Erschienen in Ausgabe: No 123 (05/2016) | Letzte Änderung: 05.05.16 |
Die stolze Sozialdemokratie dümpelt seit Jahren im 23-Prozent-Land und nichts scheint das ändern zu können. Wirklich nichts? Ein gut gemeinter Vorschlag an die älteste parlamentarisch vertretene Partei Deutschlands.
von Florian Bunes
Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre… Ist sie zum Glück
nicht, denken sich wohl die Sozialdemokraten. Der jüngste Deutschlandtrend der
ARD sieht die Genossen bei nur mehr 21 Prozent, die anderen Meinungsinstitute
meinen es nicht besser. Die stolze Sozialdemokratie: Seit über zehn Jahren
schafft sie es nicht, den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden. Zugegeben:
Gegen die beliebte Merkel hätte jeder Kanzlerkandidat der SPD 2013 auf
verlorenem Posten gestanden.
Aber die Kanzlerin ist nicht mehr unantastbar. Ihre Beliebtheitswerte sinken
und das Fenster öffnet sich. Theoretisch. Durch die Koalition mit der Union
haben die Genossen jedoch wenig Spielraum, eigene Akzente im alles
übergeordneten Flüchtlingsproblem zu setzen. Eine Alternative zu Merkels
Flüchtlingspolitik käme allenfalls von rechts. Trotzdem haben die
Sozialdemokraten Möglichkeiten, eine echte Alternative zur Union zu werden,
indem sie nicht um die Frage herumdruckst, wie der Flüchtlingsstrom gestoppt
werden könne. Lass mal die Merkel machen, denken sich da wohl manche. Die SPD
muss sich stattdessen fragen: Wie halten wir Deutschland in Zukunft am Laufen?
Die SPD gewinnt Glaubwürdigkeit zurück
Die Antwort darauf kann keine Partei so glaubwürdig vermitteln wie die SPD.
Die Sozialdemokratie baut seit jeher auf den Grundsätzen Freiheit,
Gerechtigkeit und Solidarität. Passend dazu sollte die Partei Bildung zum Thema
ihres Wahlkampfes machen. Bildung hat einen präventiven Charakter.
Radikalislamische Indoktrinierung findet häufig dort statt, wo junge Leute
keine Bildungschancen haben. Damit trägt die SPD sogar dem Bedürfnis nach
(gefühlter) innerer Sicherheit Rechnung. Bildung schützt die Menschen aber auch
vor politischer Radikalisierung.
Bildung hat einen integrativen Charakter. Damit beantwortet die SPD
beispielsweise gleich mal die Frage, wie die Flüchtlinge integriert werden
sollen. Bildung ermöglicht gleichzeitig den sozialen Aufstieg und löst damit
das ursprünglichste Versprechen der Sozialdemokratie ein: Gerechtigkeit. Was
ist gerechter, als jedem Menschen die gleichen Chancen zu gewähren? Keine
andere Partei in Deutschland kann aus ihren Grundüberzeugungen heraus solche
Lösungen anbieten.
Strategisch günstig: Bildung betrifft jeden. Schüler, Studenten, Azubis,
Eltern. Der Angestellte, der einen Sprachkurs belegt. Der Senior im
Kontaktstudium. Jeder bildet sich. Ein Leben lang. Mehr Bildung ist deshalb
keine Forderung, bei der es viele Wähler gibt, die sie kategorisch ablehnen wie
Steuererhöhungen oder der Einführung von Studiengebühren. Das
Mobilisierungspotenzial ist beträchtlich.
Konkret heißt das: Kostenloses Lernen vom Kindergarten bis zur Dissertation.
Beendigung des Kooperationsverbots, sodass der Bund sich an den Ausgaben für
Bildung in den Ländern stärker und gezielter beteiligen kann. Mehr Lehrer, mehr
Dozenten, mehr individuelle Förderung. Anreize für gute Lehrer, an schwierige
Schulen zu gehen. Ein Plan, wie der Föderalismus perspektivisch abgeschafft
werden kann. Ein elternunabhängiges BAföG. Vielleicht jährlich ein kostenloser
Kurs (im Übrigen eine überlegenswerte Werbemaßnahme) an der Volkshochschule für
jeden? Die Parteistrategen fänden wohl noch Dutzende weitere Maßnahmen.
Bildung vereint die Partei
Das Problem der Genossen ist nicht, dass sie die falschen Entscheidungen
treffen. Der Mindestlohn wurde seit Jahren von einer großen Mehrheit der
Bevölkerung unterstützt. Ohne die SPD gäbe es ihn jetzt nicht. Dasselbe gilt
für die Rente ab 63. Das Problem liegt darin, dass die SPD kein eindeutiges
Profil hat. Die innere Zerstrittenheit, die mit dem Rekordminusergebnis bei der
Wiederwahl Sigmar Gabriels zum Parteivorsitzenden ihren vorläufigen Höhepunkt
erreicht hat, tut ihr Übriges. Das ist das Gute an der Bildung. Sie ist keine
Frage von realo oder links, SPD oder Jusos, Gabriel oder Stegner. Sie ist
einfach nur sozialdemokratisch.
Bildung hat jedoch das Problem, dass kaum Ergebnisse in vier Jahren zu sehen
sein werden. Das müsste die SPD stets kommunizieren. Eine langfristig angelegte
Bildungsoffensive. Wir machen es sinnvoll. Keine Scheinpolitik, die kurzfristig
erfolgreich ist und in zehn Jahren dann doch mehr Schaden als Nutzen
angerichtet hat. Und natürlich kostet Bildung viel Geld. Aber das Geld ist gut
angelegt – die SPD kann sich der Mehrheit, die dahinter steht, sicher sein. Und
mal ehrlich: Wann war für die Lieblingsprojekte der Parteien mal kein Geld da?
Florian Bunes
geboren 1996 und lebt seitdem leidenschaftlich in Hamburg,
wo er 2015 sein Abitur ablegte. Er interessiert sich für Politik, Gesellschaft,
Wirtschaft und Sport, vor allem Fußball. Deswegen pilgert er auch jedes zweite
Wochenende in das Volksparkstadion, um dem HSV beim Gewinnen zuzusehen. Zudem
ist er Anhänger von Bath Rugby in England. Um von sich selbst sagen zu können,
dass er Sport betreibe, spielt er seit März 2015 Dart - natürlich beim HSV.
Ansonsten findet er alte, verfallene Gemäuer spannend und begeistert sich für
die Lateinische Sprache.
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