschwunden. Juden und Nichtjuden waren
ununterscheidbar geworden - und gerade diese Tatsache erfüllte die Antisemiten
mit wachsendem Hass. Die Nationalsozialisten, die die Saat der völkischen
Alldeutschen ernteten, stellten dann durch Sondergesetze für die deutschen
Juden und ihre allmähliche gesellschaftliche Ausgrenzung erneut deren Fremdheit
her und kennzeichneten die jüdischen Bürger mit dem gelben Stern.
Wie der Antisemitismus in der Ideologie von
nationalistischen und antidemokratischen Organisationen und Parteien seit
Beginn des 20. Jh. seinen festen Platz hatte, so nahm er in der Programmatik
der Nationalsozialisten von Anfang an eine zentrale Stellung ein. Für sie war
der Kampf gegen die Juden zugleich Ziel und Mittel ihrer Politik. Indem die
Propaganda der NSDAP sowohl das Finanzkapital als auch den Kommunismus für
"jüdisch" erklärte, schuf sie sich eine Möglichkeit,
gesellschaftliche und innenpolitische Probleme in den Kampf gegen einen
gemeinsamen Feind, "die Juden", umzuleiten.[209]
Dann kam der 30. Januar 1933. Der organisierte
Fackelzug in die finstere Nacht, der Beginn von Hitlers Macht. Das Ende der
Emanzipation. Ein gewichtiger Vertreter des emanzipierten deutschen Judentums,
Jakob Wassermann, dessen millionenfach gedruckte Werke in vielen
Bücherschränken standen und der sich als Deutscher und Jude zugleich verstand,
hatte - ungeachtet dieser für ihn unlöslichen Verbindung - Jahre zuvor in
tiefer Resignation festgestellt: "Es ist vergeblich (...) das Volk der
Dichter und Denker zu beschwören. Jedes Vorurteil, das man abgetan glaubt,
bringt, wie Aas die Würmer, tausend neue zutage. Es ist vergeblich, die rechte
Wange hinzuhalten, wenn die linke geschlagen worden ist, (...) sie schlagen
auch die rechte. Es ist vergeblich, in das tobsüchtige Geschrei Worte der
Vernunft zu werfen. Sie sagen: was, er wagt es aufzumucken? Stopft ihm das
Maul. (...) Es ist vergeblich, die Verborgenheit zu suchen. Sie sagen: der
Feigling, er verkriecht sich, sein schlechtes Gewissen treibt ihn dazu. Es ist
vergeblich, unter sie zu gehen und ihnen die Hand zu bieten. Sie sagen: was
nimmt er sich heraus mit seiner jüdischen Aufdringlichkeit? (...) Es ist
vergeblich, das Gift zu entgiften. Sie brauen frisches. Es ist vergeblich, für
sie zu leben und zu sterben. Sie sagen: er ist ein Jude."[210]
Während der Zeit des Nationalsozialismus
steigerte sich in Deutschland der Rassenantisemitismus, der alle
antisemitischen Strömungen vereinigte, zu einem staatstragenden
Vernichtungsantisemitismus. Zwischen 1941 und 1945 wurden ca. 6 Millionen
europäische Juden in Vernichtungslagern fabrikmässig ermordet. Dem
millionenfachen Judenmord ging die ideologisch-geistige Agitation einer Reihe
von Theoretikern seit dem frühen 19. Jahrhundert voraus. Die politische
Romantik, deren geistiger Ahnherr der Philosoph Johann Gottlieb Fichte war, die
deutschtümelnde Publizistik eines Ernst Moritz Arndt oder Friedrich Ludwig Jahn
führten zur sozialdarwinistischen Vorstellung, dass das stärkere Volkstum das
schwächere besiege. Der Siegeszug der Naturwissenschaften, der eng mit dem
Namen Darwin verknüpft ist, fällt zusammen mit der großen Industrialisierung
seit den 1860er Jahren. Die Entwicklung wurde als Ergebnis westlicher
Kulturleistung angesehen, die dazu berechtige, andere Völker zu beherrschen.
Diese Volkstumsdoktrinen, die prinzipiell von
einer Hierarchie der Menschenrassen und von einer konstanten Ungleichwertigkeit
ausgingen und vorgaben, die Deutschen seien als Herrenvolk von der Vorsehung
dazu bestimmt, über andere zu herrschen, waren tradiertes, allgemeines,
pädagogisch abgestütztes Bildungsgut. Die Volkstumsideologen schrieben den Deutschen
alle guten und den Juden alle schlechten Eigenschaften zu, wobei der jüdische
Volkscharakter angeboren und verderbt sei und den Krankheitskeim der Zersetzung
in sich trage. Aus dieser Überhöhung des nationalen Gefühls speiste sich der
aggressive Charakter des manifesten Antisemitismus und wurde sozusagen
musterbildend für die spätere völkische und nationalsozialistische Propaganda.[211]
Innerhalb der Völkergemeinschaft hielten sich die
Volkstumsideologen für biologisch überlegen gegenüber weniger "zivilisierten"
Völkern anderer Hautfarbe und Rasse.[212]
Oswald Spenglers Hauptwerk "Der Untergang des Abendlandes", das nach
dem 1. Weltkrieg mit großem Erfolg herauskam, unterscheidet zwischen
"Kultur" und "Zivilisation". Bei ihm gelten nur die
Deutschen als "kultiviert"; die westlichen Völker bloß als
"zivilisiert". Anders der Osten, der weder als "kultiviert"
noch als "zivilisiert" angesehen wurde. Er wurde als rückständig,
minderwertig und unkultiviert betrachtet.[213]
Die Zweite Marokkokrise 1911 nahm er als Demütigung
des Deutschen Reichs war, dessen Außenpolitik ihm schwächlich erschien. Dies
stellte er später als den Anlass dar, mit der Arbeit an seinem Hauptwerk Der
Untergang des Abendlandes („Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte“)
zu beginnen. Im April 1917 schloss er den ersten Band ab, der im September 1918
erschien, wenige Wochen vor Ende des Ersten Weltkriegs, an dem Spengler wegen
seiner Gesundheitsprobleme nicht hatte teilnehmen können. Die Koinzidenz
zwischen dem unheilverkündenden Titel und der deutschen Niederlage trug zum
fulminanten publizistischen Erfolg des Buches bei. Spengler wurde schlagartig
berühmt und in literarischen, wissenschaftlichen und politischen Kreisen zum
Gegenstand heftiger Debatten und Kontroversen. Der zweite Band erschien 1922.
Während seiner rund zehnjährigen Arbeit an seinem Hauptwerk lebte er isoliert,
litt unter psychischen Problemen und später unter materiellen Schwierigkeiten.
Während seiner Münchner Zeit litt Spengler stark unter seiner sozialen und
intellektuellen Isolierung. „Insgeheim vergleicht er sich mit Deutschland, das
ebenfalls allein ist.“[214]
Er war erschöpft und fühlte sich müde. Dennoch ging er davon aus, dass sein
Werk „epochemachend“ sein würde
Zwischen 1914 und 1917 verfasste Spengler zwei
undatierte Denkschriften, die nur in Fragmenten überliefert sind. Die eine
richtete er an Kaiser Wilhelm II., die andere an den Adel. In seiner
Denkschrift an den Kaiser fordert Spengler, dass die „Monarchie der
republikanischen Herausforderungen mit der Bereitschaft der Selbsterneuerung
begegnen“ müsse.[215]
Vom Adel forderte er, dass er auf seine politischen Privilegien verzichtet. Mit
seiner antiaufklärerischen Kritik forderte Spengler eine demokratische
Elitenbildung, damit „mit großer Wahrscheinlichkeit so starke Begabungen
tatsächlich an der geeigneten Stelle und unter hinreichender Schulung vorhanden
sind, wie das System stillschweigend voraussetzt“. Spenglers Überzeugung war,
dass ein leistungsfähiger Adel in einem monarchischen Staat, der
Aufstiegsmöglichkeiten für Nichtadelige bietet, grundsätzlich besser sei als
eine reine Demokratie.[216]
Rassistische Dünkel Russen oder Polen gegenüber
waren traditionell keine seltene Erscheinung. In den Juden hingegen, zumal aus
Osteuropa stammenden, bündelten sich sämtliche Vorurteile in einem die
menschliche Existenz bedrohenden Rassenantisemitismus.[217]
[1] Aring, P. G.: Die Theologie der Reformationszeit und die
Juden. Unbewältigte Tradition – Enttäuschte Erwartung – „Scharfe
Barmherzigkeit“. In: Günther Bernd Ginzel (Hrsg.): Antisemitismus. Verlag Wissenschaft
und Politik, 1991, S. 100–123, hier S. 103
[2] Wenzel, E. Martin Luther und der mittelalterliche
Antisemitismus, in: Ebenbauer, A./ Zatloukal, K. (Hrsg.): Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt,
Wien 1991, S. 301–319, hier S. 308
[3] Wenzel, E. Martin Luther und der mittelalterliche
Antisemitismus, in: Ebenbauer, A./ Zatloukal, K. (Hrsg.): Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt,
Wien 1991, S. 301–319, hier S. 316
[4] Oberman, H. A.: Wurzeln des Antisemitismus. Christenangst
und Judenplage im Zeitalter von Humanismus und Reformation. 2.,
durchgesehene Auflage, Berlin 1981, S. 49
[5] Wenzel, E. Martin Luther und der mittelalterliche
Antisemitismus, in: Ebenbauer, A./ Zatloukal, K. (Hrsg.): Die Juden in ihrer mittelalterlichen Umwelt,
Wien 1991, S. 301–319, hier S. 312
[6] Kirn, H.-M.: Das Bild vom Juden im Deutschland des frühen
16. Jahrhunderts, Tübingen 1989, S. 23
[7] Aring, P. G.: Die Theologie der Reformationszeit und die
Juden. Unbewältigte Tradition – Enttäuschte Erwartung – „Scharfe
Barmherzigkeit“. In: Günther Bernd Ginzel (Hrsg.): Antisemitismus. Verlag Wissenschaft
und Politik, 1991, S. 100–123, hier S. 108
[8] Oberman, H. A.: Wurzeln des Antisemitismus. Christenangst
und Judenplage im Zeitalter von Humanismus und Reformation. 2.,
durchgesehene Auflage, Berlin 1981, S. 33
[9] Kirn, H.-M.: Das Bild vom Juden im Deutschland des frühen
16. Jahrhunderts, Tübingen 1989, S. 76
[10] Stolle, V.: Israel als Gegenüber Martin Luthers – im
Horizont seiner biblischen Hermeneutik. In: Siegert, F. (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis
in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens,
Göttingen 2000, S. 322–359, hier S. 324
[11] Helmar Junghans: Martin Luther und die Juden. In:
Michael Beyer, Günther Wartenberg, Helmar Junghans (Hrsg.): Spätmittelalter, Luthers Reformation, Kirche
in Sachsen: Ausgewählte Aufsätze, Leipzig 2001, S. 162–189, hier S. 166
[12] Andreas Späth: Luther und die Juden. Verlag für
Kultur und Wissenschaft, Bonn 2001, S. 26
[13] von der Osten-Sacken,
P.: Martin Luther und die Juden – neu
untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31),
Stuttgart 2002, S. 64
[14] von der Osten-Sacken, P.: Martin Luther und die Juden – neu untersucht
anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31),
Stuttgart 2002, S. 73
[15] Helmar Junghans: Martin Luther und die Juden. In: Michael Beyer, Günther
Wartenberg, Helmar Junghans (Hrsg.): Spätmittelalter,
Luthers Reformation, Kirche in Sachsen: Ausgewählte Aufsätze, Leipzig
2001, S. 162–189, hier S. 179
[16] von der Osten-Sacken, P.: Martin Luther und die Juden – neu untersucht
anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31),
Stuttgart 2002, S. 78
[17] Helmar Junghans: Martin Luther und die Juden. In:
Michael Beyer, Günther Wartenberg, Helmar Junghans (Hrsg.): Spätmittelalter, Luthers Reformation, Kirche
in Sachsen: Ausgewählte Aufsätze, Leipzig 2001, S. 162–189, hier S. 172
[18] Kirn, H.-M.: Luther und die Juden. In: Albrecht
Beutel (Hrsg.): Luther Handbuch,
Tübingen 2005, S. 217–225, hier S. 220
[19] von der Osten-Sacken,
P.: Martin Luther und die Juden – neu
untersucht anhand von Anton Margarithas „Der gantz Jüdisch glaub“ (1530/31),
Stuttgart 2002, S. 112
[20] Stolle, V.: Israel als Gegenüber Martin Luthers – im
Horizont seiner biblischen Hermeneutik. In: Siegert, F. (Hrsg.): Israel als Gegenüber: Vom Alten Orient bis
in die Gegenwart. Studien zur Geschichte eines wechselvollen Zusammenlebens,
Göttingen 2000, S. 322–359, hier S. 345
[21] Kirn, H.-M.: Luther und die Juden. In: Albrecht
Beutel (Hrsg.): Luther Handbuch,
Tübingen 2005, S. 217–225, hier S. 224
[22] Andreas Späth: Luther und die Juden. Verlag für
Kultur und Wissenschaft, Bonn 2001, S. 31
[23] Pulzer, P. G.: Die Entstehung des politischen
Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867–1914, Göttingen 2004,
S. 72
[24] Pfahl-Traughber, A.: Antisemitismus in der deutschen Geschichte,
Wiesbaden 2002, S. 62
[25] Hans-Günther Zmarzlik: Der Antisemitismus im Zweiten Reich.
In: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht. GWU 14, 1963, S. 273–286, hier S. 281
[26] Pulzer, P. G.: Die Entstehung des politischen
Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867–1914, Göttingen 2004,
S. 233
[27] Seeber, G.: Zum Kampf der deutschen Sozialdemokratie
gegen den Antisemitismus im Kaiserreich. (Texte zur politischen Bildung,
16). Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Leipzig 1999, S. 7–17, hier S. 12
[28] Hans-Günther Zmarzlik: Der Antisemitismus im Zweiten Reich.
In: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht. GWU 14, 1963, S. 273–286, hier S. 283
[29] Aly, G.: Warum die Deutschen? Warum die Juden?
Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800 bis 1933, Frankfurt am Main 2011,
S. 32
[30] Ferrari Zumbini, M.: Die Wurzeln des Bösen. Gründerjahre des
Antisemitismus von der Bismarckzeit bis Hitler, Frankfurt am Main 2003,
S. 72
[31] Seeber, G.: Zum Kampf der deutschen Sozialdemokratie
gegen den Antisemitismus im Kaiserreich. (Texte zur politischen Bildung,
16). Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Leipzig 1999, S. 7–17, hier S. 10
[32] Hans-Günther Zmarzlik: Der Antisemitismus im Zweiten Reich.
In: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht. GWU 14, 1963, S. 273–286, hier S. 280
[33] Pfahl-Traughber, A.: Antisemitismus in der deutschen Geschichte,
Wiesbaden 2002,S. 85
[34] Ferrari Zumbini, M.: Die Wurzeln des Bösen. Gründerjahre des
Antisemitismus von der Bismarckzeit bis Hitler, Frankfurt am Main 2003,
S. 90
[35] Aly, G.: Warum die Deutschen? Warum die Juden?
Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800 bis 1933, Frankfurt am Main 2011,
S. 127f
[36] Seeber, G.: Zum Kampf der deutschen Sozialdemokratie
gegen den Antisemitismus im Kaiserreich. (Texte zur politischen Bildung,
16). Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen, Leipzig 1999, S. 7–17, hier S. 16f
[37] Hans-Günther Zmarzlik: Der Antisemitismus im Zweiten Reich.
In: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht. GWU 14, 1963, S. 273–286, hier S. 274
[38] Aly, G.: Warum die Deutschen? Warum die Juden?
Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800 bis 1933, Frankfurt am Main 2011,
S. 74
[39] Pulzer, P. G.: Die Entstehung des politischen
Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867–1914, Göttingen 2004,
S. 54
[40] Hans-Günther Zmarzlik: Der Antisemitismus im Zweiten Reich.
In: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht. GWU 14, 1963, S. 273–286, hier S. 279
[41] Ferrari Zumbini, M.: Die Wurzeln des Bösen. Gründerjahre des
Antisemitismus von der Bismarckzeit bis Hitler, Frankfurt am Main 2003,
S. 75
[42] Aly, G.: Warum die Deutschen? Warum die Juden? Gleichheit, Neid und Rassenhass
1800 bis 1933, Frankfurt am Main 2011, S. 97ff
[43] Hans-Günther Zmarzlik: Der Antisemitismus im Zweiten Reich.
In: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht. GWU 14, 1963, S. 273–286, hier S. 283
[44] Aly, G.: Warum die Deutschen? Warum die Juden?
Gleichheit, Neid und Rassenhass 1800 bis 1933, Frankfurt am Main 2011,
S. 80
[45] Graetz, M.: Jüdische Aufklärung,in: Breuer,M. Graetz, M.: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit,
Band 1, Tradition und Aufklärung 1600–1780, München 2000, S. 251-351,
hier S. 253
[46] Feiner, S.: Haskala – Jüdische Aufklärung. Geschichte
einer kulturellen Revolution. Hildesheim / Zürich / New York 2007, S. 76
[47] Graetz, M.: Jüdische Aufklärung,in:
Breuer,M. Graetz, M.: Deutsch-jüdische
Geschichte in der Neuzeit, Band 1, Tradition und Aufklärung 1600–1780,
München 2000, S. 251-351, hier S. 269
[48] Lauer, G.: Die Rückseite der Haskala. Geschichte einer
kleinen Aufklärung, Göttingen 2008, S. 47
[49] Feiner, S.: Haskala – Jüdische Aufklärung. Geschichte
einer kulturellen Revolution. Hildesheim / Zürich / New York 2007, S. 28
[50] Graetz, M.: Jüdische Aufklärung,in: Breuer,M. Graetz, M.: Deutsch-jüdische Geschichte in der Neuzeit,
Band 1, Tradition und Aufklärung 1600–1780, München 2000, S. 251-351,
hier S. 265
[51] Gründer,
K./Rotenstreich, N.: Aufklärung und
Haskala in jüdischer und nichtjüdischer Sicht, Tübingen 1990, S. 34
[52] Lauer, G.: Die Rückseite der Haskala. Geschichte einer
kleinen Aufklärung, Göttingen 2008, S. 89
[53] Eva G. Reichmann: Die Flucht in den Hass. 7.
Auflage.1969, S. 35
[54] Ferrari Zumbini, M.: Die Wurzeln des Bösen. Gründerjahre des
Antisemitismus von der Bismarckzeit bis Hitler, Frankfurt am Main 2003,
S. 39f
[55] Clemens Brentano, Der Philister vor, in
und nach der Geschichte. scherzhafte Abhandlung, in: ders., Werke, 2 Bde,
München 1973, S.959-1016
[56] Heinrich Heine, Almansor. Eine Tragödie,
in: ders., Sämtliche Schriften Bd. 1, hg. v. Klaus Briegleb, Frankfurt/Main/Berlin/Wien
1981, S.284f
[57] Walter Grab, Der preussisch-deutsche Weg
der Judenemanzipation 1789-1938, München 1991, S.15
[58] Friedrich Ludwig Jahn, Deutsches
Volkstum (1806), zit. nach: Ludger Graf v. Westphalen, Geschichte des
Antisemitismus in Deutschland im 19. und 20. Jh. (= Quellen- und Arbeitshefte
zur Geschichte und Politik), Stuttgart 1971, S.15
[59] Ernst Moritz Arndt, Ein Blick aus der
Zeit auf die Zeit (1814), zit. nach: Ebd., S.16
[60] Heinrich Heine, Bekenntnis, zit. nach:
Julius Höxter, Quellenbuch zur jüdischen Geschichte und Literatur, 5. Teil.
Neueste Zeit: 1789 bis zur Gegenwart, FfM 1930, S.98f
[61] Christian Ludwig Palzow, über das
Bürgerrecht der Juden, übersetzt von einem Juden, Berlin 1803, S.98f
[62] Zum Wort und zur Bedeutung des
"Hepp-Hepp"-Rufes vgl. die überzeugenden Erklärungen bei: Alex Bein,
Die Judenfrage. Biographie eines Weltproblems, Bd.2, Anmerkungen, Exkurse,
Register, Stuttgart 1980, S.160ff
[63] Gehring-Münzel, U. Vom Schutzjuden zum Staatsbürger: Die
gesellschaftliche Integration der Würzburger Juden 1803-1871, Würzburg
1992, S. 121
[64] Eva Reichmann, Flucht in den Hass. Die
Ursachen der deutschen Judenkatastrophe, Frankfurt/Main o.J. (1956)
[65] Gehring-Münzel, U. Vom Schutzjuden zum Staatsbürger: Die
gesellschaftliche Integration der Würzburger Juden 1803-1871, Würzburg
1992, S. 124
[66] Katz, J.: Die Hep-Hep-Verfolgungen des Jahres 1819, Berlin 1994, S. 87ff
[67]Sterling, E.: Anti-Jewish Riots in Germany in 1819: A
Displacement of Social Protest. Historia Judaica 12/1950, S. 105-142,
hier S. 121
[68] Rohrbacher, S.: Deutsche Revolution und antijüdische Gewalt
(1815-1848/49). In Alter, P./ Bärsch, E./Berghoff, P. (Hrsg.): Die Konstruktion der Nation gegen die Juden.
München, 1999, S. 29-47, hier S. 30
[69] Sterling, E. Judenhaß. Die Anfänge des politischen
Antisemitismus in Deutschland (1815-1850), 2. überarbeitete und
erweiterte Ausgabe, Marburg1969, S. 75
[70] Rohrbacher, S.: Deutsche Revolution und antijüdische Gewalt
(1815-1848/49). In Alter, P./ Bärsch, E./Berghoff, P. (Hrsg.): Die Konstruktion der Nation gegen die Juden.
München, 1999, S. 29-47, hier S. 33
[71]Sterling, E.: Anti-Jewish Riots in Germany in 1819: A
Displacement of Social Protest. Historia Judaica 12/1950, S. 105-142,
hier S. 124
[72] Katz, J.: Die Hep-Hep-Verfolgungen des Jahres 1819,
Berlin 1994, S. 65
[73] Rohrbacher, S.: Deutsche Revolution und antijüdische Gewalt
(1815-1848/49). In Alter, P./ Bärsch, E./Berghoff, P. (Hrsg.): Die Konstruktion der Nation gegen die Juden.
München, 1999, S. 29-47, hier S. 38
[74]Sterling, E.: Anti-Jewish Riots in Germany in 1819: A
Displacement of Social Protest. Historia Judaica 12/1950, S. 105-142,
hier S. 132
[75]Sterling, E. Judenhaß. Die
Anfänge des politischen Antisemitismus in Deutschland (1815-1850), 2. überarbeitete und
erweiterte Ausgabe, Marburg1969, S. 108
[76] Katz, J.: Die Hep-Hep-Verfolgungen des Jahres 1819,
Berlin 1994, S. 52
[77] Ernest Hamburger, Juden im öffentlichen
Leben Deutschlands, Tübingen 1968, S.70
[78] Neue Preussische Zeitung, Nr. 120/1850
[79] Ebd
[80] Pfahl-Traughber, A.: Antisemitismus in der deutschen Geschichte,
Wiesbaden 2002, S. 102
[81] Bruno Bauer, in: Hermann Wagener, Staats-
und Gesellschaftslexikon, 23 Bde, Berlin 1859-1867, hier: Bd.7, S.11f
[82] Ebd.
[83] Ferrari Zumbini, M.: Die Wurzeln des Bösen. Gründerjahre des
Antisemitismus von der Bismarckzeit bis Hitler, Frankfurt am Main 2003,
S. 87ff
[84] Ebd., S. 90
[85] Eduard Bernstein, Die Geschichte der
Berliner Arbeiter-Bewegung, 2.Teil. Neudruck: Glashütten 1972, S.59
[86] Koch, G.: Adolf Stoecker 1835–1909. Ein Leben zwischen
Politik und Kirche (= Erlanger
Studien. Bd. 101),Erlangen/Jena
1993, S. 106
[87] Kampmann, W.: Adolf Stoecker und die Berliner Bewegung.
In: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht. 13 (1962), S. 558–579, hier S. 559
[88] Opfermann, U. F.: „Im Volksleib schlimmer als der Tuberkulosen-Bazillus“.
Zu Verbreitung und Rezeption des christlich-sozialen Antisemitismus 1881–1914.
In: Siegener Beiträge. Jahrbuch für
regionale Geschichte, 11 (2006), S. 109–146; 12 (2007), S. 81–113, hier
S. 97
[89] Kampmann, W.: Adolf Stoecker und die Berliner Bewegung.
In: Geschichte in Wissenschaft und
Unterricht. 13 (1962), S. 558–579, hier S. 564
[90] Pulzer, P. G. J.: Die Entstehung des politischen
Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1876–1914. Göttingen 2004,
S. 87
[91] Massing, P. W.: Vorgeschichte des politischen
Antisemitismus. Frankfurt a. M. 1959, S. 75
[92] Koch, G.: Adolf Stoecker 1835–1909. Ein Leben zwischen Politik und Kirche
(= Erlanger Studien. Bd.
101),Erlangen/Jena 1993, S.18
[93] Pulzer, P. G. J.: Die Entstehung des politischen
Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1876–1914. Göttingen 2004,
S. 74
[94] Opfermann, U. F.: „Im Volksleib schlimmer als der
Tuberkulosen-Bazillus“. Zu Verbreitung und Rezeption des christlich-sozialen
Antisemitismus 1881–1914. In: Siegener
Beiträge. Jahrbuch für regionale Geschichte, 11 (2006), S. 109–146; 12
(2007), S. 81–113, hier S, 90
[95] Koch, G.: Adolf Stoecker 1835–1909. Ein Leben zwischen
Politik und Kirche (= Erlanger
Studien. Bd. 101),Erlangen/Jena
1993, S.92
[96] Erlangen/Jena 1993,
Massing,
P. W.: Vorgeschichte des politischen
Antisemitismus. Frankfurt a. M. 1959, S. 133
[97] Wawrzinek, K,: Die Entstehung der deutschen
Antisemitenparteien 1873 - 1890, 2. Auflage Vaduz 1965, S. 15f
[98]
Ebd., S. 17
[99] G. J. Pulzer: Die Entstehung des politischen
Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 - 1914. Mit einem
Forschungsbericht des Autors. Reihe: Erich Maria Remarque
Jahrbuch-Yearbook, Göttingen 2004, S. 86
[100]
Wawrzinek, K,: Die Entstehung der deutschen
Antisemitenparteien 1873 - 1890, 2. Auflage Vaduz 1965, S. 79
[101]
Wawrzinek, K,: Die Entstehung der deutschen
Antisemitenparteien 1873 - 1890, 2. Auflage Vaduz 1965, S. 43
[102]
Engelmann, H. Die Entwicklung des Antisemitismus im 19.
Jahrhundert und Adolf Stoeckers 'Antijüdische Bewegung' ,. Erlangen,
1953, S. 62
[103]
G. J. Pulzer: Die Entstehung des politischen
Antisemitismus in Deutschland und Österreich 1867 - 1914. Mit einem
Forschungsbericht des Autors. Reihe: Erich Maria Remarque
Jahrbuch-Yearbook, Göttingen 2004, S. 89
[104]
Wawrzinek, K,: Die Entstehung der deutschen Antisemitenparteien
1873 - 1890, 2. Auflage Vaduz 1965, S. 110
[105]
Engelmann, H. Die Entwicklung des Antisemitismus im 19.
Jahrhundert und Adolf Stoeckers 'Antijüdische Bewegung' ,. Erlangen,
1953, S. 85
[106]
Wawrzinek, K,: Die Entstehung der deutschen Antisemitenparteien
1873 - 1890, 2. Auflage Vaduz 1965, S. 112ff
[107]
Engelmann, H. Die Entwicklung des Antisemitismus im 19.
Jahrhundert und Adolf Stoeckers 'Antijüdische Bewegung' ,. Erlangen,
1953, S. 45ff
[108]
Opfermann, U. F.: „Im Volksleib schlimmer als der Tuberkulosen-Bazillus“.
Zu Verbreitung und Rezeption des christlich-sozialen Antisemitismus 1881–1914.
In: Siegener Beiträge. Jahrbuch für
regionale Geschichte, 11 (2006), S. 109–146; 12 (2007), S. 81–113, hier
S. 110
[109]
Wawrzinek, K,: Die Entstehung der deutschen Antisemitenparteien
1873 - 1890, 2. Auflage Vaduz 1965, S. 115
[110]
Bajohr, F.: Unser Hotel ist judenfrei.
Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2003,
S. 21
[111]
Bajohr, F.: Judenfeindschaft – transatlantisch. Der
Antisemitismus in Seebädern, Kurorten und „Summer Resorts“ in Deutschland und
den USA im 19. und 20. Jahrhundert. In: Zeitgeschichte in Hamburg. Nachrichten aus der Forschungsstelle für
Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) (2003), Hamburg 2003, S. 57–76, hier S.
62
[112]
Gold, H./Heuberger,
G.: Abgestempelt. Judenfeindliche
Postkarte,Bonn 2001, S. 66
[113]
Bajohr, F.: Unser Hotel ist judenfrei.
Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2003,
S. 66
[114]
Bajohr, F.: Judenfeindschaft – transatlantisch. Der
Antisemitismus in Seebädern, Kurorten und „Summer Resorts“ in Deutschland und
den USA im 19. und 20. Jahrhundert. In: Zeitgeschichte in Hamburg. Nachrichten aus der Forschungsstelle für
Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) (2003), Hamburg 2003, S. 57–76, hier S.
70
[115]
Bajohr, F.: Unser Hotel ist judenfrei.
Bäder-Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2003,
S. 52
[116] Von den führenden Sozialdemokraten hat
Wilhelm Hasenclever - unter dem Pseudonym "Revel" - eine
sozialdemokratische Antwort auf die Stöcker-Bewegung verfasst, wobei er selbst
einem latenten Antisemitismus das Wort redete. Siehe dazu: Wilhelm Revel, Der
Wahrheit die Ehre. Ein Beitrag zur Judenfrage in Deutschland, in: Wilhelm
Hasenclever. Reden und Schriften, hg. u. eingel. v. Ludger Heid / Klaus-Dieter
Vinschen / Elisabeth Heid, Bonn 1989, S.181-206
[117] Zur sozialdemokratischen Gegenbewegung
vgl. Bernstein, Berliner Arbeiter-Bewegung, 2. Teil, S. 58-80, u. Paul W.
Massing, Vorgeschichte des politischen Antisemitismus, Frankfurt/Main 1959,
S.180ff
[118]
Eva G. Reichmann: Die Flucht in den Hass. 7.
Auflage.1969, S. 53
[119]
Walter Grab, Der
preussisch-deutsche Weg der Judenemanzipation, a.a.O., S.29
[120]
Eva G. Reichmann: Die Flucht in den Hass. 7.
Auflage.1969, S. 66ff
[121]
Pfahl-Traughber,
A.: Antisemitismus in der deutschen
Geschichte, Wiesbaden 2002, S. 108
[122]
Wilhelm Marr, Der Sieg des
Judentums über das Germanentum, Bern 1879
[123]
Heinrich v. Treitschke, Unsere
Aussichten, in: Preussische Jahrbücher, Nov. 1879, zit. nach: Der Berliner
Antisemitismusstreit, hg. v. Walter Böhlich, FfM 1965, S.11
[124]
Bergmann, W.: Ein „weltgeschichtliches ‚Fatum‘“. Wilhelm
Marrs antisemitisches Geschichtsbild in seiner Schrift: „Der Sieg des Judentums
über das Germanenthum“, in: Ders./Ulrich Sieg (Hrsg.): Antisemitische Geschichtsbilder (=
Antisemitismus: Geschichte und Strukturen, Band 5); Essen2009, S. 61–82, hier S. 68
[125]
Gerlach, A.: Deutsche Literatur im Schweizer Exil. Die
politische Propaganda der Vereine deutscher Flüchtlinge und Handwerksgesellen
in der Schweiz von 1833 bis 1845; Studien zur Philosophie und Literatur
des neunzehnten Jahrhunderts 26; Frankfurt am Main 1975, S. 64
[126]
Bergmann, W.: Ein „weltgeschichtliches ‚Fatum‘“. Wilhelm
Marrs antisemitisches Geschichtsbild in seiner Schrift: „Der Sieg des Judentums
über das Germanenthum“, in: Ders./Ulrich Sieg (Hrsg.): Antisemitische Geschichtsbilder (=
Antisemitismus: Geschichte und Strukturen, Band 5); Essen2009, S. 61–82, hier S. 76
[127] Young, E:J.:
Gobineau und der Rassismus. Eine Kritik der anthropologischen Geschichtstheorie,
Meisenheim am Glan 1968, S. 15.
[128] Large, D. C.:
Ein Spiegelbild des Meisters? Die Rassenlehre von Houston Stewart Chamberlain,
in: Borchmeyer, D. (Hrsg.): Richard Wagner und die Juden, Stuttgart 2000, S.
144-159, hier S. 149
[129] Biddiss, M.: Father of Racist Ideology. The
Social and Political Thought of Count Gobineau, London 1970, S. 12.
[130] Breuer,
Ordnungen der Ungleichheit- die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen
1871-1945, a.a.O., S. 49.
[131] Breuer, S.:
Ordnungen der Ungleichheit- die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen
1871-1945, Darmstadt 2001, S. 89
[132] Gobineau,
Versuch über die Ungleichheit der Menschenracen, a.a.O., Band 4, S. 319.
[133] Geulen, C.:
Geschichte des Rassismus, München 2007, S. 72.
[134] Schemann,
K.L.: Gobineaus Rassenwerk: Aktenstücke und Betrachtungen zur Geschichte und
Kritik des „Essai sur l’inégalité des races humaines“, Stuttgart 1910, S. 23
[135] Breuer,
Ordnungen der Ungleichheit- die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen
1871-1945, a.a.O., S. 51.
[136] Hartwich,
W.-D.: Richard Wagners ästhetische Herrschaftsform. Zur Soziologie der
„Bayreuther Idee“, in: Faber, R./Holste, C. (Hrsg.): Kreise-Gruppen-Bünde,
Würzburg 2000, S. 307-328, hier S. 314ff.
[137] Weiner, M.A.:
Antisemitische Fantasien. Die Musikdramen Richard Wagners, Berlin 2000, S. 45
[138] Vgl dazu die
im Jahre 1849 erschienene Schrift „Die Kunst und die Revolution“ in Weiner,
M.A.: Antisemitische Fantasien. Die Musikdramen Richard Wagners, Berlin 2000.
[139] Fischer, J.M.:
Richard Wagners „Das Judentum in der Musik“, Eine kritische Dokumentation als
Beitrag zur Geschichte des europäischen Antisemitismus, Frankfurt/Main 2000, S.
15.
[140] Zitiert aus
Ebd., S. 68.
[141] Ebd., S. 73.
[142] Hartwich,
W.-D.: Richard Wagners ästhetische Herrschaftsform. Zur Soziologie der
„Bayreuther Idee“, in: Faber, R./Holste, C. (Hrsg.): Kreise-Gruppen-Bünde,
Würzburg 2000, S. 307-328, hier S. 321
[143] Rose, P.L.:
Wagner und der Antisemitismus, Zürich 1999, S. 267.
[144] Ebd., S. 274.
[145] Field, G. G.: Evangelist of Race. The Germanic Vision of Houston Stewart Chamberlain, New York 1981, S.
43ff.
[146] Large, D.C.:
Ein Spiegelbild des Meisters? Die Rassenlehre von Houston Stewart Chamberlain,
in: Borchmeyer, D. (Hrsg.): Richard Wagner und die Juden, Stuttgart 2000, S.
144-159, hier S. 146f
[147] Deschner, G.:
Gobineau und Deutschland. Der Einfluss von Gobineaus „Essai sur l’inégalité des
races humaines“ auf die deutsche Geistesgeschichte 1853-1917, Erlangen 1968, S.
154.
[148] Field, G. G.: Evangelist of Race. The Germanic Vision of Houston Stewart Chamberlain, New York 1981, S.
43ff.
[149] Geulen,
Geschichte des Rassismus, a.a.O., S. 88.
[150] Schlechta, K. (Hrsg.): Friedrich Nietzsche.
Sämtliche Werke in drei Bänden, München 1966, Band 2, S. 776f.
[151] von Klemperer,
K.: Arthur Moeller van den Bruck, in: Neue Deutsche Biographie, Band 17, Berlin
2004, S. 650-652, hier S. 650
[152] Osterhammel,
J.: Kolonialismus. Geschichte, Formen, Folgen, München 1995, S. 24
[153] Breuer,
Ordnungen der Ungleichheit- die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen
1871-1945, a.a.O., S. 52.
[154] Schlechta,
Friedrich Nietzsche, a.a.O., Band 1, S. 1182.
[155] Colli,
G./Montinari, M. (Hrsg.): Friedrich Nietzsche. Sämtliche Werke, 15. Bände,
München 1988, Band 9, S. 87f.
[156] Zit. nach: E.V.v. Rudolf, Georg Ritter
v. Schönerer, der Vater des politischen Antisemitismus, o.O. 1936, S.61
[157]
Otto Glagau, Der Börsen- und
Gründungsschwindel, in: Die Gartenlaube 1876, zit. nach: Die Zerstörung der
deutschen Politik. Dokumente 1871-1933, hg. v. Harry Pross, FfM 1983, S.259
[158]
Bergmann, W.: Deutschland, in: Benz, W. (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus.
Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 1: Länder und Regionen, München
2008,S. 91
[159]
Fricke, D.: Antisemitische Parteien 1879–1894.
In: ders. (Hrsg.): Die bürgerlichen
Parteien in Deutschland. Handbuch der Geschichte der bürgerlichen Parteien und
anderer bürgerlicher Interessenorganisationen vom Vormärz bis zum Jahre 1945.
Band 1, Leipzig 1968, S. 36–40., hier S. 39
[160]
Fricke, D.: Die Organisation der antisemitischen
Deutsch-Sozialen Reformpartei 1894–1900. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 29 (1981), S. 427–442,
hier S. 432
[161]
Fricke, D.: Die Organisation der antisemitischen
Deutsch-Sozialen Reformpartei 1894–1900. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 29 (1981), S. 427–442,
hier S. 439
[162]
Bergmann, W.: Deutschland, in: Benz, W. (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus.
Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 1: Länder und Regionen, München 2008, S.
93
[163] Wilhelm Busch, Die fromme Helene
(Lenchen kommt aufs Land). Zit. nach: ders., Und die Moral von der Geschicht,
hg. v. Rolf Hochhuth, Gütersloh o.J. (1959), S.559
[164]
Pfahl-Traughber,
A.: Antisemitismus in der deutschen
Geschichte, Wiesbaden 2002, S. 92
[165]
Houston St. Chamberlain, Die
Grundlagen des 19. Jahrhunderts. Volksausgabe, München 1909, S.312
[166]
Paul de Lagarde, Juden und
Indogermanen, Göttingen 1888, S.339
[167]
Eva G. Reichmann: Die Flucht in den Hass. 7.
Auflage.1969, S. 97
[168]
Daniel Frymann (i.e. Heinrich
Class), Wenn ich Kaiser wär'. Politische Wahrheiten und Notwendigkeiten,
Leipzig 1912
[169]
Jüdische Rundschau Nr.32, 7.8.1914
[170] Houston Steward Chamberlain,
Kriegsaufsätze, München 1915, S.46
[171]
Pfahl-Traughber,
A.: Antisemitismus in der deutschen
Geschichte, Wiesbaden 2002, S. 129
[172]
Schoeps,
J.H./Simon, H. (Hrsg.): Dreyfus und
die Folgen, Berlin 1995,S. 113
[173]
Jakob Wassermann, Mein Weg als
Deutscher und Jude, Berlin 1921, S.38f
[174]Johnson, M. P.: The Dreyfus Affair - Honour and Politics in
the Belle Époque, Basingstoke 1999, S. 74
[175]
Schoeps,
J.H./Simon, H. (Hrsg.): Dreyfus und
die Folgen, Berlin 1995, S. 81ff
[176]
Kotowski, E—V./Schoeps,
J. H. (Hrsg.): J’accuse…! …ich klage
an! Zur Affäre Dreyfus. Eine Dokumentation. Begleitkatalog zur
Wanderausstellung in Deutschland Mai bis November 2005. Hrsg. im Auftrag
des Moses-Mendelssohn-Zentrum, Potsdam 2005, S. 6f
[177]
Pagès, A. (Hrsg): Emile Zola - Die Dreyfus-Affäre; Artikel -
Interviews - Briefe. Übersetzt und ergänzt von Karl Zieger, Innsbruck
1998, S. 19
[178]
Schoeps,
J.H./Simon, H. (Hrsg.): Dreyfus und
die Folgen, Berlin 1995, S. 89ff
[179]
Pfahl-Traughber,
A.: Antisemitismus in der deutschen
Geschichte, Wiesbaden 2002, S. 135
[180]
Bergmann, W.: Geschichte des Antisemitismus,
München 2002, S. 134
[181]
Bergmann, W.: Geschichte des Antisemitismus,
München 2002, S. 138
[182]
Katz, J.: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der
Antisemitismus 1700–1933, München 1989, S. 38
[183]
Claussen, D.: Grenzen der Aufklärung: Zur
gesellschaftlichen Geschichte des modernen Antisemitismus, Frankfurt am
Main 1987,S. 64
[184]
Goldenbogen, N.
(Hrsg.): Antisemitismus und
Massenmord. Beiträge zur Geschichte der Judenverfolgung. (Texte zur
politischen Bildung, 16), Leipzig 1994, S. 64
[185]
Claussen ,
D.(Hrsg.): Vom Judenhaß zum
Antisemitismus. Materialien einer verleugneten Geschichte., Darmstadt
1988,S. 62
[186]
Katz, J.: Vom Vorurteil bis zur Vernichtung. Der
Antisemitismus 1700–1933, München 1989, S. 62
[187]
Claussen, D.: Grenzen der Aufklärung: Zur
gesellschaftlichen Geschichte des modernen Antisemitismus, Frankfurt am
Main 1987,S. 75
[188]
Goldenbogen, N.
(Hrsg.): Antisemitismus und
Massenmord. Beiträge zur Geschichte der Judenverfolgung. (Texte zur
politischen Bildung, 16), Leipzig 1994, S. 72
[189]
Zit. nach: Rhein- und Ruhrzeitung
Nr.550, Duisburg, 27.10.1918
[190] 30 Protokoll der Sitzung der
Hauptleitung und des geschäftsführenden Ausschusses am 19. und 20. Oktober 1918
in Berlin, zit. nach: Werner Jochmann, Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft
in Deutschland 1870-1945, Hamburg 1988, S.120
[191] Heinrich v. Kleist, Germania an ihre
Kinder. Dort heisst es: "Schlagt ihn tot! Das Weltgericht fragt euch nach
den Gründen nicht!"
[192] 32 zit. nach: W. Jochmann,
Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft, a.a.O., S.121
[193]
Hans Knodn am 11. Mai 1920 an
Ministerpräsident v. Kahr, Bayr. Hauptstaats-Archiv, Allg. StA, M Inn 66282,
zt. nach: W. Jochmann, Gesellschaftskrise und Judenfeindschaft, a.a.O., S.144
[194]
Eva G. Reichmann: Die Flucht in den Hass. 7.
Auflage.1969, S. 121
[195]
Thöndl, M.: Die Jahre der Entscheidung im faschistischen Imperium. Die Rezeption
von Oswald Spengler in Mussolinis Italien, in: Gasimov, Z./Lemke Duque,
C. A. (Hrsg.), Oswald Spengler als
europäisches Phänomen. Der Transfer der Kultur- und Geschichtsmorphologie im
Europa der Zwischenkriegszeit 1919–1939, Göttingen 2013
(Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft
99), S. 239–262, hier S. 254
[196]
Pfahl-Traughber,
A.: Antisemitismus in der deutschen
Geschichte, Wiesbaden 2002, S. 131
[197][197]
Judas Schuldbuch. Eine deutsche
Abrechnung von Wilhelm Meister (i.e. Paul Bang), München 1919. - Wie viele
Antisemiten stand Bang nicht mit seinem Namen für diese Propagandabroschüre
ein. Sie erschien im März 1919 in 1. Auflage und erreichte bis August 1920
insgesamt 6 Auflagen mit über 30.000 Exemplaren.
[198]
Uebelhart, M.: Eine endlos plagiierte Fälschung und ihre
Hehler. Carl Albert Loosli und die „Protokolle der Weisen von Zion“. In:
Jochen Bung, Malte-Christian Gruber, Sebastian Kühn (Hrsg.): Plagiate. Fälschungen, Imitate und andere
Strategien aus zweiter Hand, Berlin 2011, S. 55–72, hier S. 56
[199]
Sammons, J. L.
(Hrsg.): Die Protokolle der Weisen von
Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus. Eine Fälschung. Text und
Kommentar. 6. Auflage, Göttingen 2011 , S. 37
[200]
Tarach, T.: Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die „Protokolle der Weisen von
Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt. Mit
einem Geleitwort von Henryk M. Broder. 3. überarbeitete Auflage, Freiburg
(Breisgau) 2010, S. 48
[201]
Uebelhart, M.: Eine endlos plagiierte Fälschung und ihre
Hehler. Carl Albert Loosli und die „Protokolle der Weisen von Zion“. In:
Jochen Bung, Malte-Christian Gruber, Sebastian Kühn (Hrsg.): Plagiate. Fälschungen, Imitate und andere
Strategien aus zweiter Hand, Berlin 2011, S. 55–72, hier S. 67
[202]
Sammons, J. L.
(Hrsg.): Die Protokolle der Weisen von
Zion. Die Grundlage des modernen Antisemitismus. Eine Fälschung. Text und Kommentar.
6. Auflage, Göttingen 2011 , S. 68
[203]
Tarach, T.: Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die
„Protokolle der Weisen von Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im
Nahostkonflikt. Mit einem Geleitwort von Henryk M. Broder. 3.
überarbeitete Auflage, Freiburg (Breisgau) 2010, S. 110
[204]
Tilly, M.: Die „Protokolle der Weisen von Zion“ und der
Mythos der jüdischen Weltverschwörung. In: Sachor. Beiträge zur jüdischen Geschichte. Bd. 19, Essen 2000,
S. 67–75, hier S. 72
[205]
Uebelhart, M.: Eine endlos plagiierte Fälschung und ihre
Hehler. Carl Albert Loosli und die „Protokolle der Weisen von Zion“. In:
Jochen Bung, Malte-Christian Gruber, Sebastian Kühn (Hrsg.): Plagiate. Fälschungen, Imitate und andere
Strategien aus zweiter Hand, Berlin 2011, S. 55–72, hier S. 70
[206]
Eva G. Reichmann: Die Flucht in den Hass. 7.
Auflage.1969, S. 145
[207]
W. Jochmann, Gesellschaftskrise und
Judenfeindschaft, a.a.O., S.143
[208]
Pfahl-Traughber, A.: Antisemitismus in der deutschen Geschichte,
Wiesbaden 2002, S. 156
[209]
Eva G. Reichmann: Die Flucht in den Hass. 7.
Auflage.1969, S. 132f
[210]
J. Wassermann, Mein Weg als Deutscher und
Jude, a.a.O., S.122f
[211]
Zum Axiom konstanter,
unveränderbarer und kollektiver nationaler Mentalitäten und zur Rassendoktrin
der romantischen Volkstumsideologen vgl. Walter Grab, Aspekte der
Judenemanzipation in Tagesliteratur und Publizistik 1848-1869, in: Ders., Der
deutsche Weg der Judenemanzipation, a.a.O., S.108-133, bes. S.123
[212]
Pfahl-Traughber,
A.: Antisemitismus in der deutschen
Geschichte, Wiesbaden 2002, S. 142
[213]
Thöndl, M.: Die Jahre der Entscheidung im faschistischen
Imperium. Die Rezeption von Oswald Spengler in Mussolinis Italien, in:
Gasimov, Z./Lemke Duque, C. A. (Hrsg.), Oswald
Spengler als europäisches Phänomen. Der Transfer der Kultur- und Geschichtsmorphologie
im Europa der Zwischenkriegszeit 1919–1939, Göttingen 2013
(Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft
99), S. 239–262, hier S. 243
[214]
Vollnhals, C. Praeceptor Germaniae. Spenglers politische
Publizistik. In: Völkische
Bewegung – Konservative Revolution – Nationalsozialismus. Aspekte einer
politischen Kultur. Hrsg. von Walter Schmitz und Clemens Vollnhals. Thelem,
Dresden 2005, S. 117–137, hier S. 128
[215]
Thöndl, M.: Die Jahre der Entscheidung im faschistischen
Imperium. Die Rezeption von Oswald Spengler in Mussolinis Italien, in:
Gasimov, Z./Lemke Duque, C. A. (Hrsg.), Oswald
Spengler als europäisches Phänomen. Der Transfer der Kultur- und
Geschichtsmorphologie im Europa der Zwischenkriegszeit 1919–1939,
Göttingen 2013 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz,
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Pfahl-Traughber,
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