Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 08.05.16 |
von Michael Lausberg
In der Zeit zwischen dem 13.
und dem 17. Jahrhundert hatten die Engländer als erstes unter den Staaten
Europas eine gewisse politische Freiheit im Innern erstritten und auch ihre
Macht nach außen hin ständig vermehrt. Der Puritanismus hatte mit seinem Ideal
des nüchternen und praktischen Tatsachenmenschen das Königreich geprägt. In
philosophischer Hinsicht wurde die Spekulation abgelehnt und ein
unerschütterliches Beharren auf der praktischen Erfahrung war vorhanden. Eine
solche philosophische Richtung, die alle Erkenntnis aus der Erfahrung herleitet
und daher alle Wissenschaft auf diese allein begründen will, nennt man
Empirismus.
In der politischen Theorie
gingen im 16. Jahrhundert die stärksten Impulse vom Platonismus aus. Die
englischen Humanisten setzten sich intensiv mit Platons Lehre von einem guten
und gerechten Staat auseinander.[1]
Sie rechtfertigten die bestehende aristokratische Gesellschaftsordnung und
versuchten sie zu verbessern, indem sie für eine sorgfältige Erziehung der
Kinder des Adels nach humanistischen Grundsätzen eintraten. Humanistische
Bildung sollte zu den Merkmalen eines Gentleman und politischen
Verantwortungsträgers zählen. Diese tendenziell meritokratische Werteordnung
war nicht problemlos mit dem Prinzip der Herrschaft des Erbadels vereinbar.
Den Humanisten stellte sich
die Frage, ob der Erwerb humanistischer Bildung zu einem Aufstieg in
Stellungen, die normalerweise Adligen vorbehalten waren, qualifizieren konnte
und ob ein nicht bildungswilliger Angehöriger der aristokratischen
Führungsschicht seinen ererbten sozialen Rang aufs Spiel setzte, ob also
letztlich die Bildung oder die Abstammung ausschlaggebend war. Die Antworten
fielen unterschiedlich aus.[2]
John Locke war ein einflussreicher englischer Philosoph und
Vordenker des Humanismus. Er ist zusammen mit Isaac Newton und David Hume der
Hauptvertreter des britischen Empirismus. Des Weiteren ist er neben Thomas
Hobbes (1588–1679) und Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) einer der bedeutendsten
Vertragstheoretiker im frühen Zeitalter der Aufklärung.
Seine
politische Philosophie beeinflusste die Unabhängigkeitserklärung der
Vereinigten Staaten, die Verfassung der Vereinigten Staaten, die Verfassung des
revolutionären Frankreichs und über diesen Weg die meisten Verfassungen
liberaler Staaten maßgeblich [3]
John Locke
wurde 1632 in Wrington geboren. Nach langem Studium, vor allem der
Naturwissenschaften, Medizin und Staatslehre machte er Bekanntschaft mit dem
späteren Lord Shaftesbury. Dessen Familie blieb er durch mehrere Generationen
als Hauslehrer, Berater und Arzt verbunden. An der wechselvollen,
staatsmännischen Laufbahn seines Gönners nahm Locke insofern teil, als er
während dessen Amtszeit ein Staatsamt erhielt, das er nach dem alsbald folgenden
Sturzes seines Gönners wieder abgeben musste. Nach einem vierjährigen
Aufenthalt in Südfrankreich von 1675-1679 wurde Locke von dem inzwischen wieder
an die Spitze des Kabinetts berufenen Shaftesbury in die Heimat zurückgeholt.
Wiederum war der Aufenthalt von kurzer Dauer. Locke ging nach dem erneuten
Sturz des Ministeriums nach Holland, wo er von 1683 bis 1688, von politischer
Verfolgung bedroht, in der Verborgenheit blieb.
Als
Wilhelm von Oranien 1689 den britischen Thron bestieg, folgte Locke ihm nach England.
Elf Jahre lang bekleidete er nun das Amt eines leitenden Beamten für Handel und
Landwirtschaft. Nach seinem 1700 vollzogenen Rücktritt lebte er noch vier Jahre
auf dem Landgut einer befreundeten Adeligen, nunmehr in ganz Europa angesehen
und mit vielen bedeutenden Geistern im Gedankenaustausch.
Das
Hauptwerk Lockes, im Entwurf etwa um 1670 entstanden, jedoch zwanzig Jahre
später erst veröffentlicht, trägt den Titel „Ein Versuch über den menschlichen
Verstand“. In seiner äußeren Form zeichnet es sich dadurch aus, dass es in
einfacher, ansprechender und jedem Gebildeten verständlicher Sprache
geschrieben ist. Wie vor ihm Descartes in Frankreich verzichtete Locke auf die
nur dem Eingeweihten verständliche Schulsprache.
Der
Ausgangspunkt von Lockes Überlegungen bildet seine Erkenntnis, dass jeder
philosophischen Betrachtung zunächst eine Untersuchung über das Vermögen des
Verstandes und über die Objekte, welche in seiner Sphäre liegen bzw. nicht
liegen, vorausgehen muss. Man dürfe nicht einfach seine Gedanken auf dem weiten
Meer der Dinge schweifen lassen, als wäre alles ihr natürlicher und
unzweifelhafter Raum. Der geistige Ausgangspunkt ist also wie bei Descartes ein
radikaler Zweifel, jedoch von ganz anderer Art. Denn dieser ist beherrscht von
der Überzeugung, dass die Welt mit mathematischer Präzision auf deduktivem Wege
zu entwickeln sei. Locke stellt die Frage voran, ob das überhaupt mit unserem
Verstand möglich sei. Vor dem eigentlichen Philosophieren wollte er die Mittel
und Möglichkeiten des Denkens erst mal selbst prüfen. Damit war er der erste
kritische Philosoph, der eigentliche Begründer der modernen Erkenntniskritik.
Der
gesamte erste Teil des Lockschen Werkes ist dem Nachweis gewidmet, dass es
keine angeborenen Ideen gibt. Im zweiten Buch führt Locke dann den eingehenden
Nachweis, dass tatsächlich alle Ideen aus der Erfahrung stammten. Einfache
Ideen nennt er – im Gegensatz zu komplexen Ideen- die einfachsten Bausteine
unseres Denkens, einfache Abbilder von Eindrücken. Äußere Erfahrung (sensation)
ist nach ihm die eine Quelle, aus der einfache Ideen ins Bewusstsein gelangen.
Die äußere Erfahrung ist das Primäre; das erste Geschäft des Menschen ist es,
sich mit der ihn umgebenden Welt vertraut zu machen.
In seinem
Werk Two Treatises of Government argumentiert Locke, dass eine Regierung
nur legitim ist, wenn sie die Zustimmung der Regierten besitzt und die
Naturrechte Leben, Freiheit und Eigentum beschützt. Wenn diese Bedingungen
nicht erfüllt sind, haben die Untertanen ein Recht auf Widerstand gegen die
Regierenden.
Lockes
erste Veröffentlichung war ein 1653 publiziertes Lobgedicht auf Oliver
Cromwell, nachdem dieser eine Schlacht im Englisch-Niederländischen Krieg
gewonnen hatte.[4] Während
seiner Zeit in Christ Church befasste sich Locke in seinen Schriften nicht mit
Philosophie im engeren Sinne, er bereitete aber einige Texte zur Politik
Englands und zum Naturrecht vor. Eine Abhandlung über den civil magistrate
bereitete er 1664 zum Druck vor, sie wurde aber nie veröffentlicht. Zusammen
mit seinen universitätsinternen Schriften zeigt der Text, dass Locke zu dieser
Zeit weit autoritärer war als zu späterer Zeit.
Er
verteidigt die absolute Macht des Magistrats über die Mitglieder der
Gesellschaft; die Entscheidungen binden selbst das Gewissen der einzelnen
Mitglieder.[5] Die
Freiheit des Individuums beginnt erst dort, wo es keine bindende Entscheidung
gibt. Im Gegensatz zu Verfechtern eines monarchischen Absolutismus legt Locke
aber bereits in dieser Phase eine Art Rechtsstaat zugrunde: die höchste legitime
Gewalt war nicht die Person des Herrschers, sondern die Gesamtheit der Gesetze,
die er repräsentierte.
Lockes
erste weiter verbreitete Publikationen sind wahrscheinlich in enger
Zusammenarbeit mit dem 1. Earl of Shaftesbury entstanden. The Fundamental
Constitutions of Carolina (Die grundlegende Verfassung Carolinas) erschien
1669, der Letter from a Person of Quality (Brief eines Vornehmen) 1675,
beide wurden anonym veröffentlicht.
In seinen
späten Jahren fernab des politischen Tagesgeschehens veröffentlichte er seine
Hauptwerke; die Entwürfe und Skizzen dazu waren aber weit älter.[6]
Sie sind in ihren Grundzügen bereits entstanden, als Locke noch eng mit dem
Earl of Shaftesbury zusammenarbeitete. Sein erster Entwurf zum Versuch über
den menschlichen Verstand datiert von 1671.
1686
erschienen die anonym veröffentlichten Briefe über Toleranz, die
teilweise wahrscheinlich auch aus der Feder Shaftesburys stammen.[7]
1690 folgten ebenfalls anonym Zwei Abhandlungen über die Regierung, im
selben Jahr erschien der Versuch über den menschlichen Verstand, in dem
zumindest sein Name unter dem Vorwort stand; 1692 wurden die bereits 1668
geschriebenen Betrachtungen über die Senkung des Zinssatzes und die Erhöhung
des Geldwertes publiziert, in denen er sich für eine frühe Form des
Freihandels einsetzte, 1694 schließlich die Thoughts Concerning Education
(Gedanken zur Erziehung).
Eine
Ausnahme in seinem Werk bilden die zwei Abhandlungen über die Regierung (Two
Treatises on Government), über die es keine Skizzen, Manuskripte oder
andere Aufzeichnungen Lockes gibt[8].
Das Buch entstand im Wesentlichen wahrscheinlich Mitte der 1680er vor der Bill
of Rights. Da es erst nach dieser veröffentlicht wurde, konnte er aber
Einleitung und bestimmte Teile so umschreiben, dass es als Begründung dieser
gelesen werden konnte. Er ließ die Arbeit nicht nur anonym verlegen, sondern
beseitigte auch alle Spuren, die ihn als Verfasser mit dem Werk in Zusammenhang
bringen konnten. Unter anderem vernichtete er das Manuskript. Obwohl bereits zu
Lebzeiten viele Zeitgenossen ihm die Abhandlung öffentlich zuschrieben und sie
lobten, reagierte Locke nicht darauf. Selbst in seinem eigenen alphabetisch
geordneten Bücherregal war es bei den unbekannten Autoren eingeordnet. Erst in
seinem Testament bekannte er sich zur Autorenschaft.
Erkenntnis
Locke
lieferte einen bedeutenden Beitrag zur Erkenntnistheorie.[9]
Er befürwortet zwar die rationale Theologie und die Wende der Philosophie des
Mittelalters zur Philosophie der Neuzeit, die die rationalistische Philosophie
vor allem René Descartes verdankt. Locke wandte sich aber gegen die
Rechtfertigung der Naturwissenschaften aus dem bloßen Denken und suchte ihr
Fundament stattdessen in der Erfahrung.
Dennoch
nahm er wie Descartes als Ausgangspunkt der philosophischen Überlegungen den
Zweifel an der gegenständlichen Wirklichkeit, an der Existenz der Außenwelt.[10]
Die Aufhebung dieses Zweifels wurde von ihm nun nicht mehr über den
Gottesbegriff vollzogen, sondern empiristisch, angeregt durch Pierre Gassendi.
In seinem aus vier Büchern bestehenden Hauptwerk An Essay concerning Human
Understanding (Ein Versuch über den menschlichen Verstand) untersuchte Locke
den Ursprung, die Gewissheit und den Umfang menschlichen Wissens in Abgrenzung
zu Glauben, Meinen und Vermuten. Ausgangspunkt war einerseits Lockes
scholastische Ausbildung in Oxford auf Basis des in England vorherrschenden
Nominalismus. Andererseits hatte er sich in seinem vierjährigen
Frankreichaufenthalt intensiv mit Descartes und dessen Vorstellung eingeborener
Ideen auseinandergesetzt.
Entsprechend
untersuchte Locke im ersten Buch zunächst den Ursprung der Ideen und
entwickelte eine Vielzahl pragmatischer Argumente gegen die Existenz
eingeborener Ideen. Seine Grundthese ist die bereits weit vor ihm formulierte
Aussage: Nihil est in intellectu quod non (prius) fuerit in sensibus
(„Nichts ist im Verstand, was nicht vorher in den Sinnen gewesen wäre“). Das
zweite Buch befasst sich mit dem Zusammenhang von Ideen und Erfahrung. Das
menschliche Bewusstsein ist bei der Geburt wie ein weißes Blatt Papier (Tabula
rasa), auf das die Erfahrung erst schreibt. Ausgangspunkt der Erkenntnis ist
die sinnliche Wahrnehmung. Er unterschied äußere Wahrnehmungen (sensations)
und innere Wahrnehmungen (reflections). Der nächste Schritt ist im
dritten Buch die Untersuchung der Rolle der Sprache, ihres Zusammenhangs mit
den Ideen und ihrer Bedeutung für das Wissen. Buch vier handelt schließlich von
den komplexen (zusammengefassten) Ideen, von den Grenzen des Wissens und dem
Verhältnis von Begründung und Glauben.[11]
Lockes
Kritik der Vorstellung der eingeborenen Ideen (ideae innatae) hat einen
aufklärerischen Charakter. Durch die Untersuchung der Dinge selbst soll den
Dogmen, Vorurteilen und den von Autoritäten vorgegebenen Prinzipien, wie sie zu
seiner Zeit an der Tagesordnung waren, der Boden entzogen werden. Nachdrücklich
wandte er sich gegen Descartes' Annahme, dass auch die Gottesidee angeboren
sei: denn in vielen Gegenden der Welt gebe es keine entsprechende
Gottesvorstellung.
Wenn es
angeborene Ideen gäbe, müssten diese auch bei geistig zurückgebliebenen
Menschen vorhanden sein.
Eingeborene
Ideen würden auch die Vernunft überflüssig machen, da man nicht erst zu
entdecken braucht, was man schon besitzt.[12]
Prinzipien wie das vom ausgeschlossenen Widerspruch („Nichts kann zugleich und
in derselben Hinsicht sein und nicht sein“) oder von der Identität („Alles, was
ist, das ist“) sind evident, müssten aber erst durch die Vernunft erschlossen
werden. Es gibt keine Kriterien zur Unterscheidung eingeborener von erworbenen
Ideen. Auch das Kriterium der Evidenz kann aus Sicht Lockes nicht eingeborene
Ideen kennzeichnen, denn es gebe so viele evidente Aussagen, dass diese
unmöglich angeboren sein könnten. Aus den gleichen Gründen gebe es auch keine
eingeborenen moralischen Prinzipien. Grundsätze wie Gerechtigkeit oder das
Einhalten von Verträgen müssten durch die Vernunft begründet werden, damit sie
Allgemeingültigkeit erhalten.[13]
Als
wesentliches Argument gegen den Innatismus sah Locke an, dass seine eigene, für
ihn schlüssige Erkenntnistheorie ohne die Vorstellung der eingeborenen Ideen
auskam.[14]
Das
Material der Erkenntnis sind einfache Ideen. Deren Ursprung liegt in der
Erfahrung. Locke unterschied dabei sensations (äußere Eindrücke) und reflections
(innere Eindrücke), die erst im Verstand zu komplexen Ideen verbunden und
geformt werden. Die inneren Eindrücke umfassen geistige Tätigkeiten wie
Wahrnehmen, Zweifeln, Glauben, Schließen, Erkennen oder Wollen. Komplexe Ideen
entstehen durch Vergleichen, Zusammensetzen, Abstrahieren und andere
entsprechende Tätigkeiten des Verstandes. Damit war Locke nicht – wie so oft zu
lesen ist – Sensualist. Für ihn gab es sehr wohl einen aktiven Verstand (vgl.
intellectus agens), der im Erkenntnisprozess eine wesentliche Rolle spielt.
Soweit besteht kein Unterschied zu Kant.
Für Locke
gab es lediglich keine Ideen a priori, sondern nur das Vermögen, Wahrnehmungen
zu verarbeiten zu Abbildern, komplexen Ideen und Begriffen.[15]
Bei komplexen Ideen unterschied er Substanzen, Relationen und Modi. Substanzen
sind Dinge, die eigenständig existieren, einschließlich der Engel, Gott und
anderer „konstruierter“ Gegenstände. In Relationen drückt sich das
Verhältnis verschiedener Ideen aus. Modi sind Ideen, die nicht die
Wirklichkeit abbilden, sondern geistige Konstrukte, beispielsweise „Dreieck“,
„Staat“ oder „Dankbarkeit“. Bei der Erfassung der Substanzen, die für Locke
jeweils komplexen Ideen entsprechen, unterschied er primäre und sekundäre
Qualitäten. Primär sind solche Eigenschaften, die den Substanzen
unmittelbar innewohnen wie Ausdehnung, Festigkeit oder Gestalt. Sekundäre
Qualitäten sind Eigenschaften, die nicht tatsächlich im Körper des Gegenstandes
vorzufinden sind, sondern in der Idee der jeweiligen Substanz von unserer
Wahrnehmung hinzugefügt werden.[16]
Locke fand
in der Unterscheidung der sekundären Qualitäten ein Problem, das noch in der
Philosophie der Gegenwart unter dem Stichwort Qualia intensiv diskutiert wird.
Sekundäre Qualitäten sind für Locke Produkte des Geistes. Sie „sind nichts
weiter als die Vermögen verschiedener Kombinationen der primären Qualitäten.“.
Primäre Qualitäten sind Eigenschaften fester Körper, deren Abbilder Ideen im
menschlichen Geist hervorrufen.
Dies setzt
einen nicht näher bestimmbaren Träger voraus, eine Substanz, deren Erkenntnis
angenommen werden muss, ein Ding von dem wir offensichtlich keine klare Idee
haben. Diese Substanz beschrieb Locke in Anlehnung an Gassendi und in
Übereinstimmung mit dem von Boyle vertretenen Atomismus als nicht wahrnehmbare
kleinste Teilchen. Seine Vorstellung kennzeichnete er als Hypothese. Die Welt
ist so, wie sie uns erscheint, auch wenn sie mit der realen Welt nicht
übereinstimmen muss.[17]
Aber am Konzept einer realen Welt muss man festhalten. Als Konsequenz ergibt
sich ein Dualismus von Geist und Materie. Die Annahme sowohl einer geistigen
Welt als auch einer realen Welt war Ansatzpunkt der Kritik sowohl durch
Berkeleys Idealismus als auch Humes Skeptizismus.
Erkenntnis
ist Locke zufolge die Perzeption (Wahrnehmung) der Übereinstimmung oder
Nichtübereinstimmung von Ideen.[18]
Zur Erkenntnis bedarf es also des Urteils, ob eine Aussage gültig ist. Locke
unterschied drei Elemente der Erkenntnis, die intuitive, die demonstrative
und die sensitive Erkenntnis. Intuitiv erkennt man Ideen als solche,
wenn sie im Geist als Einheit vorhanden sind (Identität) und sie sich von
anderen Ideen unterscheiden (Distinktheit). Das intuitive Erfassen einer Idee
ist notwendig für die weiteren Erkenntnisschritte. Intuitive Wahrheit ergibt
sich, wenn die Ideen nicht mehr weiter analysierbar sind (Evidenz).
Demonstrative
Erkenntnis findet nur mittelbar statt.[19]
Der Verstand hat das Vermögen, mit Hilfe der Ideen einen Zusammenhang zwischen
zwei Ideen
herzustellen.
Dieses Vermögen ist nach Locke die Vernunft. Diese Art der Erkenntnis nannte er
die rationale. Die Verknüpfung der Ideen erfolgt dabei in Einzelschritten,
wobei jeder Schritt durch intuitive Erkenntnis bestätigt wird. Die
scholastischen Syllogismen waren für Locke nur deduktiv, also nicht geeignet,
tatsächlich neue Erkenntnis zu erzeugen. Sie hatten nur eine didaktische
Funktion.
Mit der
sensitiven Erkenntnis schließlich erfasst der Mensch die Existenz realer
Gegenstände; denn „niemand kann im Ernst so skeptisch sein, dass er über die
Existenz der Dinge, die er sieht oder fühlt, ungewiss wäre“.[20]
Allerdings sind die Sinne gegenüber der Evidenz und der Ableitbarkeit mit einer
gewissen Unsicherheit behaftet, so dass Locke am Ende die Erkenntnis im engeren
Sinne als intuitive und demonstrative Erkenntnis bestimmt.
Lockes
Empirismus begrenzt die Erkenntnis auf die Erfahrung. Was jenseits der
sinnlichen Erfahrung liegt, die Essenz (das Wesen) der Dinge, kann nicht
erkannt werden. Der Verstand gibt dem Erkannten Einheit, indem er den „Begriff
von der reinen Substanz im allgemeinen“ bildet.[21]
Über die Natur lässt sich nichts Endgültiges sagen. Mit Hilfe der Vernunft kann
der Mensch die Sinne nicht übersteigen. Er kann nur Hypothesen aufstellen als
Leitfaden für Forschung und Experiment. Absolute Gewissheit ist auf empirischem
Wege nicht möglich. Im Bereich der Hypothesen arbeitet der Verstand mit
abstrakten Begriffen wie Art und Gattung, indem er von der Erfahrung
abgeleitete, aber abstrahierte komplexe Ideen wie Relationen und Modi
verwendet. Solche Ideen wie die des Dreieckes haben nicht nur nominale, sondern
auch reale Essenz. Deshalb ist es in den abstrakten Wissenschaften wie der
Mathematik möglich, unanfechtbare Wahrheiten zu finden.[22]
Da er z.B.
Gerechtigkeit, Dankbarkeit oder Diebstahl gleichzeitig als Modi einstufte,
zählte Locke die Moral zu den abstrakten Wissenschaften, für die man diese
allgemeinen und sicheren Wahrheiten mit Hilfe der Vernunft herleiten kann.[23]
Erste
Reaktionen auf den Essay gab es bereits zu Lockes Lebzeiten, wobei sich sowohl
Cartesianer (John Norris) als auch Thomisten (John Sergeant) ablehnend
äußerten. Von den bekannten Philosophen reagierten sowohl Leibniz mit Neue
Abhandlungen über den menschlichen Verstand (1704, gedruckt 1759) als auch
Berkeley mit der Abhandlung über die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis
(1709) unmittelbar kritisch auf das Werk Lockes. Dieses kann daher als Anstoß
für eine neue Gattung von Abhandlungen in der Philosophie angesehen werden, die
sich ausschließlich auf die erkenntnistheoretische Frage konzentriert.
In diesem
Sinn stehen auch Humes Untersuchungen über den menschlichen Verstand und Kants Kritik
der reinen Vernunft in einer Linie der Diskussion über die
Erkenntnistheorie. Während Locke, Berkeley und Hume jeweils die empiristische
Position vertraten, sind Leibniz und Kant Vertreter des Apriorismus – ein
Gegensatz, der seit Descartes und Locke die philosophische Auseinandersetzung
über den Positivismus (John Stuart Mill) und Neopositivismus einerseits sowie
den deutschen Idealismus einschließlich Arthur Schopenhauer, der Locke als
seicht kritisierte, und dem Neukantianismus andererseits bis in die Gegenwart
bestimmte. Lockes Theorie der Erfahrung fand in Prozess und Realität bei Alfred
North Whitehead eine positive Aufnahme, wohingegen er kritisierte, dass Locke
die Trennung von Subjekt und Substanz ebenso wie viele andere Philosophen
seiner Zeit zumindest implizit übernommen habe.[24]
Religiöse Toleranz
Von Lockes
theologischen Schriften ist besonders The Reasonableness of Christianity as
Deliver’d in the Scriptures (Vernünftigkeit des Christentums wie in der
Heiligen Schrift dargestellt, 1695) wichtig. Locke verband rationalistisches
Gedankengut mit dem überkommenen Supranaturalismus[25].
Er wollte darlegen, dass das in der Bibel Bezeugte der Vernunft entspricht, ja
von ihr als logisch anerkannt werden muss. Die Wunder seien eine Beglaubigung
des Wahrheitsanspruchs der Bibel. Locke hielt an der wörtlichen Eingebung der
biblischen Texte (Verbalinspiration) fest, ebenso am kosmologischen
Gottesbeweis. Jesus war für ihn sowohl Lehrer des göttlichen Willens (Heiland)
als auch Erlöser (Christus) und Inhalt der göttlichen Selbstbekundung (Gottes
Sohn). Ähnlich wie Luther beschäftigte sich Locke intensiv mit den Briefen des
Apostels Paulus. Posthum erschien A Paraphrase and Notes on the Epistles of
St. Paul (Eine Paraphrase und Anmerkungen zu den Paulusbriefen).[26]
Die Eltern
Lockes waren Puritaner. Deshalb waren ihm von klein auf reformatorische
Frömmigkeit, Lebensführung und Theologie vertraut. Dazu gehörten ganz
wesentlich die demokratischen Strukturen im Leben der Kirchengemeinden bei
Kongregationalisten, Presbyterianern, Baptisten und Quäkern (z.B. Wahl
der Kirchenältesten (Presbyter) und der in die regionalen und nationalen
Synoden entsandten Vertreter durch die Gemeindeglieder, Gleichstellung von
Geistlichen und Laien). Dieser demokratische Ansatz geht zurück auf
Anschauungen Luthers („allgemeines Priestertum aller Gläubigen“, Wahl und
gegebenenfalls Abwahl von Pfarrern durch die Gemeindeglieder), Calvins Kirchenordnung
(1541; gewählte Kirchenälteste usw.) und die Schaffung von Synoden auf
regionaler und nationaler Ebene durch die Hugenotten (Trennung von Kirche und
Staat).[27]
Die 1620
von Kongregationalisten („Pilgerväter“) in Nordamerika gegründete Plymouth Colony
wurde ebenso demokratisch verwaltet wie die benachbarte Massachusetts Bay
Colony. Der Baptist Roger Williams gründete 1636 die Kolonie Rhode Islands, die
demokratische Grundsätze mit Glaubens- und Gewissensfreiheit für alle
christlichen Bekenntnisse verband. Dasselbe verwirklichte William Penn 1682 in
der Kolonie Pennsylvania, die eine Zufluchtsstätte für in Europa verfolgte
religiöse Minderheiten wurde (Quäker, Hugenotten, Mennoniten, Böhmische Brüder
und viele andere).[28]
Die
englische Öffentlichkeit erfuhr von diesen für das 17. Jahrhundert umwälzenden
Ereignissen durch Schriften, die Führungspersönlichkeiten dieser Kolonien
veröffentlichten (z.B. Edward Winslow, William Bradford, John Cotton).
Die Kolonien kannten bereits ansatzweise das Prinzip der Gewaltenteilung.[29]
Im
Zusammenhang mit der Reformation war die Täuferbewegung entstanden. Als
vielfach verfolgte Minderheit bestanden die Täufer auf Glaubens- und
Gewissensfreiheit. Anfang des 17. Jahrhunderts bildeten sich aus dem englischen
Täufertum Baptistenkirchen (General Baptists und Particular Baptists). Führende
Baptisten wie John Smyth, Thomas Helwys und John Murton forderten in einer
Reihe von Schriften das Recht auf freie Religionsausübung. Auch Roger Williams
schrieb ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit von Glauben und
Gewissen.
Locke war
von diesen Schriften beeinflusst. Zu diesen Einflüssen gehörte zudem der
Verfassungsentwurf der Independenten (Kongregationalisten) unter ihrem Führer
Oliver Cromwell (Agreement of the People, 1647), der als Folge demokratischer
Tendenzen die Gleichheit aller Menschen betonte. Der „positiv-gläubigen
Stellung Lockes zur Religion“entsprach
es, dass er religiöse Toleranz nicht bzw. nicht nur philosophisch begründet
(siehe unten), sondern wie etwa auch Roger Williams biblisch-theologisch.Schon
im frühen 16. Jahrhundert hatte Luther die „unerzwingbare Freiheit des
Glaubens“ betont. Locke nahm von der Tolerierung durch den Staat den Atheismus
und den Katholizismus aus. Damit sind auch alle atheistischen Formen der
Aufklärung abgelehnt.
Die
katholische Kirche verhindert nach Lockes Ansicht die Verwirklichung seines
zentralen Anliegens, des Rechts des Einzelnen, über sein Denken, Glauben und
Handeln selbst bestimmen zu können.[30]
Locke unterstützte die Kräfte, die sich gegen die absolutistischen Ansprüche
Karls I., Karls II. und Jakobs II. sowie ihre Anstrengungen wandten, in England
und Schottland gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit des Volkes den
Katholizismus als Staatsreligion wieder einzuführen. Damit wäre auch die
Inquisition zurückgekehrt. Deshalb begrüßte Locke die Glorious Revolution
(1688) und den Beschluss des Parlaments, dass jeder englische Monarch Mitglied
der anglikanischen Kirche sein muss.
In seinem Letter
Concerning Toleration (Brief über die Toleranz) und den zwei
Nachfolgebriefen ging Locke auf das Verhältnis zwischen Staat und Religion ein.[31]
Er fürchtete damals die Machtübernahme der Römisch-katholischen Kirche und eine
Verfolgung aller Andersgläubigen. Er sprach sich dafür aus, dass der Staat die
Religion größtenteils seinen Bürgern überlasse. Locke griff dabei im
Wesentlichen auf ein religiös-christliches und drei im engeren Sinn
philosophische Argumente zurück. Religiös argumentierte er, dass sich nirgendwo
in der Bibel ein Hinweis darauf finde, dass Menschen mit Gewalt dazu gezwungen
würden, ihre Religion zu wechseln.[32]
Innerhalb
der philosophischen Argumentation nahm er einen Gedanken aus seinen Two
Treatises auf: der Daseinszweck der Regierung sei es, Leben, Freiheit und
Eigentum zu schützen; würde sie in das religiöse Leben ihrer Bürger eingreifen,
würde sie ihre Kompetenzen überschreiten. Dies wäre auch nicht sinnvoll, da es
beim Glauben auf eine innere Einkehr und Überzeugung ankäme, die mit Gewalt und
Verfolgung nicht erzwungen werden könne. Die rein äußerliche Annahme einer
anderen Religion würde keinen Schritt zum wahren Glauben hinführen, aber in die
Naturrechte der Untertanen eingreifen. Und selbst angenommen, die Regierung
könnte auf eine Art die innere Überzeugung der Untertanen ändern, so wäre es
immer noch fraglich, ob dies der wahren Religion helfen würde, da Regierungen
an sich genauso anfällig dafür seien, eine falsche Religion zu propagieren wie
ihre Untertanen.
In der
Erziehung wandte sich Locke, der nicht verheiratet war und keine Kinder hatte,
gegen strenge Schulzucht.[33]
Stattdessen müsse die Erziehung die Individualität der Kinder und Jugendlichen
fördern. Lockes Empfehlungen zu Bildung und Erziehung sind eng verknüpft mit
seiner Lehre, dass jedes Kind in geistiger Hinsicht als Tabula rasa zur Welt
kommt.
Locke
schrieb seine Werke vor dem Hintergrund der Konflikte zwischen Parlament und
Krone. Zu seiner Zeit waren es keine abstrakten Überlegungen, sondern
argumentatorische Waffen im Konflikt um die neue Gesellschaftsordnung. Dabei
stand das absolute Recht des Königs gegen die Ansprüche des Bürgertums auf
Regierungsbeteiligung und eigene Rechte gegenüber dem König. Locke begründet,
warum die Macht des Herrschenden eingeschränkt sein soll.
Lockes
politisches Denken geht von „protestantisch-christlichen“ Annahmen aus.[34]
Als Theologe leitet er bestimmte zentrale Begriffe wie Gleichheit der Menschen
aus biblischen Texten ab und untersucht dann als Philosoph mit Hilfe des
Verstandes die Konsequenzen, die sich aus den Begriffen für Staat und
Gesellschaft ergeben.[35]
Der Whig (Anhänger der konstitutionellen Monarchie) Locke geht 1689 in seinen
politischen Hauptwerk Two Treatises of Government (Zwei Abhandlungen über die
Regierung) von natürlich gegebenen Rechten der Menschen aus. Er setzt bestimmte
Annahmen über den Zustand des Menschen in Abwesenheit des Staates und leitet
von diesen ab, wie die Menschen im Naturzustand zusammenlebten. Über die
Anhäufung von Eigentum bildeten sich Gesellschaften. Mithilfe seiner
Vertragstheorie begründet Locke, wie diese sich Gesellschaftsverträge und somit
Regierungen gaben. Da Regierungen nur geschaffen wurden, um bestimmten
menschlichen Zwecken zu dienen, kann er im Folgenden legitime und illegitime
Regierungen unterscheiden. Gegen illegitime Regierungen sieht er ein Recht auf
Revolution.[36]
Die
Naturrechtsphilosophen Hugo Grotius, Samuel Pufendorf und John Locke, alle drei
waren Protestanten, entgingen dem Dilemma der inhaltlichen Unbestimmtheit des
Naturrechts, indem sie es mit der biblischen Offenbarung gleichsetzten, da
beide ihrer Ansicht nach auf denselben Urheber, Gott, zurückgingen. Locke war
zeitlebens fest in einem calvinistisch gefärbten Protestantismus verwurzelt. Er
nimmt in allen seinen Schriften, die sich mit politischen, rechtlichen und
gesellschaftlichen Fragen beschäftigen, ständig Bezug auf das Alte Testament
und Neue Testament.
Natur ist
von Gott geschaffene Wirklichkeit. „Was den Inhalt des Naturrechts angeht, so
ist Locke fest davon überzeugt, dass Gottes Gebote notwendigerweise
vernunftgemäß sind: Gott gab dem Menschen die Vernunft, und ‚mit ihr ein
Gesetz, das nichts anderes enthalten konnte, als was die Vernunft vorschrieb.‘“[37]
Der Dekalog stellt unter anderem Leben, Eigentum und guten Ruf des Menschen,
also seine Ehre und Würde, unter göttlichen Schutz. Der Vorspruchweist auf die Befreiung des Volkes Israel aus
ägyptischer Sklaverei hin. Gottes Befreiungstat geht den Forderungen voraus und
begründet sie.Das Recht auf Leben, Freiheit, Würde und Eigentum –
damit sind zentrale naturrechtliche Begriffe nicht nur des politischen Denkens
Lockes, sondern auch anderer Aufklärungsphilosophen benannt und mit biblischem
Gehalt gefüllt.[38]
Das Recht
ergibt sich für Locke zwingend aus seinem Verständnis der Naturrechte.
Freiheit, Gleichheit und Unverletzlichkeit von Person und Eigentum erklärt er
zu den höchsten Rechtsgütern. Er geht dabei von dem Gedanken aus, dass das
höchste Ziel und Zweck des Menschen das Leben ist. Locke begründet dies noch
explizit damit, dass der Mensch durch Gott geschaffen sei:
Aber er
stellt auch fest, dass Gottes Wille durch reines Nachdenken und Weltbeobachtung
erkennbar ist.[39] Das
würde im Umkehrschluss bedeuten, dass die Argumentation auch ohne Gott
funktioniert. Dieser Umkehrschluss lässt aber außer Acht, dass der Verweis auf
den biblischen Gott von Locke bewusst gesetzt wurde. Lockes Gedankengänge
lassen sich nicht von ihrer Verankerung im biblischen Denken ablösen. Denn
damit werden die Rechte inhaltlich definiert. Um das Überleben zu sichern, sind
die Rechte auf Leben, Gesundheit, Freiheit und Eigentum (Life, Health,
Liberty, Property) notwendig.[40]
Im
Gegensatz zur Konzeption Thomas Hobbes' sind die Naturrechte bei Locke durch
die Rechte anderer begrenzt. Während bei Hobbes im Prinzip jeder ein Recht auf
Alles hat, werden die Rechte auf Freiheit und Eigentum bei Locke durch die
Freiheits- und Eigentumsrechte anderer eingeschränkt. Niemand soll einem
anderen an seinem Leben, seiner Gesundheit, seiner Freiheit oder seinem Besitz
Schaden zufügen: “No one ought to harm another in his Life, Health, Liberty, or
Possessions”. Aus dieser Einschränkung leitet er selbst Rechte ab, diejenigen
zu bestrafen und Ausgleich gegenüber denen zu fordern, die sie verletzten. Während Hobbes von individuellen Rechten ausgeht, ist Lockes Law of
Nature überindividuell angesiedelt: “the state of nature has a law of
nature to govern it, which obliges every one”.[41]
Damit
greift er auf ältere naturrechtliche Konzeptionen zurück.
Folgend
seiner Konzeption der Naturrechte und des daraus resultierenden Naturzustandes
bedeutet es auch, dass das Leben der Menschen bereits im Naturzustand gesichert
ist. Anders als bei Hobbes kann die Aufgabe der Regierung nicht nur sein, das
Leben der Menschen zu schützen.
Es ist
bezeichnend für Lockes Denken, dass er die Gleichheit der Menschen,
einschließlich der Gleichheit von Mann und Frau, nicht aus philosophischen
Prämissen herleitet, sondern aus 1. Mose 1, 27 f, der Grundlage der
theologischen Imago-Dei-Lehre. Gleichheit ist für Locke die Voraussetzung dafür,
dass eine Regierung Macht nur mit Einverständnis der Regierten ausüben darf.Insofern ist sie auch Voraussetzung von Freiheit und die unabdingbare
Grundlage jeder rechtsstaatlichen Demokratie.
Freiheit
Locke
definiert aber auch eine legitime totale Einschränkung der Freiheit: Sklaverei.[42]
Menschen können andere Menschen in dem Moment legitim versklaven, in dem
letztere einen ungerechten Krieg beginnen und verlieren. Der Sieger hat, um den
Krieg zu beenden, in diesem Moment nur die Wahl, seinen Gegner entweder zu
töten oder zu versklaven. Bietet aber der Verlierer als Akt der Reue eine
angemessene Wiedergutmachung für das von ihm verschuldete Unrecht an, so muss
der Sieger der Vernunft des Naturgesetzes folgen und den Kriegszustand beenden.
Beide Parteien verfügen nun wieder über die absolute Freiheit, die dem
Naturzustand innewohnt.
Die
Argumentation Lockes zum Eigentum verläuft zweistufig.[43]
In der ersten Stufe, der Arbeitstheorie, begründet er, wie Menschen überhaupt
rechtmäßig Privateigentum erwerben können. Im ersten Schritt widerspricht er
der absolutistischen These, die nur dem König legitime Eigentumsrechte
zubilligt. Sie lautet, dass die Welt Adam, Noach und dann ihren Nachfahren, den
Königen gegeben worden sei, um über sie zu herrschen. Nach Locke gab Gott die
Natur allen Menschen gemeinsam, begründungsbedürftig ist vielmehr, dass
Einzelne sich Privateigentum aneignen können und damit den anderen Menschen
Zugriff auf diesen Teil der Natur verwehren.[44]
Das
Eigentum rechtfertige sich aus dem Selbsterhaltungsrecht: Der Mensch sei
folgend dem Freiheits- und Selbstbestimmungsrecht nicht nur Eigentümer seiner
selbst und damit seiner Arbeit, sondern auch berechtigt, der Natur ein
angemessenes Stück zu entnehmen, um sich selbst zu erhalten.
Durch die
Vermischung der Natur, die noch allen gehört, mit der eigenen Arbeit, die dem
Individuum selbst gehört, ist der Mensch berechtigt, sich diesen Teil der Natur
anzueignen. Er selbst gibt als Beispiel die Aneignung eines vom Baum gefallenen
Stückes Obst: Es gehört dem, der es aufgehoben hat, weil er es durch das
Aufheben mit seiner Arbeit vermischt hat:
An dieser
Stelle der Argumentation greift Locke auf ältere Theoretiker des
Privateigentums wie Hugo Grotius oder Samuel von Pufendorf zurück.[45]
Das Eigentum ist bei Locke zunächst durch mehrere Einschränkungen begrenzt: Man
darf der Natur nicht mehr entnehmen, als man selbst verbrauchen kann. Andere
Menschen müssen ebenfalls genug von der gemeinsam gegebenen Natur
zurückbehalten, um selbst überleben zu können.
In der
zweiten Stufe, seiner Geldtheorie, legt er dar, wie die ursprüngliche, auf
Subsistenz beruhende Eigentumsordnung rechtmäßig in eine kapitalistisch
geprägte Eigentumsordnung übergehen kann: Es ist erlaubt, verderbliche Gaben
der Natur gegen weniger verderbliche einzutauschen, also beispielsweise Äpfel
gegen Nüsse.[46] Man
darf mehr Nüsse besitzen, als man aktuell braucht, solange diese nicht
verderben. Über diesen Zwischenschritt erlaubt er, Naturprodukte, die man sich
angeeignet hat, gegen Geld, das heißt Gold oder Silber zu tauschen:
Locke kein
Recht im eigentlichen Sinn, sondern entsteht durch menschliche Übereinkunft und
Akzeptanz. Da Geld nicht verdirbt, darf man sich davon so viel aneignen, wie
man will und kann. Damit umgeht Locke die im älteren Naturrecht entwickelte und
aufrechterhaltene Schranke für das private Eigentum, ohne sie zu verletzen. Die
naturrechtliche Beschränkung, dass nichts verderben darf, bleibt formal
anerkannt, faktisch darf man sich aber „unendlichen“ Reichtum aufhäufen, da
Geld nicht verdirbt.
Da
Menschen Eigentumswerte ansammeln, nehmen auch die Ungleichheiten in der
Gesellschaft zu. Im ersten Stadium sind Menschen an das gebunden, was sie
persönlich produzieren und konsumieren können, die Eigentumsverhältnisse werden
relativ gleich bleiben. In der fortgeschrittenen Geldwirtschaft werden die
Eigentumsunterschiede beträchtlich, was zu Neid, Streitereien und häufigeren
Verstößen gegen das Naturrecht führt. In der Theorie kann jeder jemanden
bestrafen, der gegen das natürliche Recht verstößt. In der Praxis wird es
jedoch meist das Opfer sein, das die Strafe vollstreckt. Da die Strafe aber im
Verhältnis zur Tat stehen sollte und das Opfer oft die Schwere des Vergehens
überschätzt, kann es hier häufig zu Überreaktionen kommen. Durch übertriebene Strafen
und darauf folgende Vergeltung kommt es zu Auseinandersetzungen bis hin zum
Krieg. Laut Locke schließen sich die Menschen in diesem Moment zusammen, um den
Vorgang abzubrechen und die eigenen Eigentumsrechte zu beschützen.
Locke baut
auf die von Thomas Hobbes aufgebrachte Theorie vom Gesellschaftsvertrag auf,
wonach die Beziehung zwischen Volk und Regierung als Verhältnis einer freien
bürgerlichen Eigentümergesellschaft verstanden wird. Dabei weitet er das
Widerstandsrecht gegen die Regierung erheblich aus. Anders als bei Hobbes
können Menschen bei Locke ihre Rechte, auch das auf Leben, ganz verwirken durch
eine Tat.[47]
Ausgehend
von der Entwicklung des Gesellschaftsvertrages entwickelt Locke Maßstäbe, nach
denen sich die Legitimität einer Regierung entscheiden lässt: Legitim sind
Regierungen, welche die natürlich gegebenen Rechte des Menschen beschützen;
illegitim diejenigen, die sie verletzen. Da eine illegitime Regierung danach
keine Existenzberechtigung hat, ist es wiederum rechtmäßig, gegen eine solche
Regierung zu rebellieren.[48]
Noch vor
Charles de Montesquieu entwickelt Locke innerhalb der zweiten Abhandlung über
die Regierung (und zwar im 12. bis 14. Kapitel) eine Theorie der
Gewaltenteilung.[49] Er
sieht zwei bereits im Naturzustand dem Einzelnen zugeschriebene, durch den
Gesellschaftsvertrag aber abgegebene Gewalten, und zwar die Exekutive und die
Föderative. Im Staat kommen die Legislative und die Prärogative hinzu. Unter
Föderative versteht Locke die Gewalt, die Entscheidungen über Bündnisse und damit
über Krieg und Frieden trifft, unter Prärogative eine der Exekutive zugeordnete
Gewalt, die auch außerhalb des Gesetzes nach eigener Entscheidung für das
öffentliche Wohl handelt.
Zwar hatte
Locke den Leviathan Thomas Hobbes' wahrscheinlich gelesen – es lassen
sich in den Zwei Abhandlungen implizite Hinweise darauf finden –, vor
allem aber war sein Buch als Erwiderung auf Robert Filmers Patriarcha, or
the Natural Power of Kings konzipiert. Da die ersten Auflagen zahlreiche
Druckfehler enthalten, die von Locke angemahnt wurden, ist es schwer, von einer
Originalversion auszugehen. Allgemein wird heute die 4. Auflage als
autorisierte Version angesehen.
Lockes
Staatstheorie hat die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung 1776, den
französischen Verfassungsentwurf von 1791 sowie die gesamte Entwicklung des
bürgerlich-liberalen Verfassungsstaates bis in die Gegenwart maßgeblich
beeinflusst.[50] Die
Einleitung der Unabhängigkeitserklärung baut direkt auf Locke auf: Wie Locke
leitet die Unabhängigkeitserklärung die allgemeinen Menschen- und
demokratischen Bürgerrechte aus dem biblischen Schöpfungsglauben ab. Sie sind
theonomes, d.h.Gottesrecht betreffendes Gedankengut. Die Trias Life, Liberty
and the pursuit of happiness ist eine literarisch adaptierte Version von Lockes
Naturrechten auf Life, Health, Liberty and Property, wobei in den ersten
Entwürfen Property auch wörtlich im Text stand und Thomas Jefferson es
erst später durch das weniger eindeutige Pursuit of Happiness ersetzte.[51]
Neben den
revolutionären Politikern der damaligen Zeit beeinflusste Locke aber auch die
Entwicklung der politischen Theorie maßgeblich: die von ihm zugrunde gelegten
Naturrechte sind bis heute Kernbestand des Liberalismus. Ebenso lassen sich mit
seinen Abhandlungen sämtliche Konzeptionen des Minimalstaats begründen, die
Eingriffe der Regierung in das Leben der Menschen nur zu eng definierten
Zwecken zulassen.
Die
akademische Diskussion um seine Staatstheorie beeinflussten besonders Leo
Strauss (1953) und C. B. Macpherson (1962).[52]
Für Strauss und seine Anhänger hat Lockes Theorie große Ähnlichkeiten mit der
Thomas Hobbes. Locke habe lediglich seine Ansätze für die damalige Zeit sozial
akzeptabler formuliert. Macpherson legt eine marxistisch geprägte
Interpretation vor, die Locke als Apologeten des Kapitalismus sieht. Beide
monieren, Lockes Werk legitimiere die unbegrenzte Eigentumsanhäufung des sich
abzeichnenden Kapitalismus. Die Einschränkungen, die er macht, seien nur
oberflächlich und letztlich bedeutungslos.[53]
Andere wie
James Tully interpretieren das Werk fast gegenteilig: Demnach machten das Geld
und die damit verbundene Anhäufung von Reichtum sowie die darauf beruhenden
Ungleichheiten die Loslösung aus dem Naturzustand notwendig. Die Einführung
einer Staatsgewalt auf der Grundlage eines Gesellschaftsvertrags verhinderte
den Niedergang der Menschheit.[54]
Während
Locke in seiner Arbeit mit Hilfe der Geldtheorie die
Verschwendungseinschränkung des Eigentums aushebelt, geht er darauf, dass jedem
Menschen genug zum Überleben bleiben muss, nur knapp ein.[55]
Zu Lockes Zeiten handelte es sich dabei um kein gravierendes Problem, da mit
dem neu entdeckten Amerika scheinbar unbegrenzte natürliche Schätze zur
Verfügung standen. Heute, nachdem es kein Land mehr auf der Erde gibt, das
nicht von jemand beansprucht wird, beschäftigt sich ein großer Teil der
wissenschaftlichen Diskussion damit, wie diese Begrenzung der Ressourcen zu
interpretieren ist und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.
Die Erben John Lockes: Berkeley und Hume
Lockes
Gedanken wurden von George Berkeley und David Hume weiterentwickelt. Bereits
mit 24 Jahren veröffentlichte Berkeley seine „Neue Theorie des Sehens“, eine
psychologische Untersuchung, mit 25 Jahren sein Hauptwerk „Abhandlungen über
die Prinzipien der menschlichen Erkenntnis“. Später hat er dann eine
volkstümliche Darstellung seiner Philosophie in Dialogform gegeben.[56]
Berkeley
knüpfte bei seiner Philosophie an Locke an, sieht aber in dessen Gedanken zwei
Inkonsequenzen, die beide auf dasselbe zurückgehen: Locke hatte die sinnlich
wahrnehmbaren Qualitäten des Gesichts, Gehörs, Geruchs, Geschmacks als
subjektiv erkannt und daher als sekundär bezeichnet. Dagegen hatte er
Ausdehnung, Festigkeit, Bewegung, die wir auch sinnlich durch den Tastsinn
wahrnehmen, als primären vorangestellt und angenommen, dass sie durch eine
unserem Eindruck genau entsprechende Beschaffenheit der Wirklichkeit erzeugt
werden. Die zweite mangelnde Folgerichtigkeit war die Behauptung Lockes, dass
den im Verstande gebildeten komplexen Ideen nichts Wirkliches entspricht, hatte
aber die Substanz hiervon ausgenommen.[57]
Berkeley
beseitigt diese Inkonsequenzen, indem er ausnahmslos den Grundsatz durchführt,
dass alles, was wir wahrnehmen oder erkennen, ob durch äußere oder innere
Wahrnehmung, ob als primäre oder sekundäre Eigenschaft, ob als einfache oder
zusammengesetzte Idee, uns stets nur als Phänomen unseres Bewusstseins, als
Zustand unseres Geistes gegeben ist.[58]
Dies war eine Erkenntnis, die Schopenhauer später in dem Satz „Die Welt ist
meine Vorstellung“ ausgesprochen hat.
Unter
einem menschlichen Geist versteht
Berkeley etwas Aktives, Unausgedehntes, Unteilbares, Substanzielles, das wir
nur intuitiv erfassen. Wir können keine Vorstellung des Geistes bilden, weil er
nicht wahrgenommen wird. Diese intuitive Ahnung von uns selber ist die einzige
Substanz in seiner Philosophie. Man kann keine Idee vom eigenen Geist haben, da
er nicht wahrnehmbar ist, sondern nur einen intuitiven Begriff.. Den
Ideen wahrnehmenden Geist nennt Berkeley Verstand, den Ideen produzierenden
Geist dagegen Wille. Dies bezieht er auch auf sein Gottesbild. Ideen
sind passiv, ohne eigene Aktivität, die nichts bewirken können und die nur im
Geist existieren können. Lediglich der Geist, bzw. jeder Mensch selber kann
Ideen hervorbringen und vernichten.[59]
Es besteht
deshalb kein Grund, zwischen primären und sekundären Eigenschaften einen
Unterschied zu machen. Was für Farbe und Geschmack gilt, gilt auch von
Ausdehnung und Festigkeit, und es gilt auch von der Substanz: Sie existieren
nur im wahrnehmbaren Geiste, außer uns sind sie nichts. Ein Ding ist weiter gar
nichts als eine konstante Summe von Empfindungen im Bewusstsein. Das Sein der
Dinge besteht nur in ihrem Wahrgenommenwerden. In dem, was wir Welt nennen,
gibt es nichts als den denkenden Geist und die in ihm vorhandenen Ideen.[60]
David Hume
ging es, wie fast allen seinen Zeitgenossen, die die Glaubenskriege im
Gedächtnis und den Aufstieg der Naturwissenschaften vor Augen hatten, um eine
sichere Grundlage für das menschliche Wissen.[61]
Hume war der erste, der zu diesem Zweck eine ausgearbeitete empirische Theorie
des Menschen lieferte.[62]
Hume
knüpfte auch zunächst an Locke an. Was er diesem gegenüber Neues bringt, ist
zunächst eine neue scharfe Unterscheidung, die er bei den einfachen
Vorstellungen vornimmt. Das durch äußere oder innere Wahrnehmung gegenwärtig
und tatsächlich Gegebene nennt er „impression“ (Eindruck). Die durch Erinnerung
oder Phantasie hervorgebrachten Nachbilder der Eindrücke nennt er „ideas“,
welcher Ausdruck also bei ihm einen engeren Sinn hat als bei seinen Vorgängern,
die darunter alle Vorstellungen begriffen hatten. Die impressions, die also das
Primäre darstellen, können sowohl auf äußerer wie auf innerer Wahrnehmung im
Sinne Lockes beruhen. Die Humesche Unterscheidung entspricht also nicht der
Lockes, sondern geht quer durch diese hindurch.
Die
komplexen Ideen sind nach Hume wie nach Locke durch Kombination der einzelnen
Elemente (Impressionen und Ideen) im Verstande gebildet. Hume unterzieht diese
nun aber einer viel gründlicheren Analyse als Locke. Er untersucht die
Verhältnisse und Gesetze, nach denen solche Verbindungen zustande kommen. Dies
wird das Gesetz der Ideenassoziationen genannt:[63]
a)Das
Gesetz der Ähnlichkeit und Verschiedenheit. Nach diesem Gesetz entsteht die
Wissenschaft der Mathematik. Sie hat es also nur mit der Verknüpfung von
Vorstellungen zu tun.
b)Das
Gesetz der räumlichen und zeitlichen Nachbarschaft.
c)Das
Gesetz der kausalen Verbindung nach Ursache und Wirkung.
In allen
Wissenschaften, die sich nicht mit der Verknüpfung von Vorstellungen, sondern
von Tatsachen befassen, und das sind alle Wissenschaften außer der Mathematik,
können nur solche Erkenntnisse Wahrheitswert beanspruchen, die sich unmittelbar
auf Impressionen zurückführen lassen.[64]
Mit diesem Maßstab ausgerüstet, tritt Hume an eine Reihe von Grundbegriffen der
Wissenschaft, insbesondere der Philosophie heran und prüft, ob sie dieser
Forderung entsprechen. Hume sagt aus, dass es keine Impression gibt, die uns
außer der Qualität noch eine hinter dieser stehenden Substanz vermittelt.[65]
Unser Wissen über Naturvorgänge, über den Zusammenhang zwischen wahrgenommenen
Tatsachen, das den Inhalt der Wissenschaften ausmacht, ist demnach im strengen
Sinn nach Hume kein Wissen. Hume ist aber weit entfernt von der Einbildung,
dass es seiner kritischen empiristischen Philosophie gelingen könne oder auch
solle, jene tief verwurzelten im Mechanismus unseres Denkens begründete
Vorstellungen umzustoßen.
Im Bereich
der Praktischen Philosophie hat besonders Humes These „Kein Sollen aus dem
Sein“ viel Beachtung gefunden.[66]
Das Diktum „Aus dem Sein lässt sich kein Sollen ableiten“ ist eine Kurzfassung
von Humes Aussage, dass moralische Urteile nicht allein auf der Erkenntnis der
Beziehungen von Begriffen oder der deskriptiven Erkenntnis einzelner Tatsachen
folgen.[67]
Eine Vorbedingung hierfür ist, dass nach Hume die Vernunft allein keinen
Einfluss auf Gefühlsregungen haben kann. Die Gegenstände der Vernunft haben
einen propositionalen Gehalt, d.h. sie können wahr oder falsch sein.[68]
Gefühlsregungen, wie Angst, Freude, Begehren usw., können aber nicht wahr oder
falsch sein, daher könne der Verstand auch auf sie nicht Einfluss nehmen. Das
Gefühl kann aber auf etwas gerichtet sein, und hier kommt der Verstand ins
Spiel: Wenn der Mensch Angst empfindet, kann die Vernunft Mittel und Wege
ersinnen, wie diese zu vermeiden oder abzuschwächen ist.[69]
In seinem philosophischen
Werk „Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral“ beginnt Hume, seine
Überlegungen über die Gerechtigkeit darzulegen. In seinen Argumentationen wird
deutlich, dass es keine greifbare Definition für Gerechtigkeit gibt, wobei es
sich allerdings schnell erkennen lässt, was für eine Rolle die Gerechtigkeit
bei ihm spielt. Hume ist der Ansicht, dass die Eigentumsregeln den Wert der
Gerechtigkeit bilden.[70]
Es gibt keinen natürlichen Grund den Eigentumsregeln treu zu sein, wobei er der
Auffassung ist, dass die Eigentumsregeln aus diesem Grunde anerkannt werden und
auf diese Weise in einer Gemeinschaft funktionieren. Ein solcher Fall kann nur
eintreten, wenn bestimmte Regeln befolgt werden. Das ist der Grund dafür, warum
Menschen die Gerechtigkeit als eine Art „künstliche Tugend“ eingeführt haben,
so Hume. Von jedem soll diese „künstliche Tugend“ angesteuert werden. Im
Vordergrund soll die Bemühung des Einzelnen stehen, wodurch man zu Eigentum und
somit zu Wohlstand in der Gemeinschaft gelangt. Die Arbeit, als Ausdruck des
Fleißes jedes einzelnen Individuums, soll belohnt werden, sodass sich letzten
Endes der Wohlstand der Gemeinschaft erhöht. Hierbei ergibt sich allerdings
bereits ein Problem. Was ist mit den Begrenzungen von notwendigen und
bedeutenden Gebieten der Menschen? Die Normen besagen, dass es jedem Einzelnen
in der Gemeinschaft erlaubt ist, sein Land von dem seines Nachbarn abzugrenzen,
sodass seine Ernte gesichert ist. Aber für Hume spielt das keine Rolle. Die
Regeln sollen für alle Menschen von Nutzen sein. Die Gerechtigkeit beginnt da,
wo der öffentliche Nutzen seinen Ursprung hat. Stellt sich nur noch die Frage,
worauf der Nutzen der Gerechtigkeit liegt.[71]
[1]
Euchner, W.: John Locke zur Einführung. 3.,
ergänzte Auflage, Hamburg 2011, S. 15
[2]Anstey, P.R. (Hrsg.): The philosophy of John Locke. New
perspectives, London 2003, S. 137
[3]Tully, J.: A discourse on property. John Locke and his adversaries, Cambridge
1982, S. 16
[4]
Strauss, L.: Naturrecht und Geschichte, Frankfurt/M. 1989, S. 66
[5]Woolhouse, R.: Locke: A Biography, Cambridge 2009,
S. 14
[6]Anstey, P.R. (Hrsg.): The philosophy of John Locke. New
perspectives, London 2003,
S. 16
[7]
Brocker, M.: Die Grundlegung des liberalen
Verfassungsstaates. Von den Levellern zu John Locke. Alber, Freiburg
1995, S. 51
[8]
Woolhouse, R.: Locke: A Biography, Cambridge 2009,
S. 16
[9]Ayers, M.R.: Locke. Epistemology & Ontology, London 1991, S. 26
[10]Tully, J.: A discourse on property. John Locke and his adversaries, Cambridge
1982, S. 27
[11]
Fechtner, E.: John Locke’s „Gedanken über Erziehung“,
Wissenschaftlicher Verlag, Schutterwald/Baden 2003, S. 103
[12]Anstey, P.R. (Hrsg.): The philosophy of John Locke. New
perspectives, London 2003, S. 66
[13]Ayers, M.R.: Locke. Epistemology & Ontology, London 1991, S. 48
[14]Woolhouse, R.: Locke: A Biography, Cambridge 2009,
S. 22
[15]
Euchner, W.: John Locke zur Einführung. 3.,
ergänzte Auflage, Hamburg 2011, S. 17
[16]Woolhouse, R.: Locke: A Biography, Cambridge 2009,
S. 28
[17]Ayers, M.R.: Locke. Epistemology & Ontology, London 1991, S. 57
[18]
Strauss, L.: Naturrecht und Geschichte, Frankfurt/M. 1989, S. 74
[19]Waldron, J.: God, Locke, and Equality. Christian foundations of John Locke’s
political thought, Cambridge 2002, S. 22
[20]
Macpherson, C. B.: Die politische Theorie des
Besitzindividualismus. Von Hobbes
zu Locke, Frankfurt/M. 1990, S. 77
[21]Tully, J.: A discourse on property. John Locke and his adversaries, Cambridge
1982, S. 39
[22]
Euchner, W.: Naturrecht und Politik bei John Locke,
Frankfurt/M, 1979, S. 19
[23]
Euchner, W.: John Locke zur Einführung. 3.,
ergänzte Auflage, Hamburg 2011, S. 27
[24]
Ayers, M.R.: Locke. Epistemology & Ontology,
London 1991, S. 63
[25]
Brocker, M.: Die Grundlegung des liberalen
Verfassungsstaates. Von den Levellern zu John Locke. Alber, Freiburg
1995, S. 77
[26]
Waldron, J.: God, Locke, and Equality. Christian foundations of John Locke’s political
thought, Cambridge 2002, S. 27
[27]Woolhouse, R.: Locke: A Biography, Cambridge 2009,
S. 39
[28]Waldron, J.: God, Locke, and Equality. Christian foundations of John Locke’s
political thought, Cambridge 2002, S. 38
[29]
Euchner, W.: Naturrecht und Politik bei John Locke,
Frankfurt/M, 1979, S. 22
[30]Waldron, J.: God, Locke, and Equality. Christian foundations of John Locke’s
political thought, Cambridge 2002, S. 38
[31]
Strauss, L.: Naturrecht und Geschichte, Frankfurt/M. 1989, S. 63
[32]Anstey, P.R. (Hrsg.): The philosophy of John Locke. New
perspectives, London
2003, S. 54
[33]
Fechtner, E.: John Locke’s „Gedanken über Erziehung“,
Wissenschaftlicher Verlag, Schutterwald/Baden 2003, S. 77ff
[34]
Euchner, W.: Naturrecht und Politik bei John Locke,
Frankfurt/M, 1979, S. 25
[35]Waldron, J.: God, Locke, and Equality. Christian foundations of John Locke’s
political thought, Cambridge 2002, S. 49
[36]
Macpherson, C. B.: Die politische Theorie des
Besitzindividualismus. Von Hobbes zu Locke, Frankfurt/M. 1990, S. 46
[37]
Brocker, M.: Die Grundlegung des liberalen
Verfassungsstaates. Von den Levellern zu John Locke. Alber, Freiburg
1995, S. 37
[38]
Strauss, L.: Naturrecht und Geschichte, Frankfurt/M. 1989, S. 63
[39]Waldron, J.: God, Locke, and Equality. Christian foundations of John Locke’s
political thought, Cambridge 2002, S. 36
[40]
Euchner, W.: John Locke zur Einführung. 3.,
ergänzte Auflage, Hamburg 2011, S. 83
[41]Anstey, P.R. (Hrsg.): The philosophy of John Locke. New
perspectives, London 2003, S. 72
[42]
Fechtner, E.: John Locke’s „Gedanken über Erziehung“,
Wissenschaftlicher Verlag, Schutterwald/Baden 2003, S. 82
[43]
Macpherson, C. B.: Die politische Theorie des
Besitzindividualismus. Von Hobbes zu Locke, Frankfurt/M. 1990, S. 52
[44]
Euchner, W.: John Locke zur Einführung. 3.,
ergänzte Auflage, Hamburg 2011, S. 88
[45]
Brocker, M.: Die Grundlegung des liberalen
Verfassungsstaates. Von den Levellern zu John Locke. Alber, Freiburg
1995, S. 89
[46]
Macpherson, C. B.: Die politische Theorie des
Besitzindividualismus. Von Hobbes zu Locke, Frankfurt/M. 1990, S. 65
[47]
Strauss, L.: Naturrecht und
Geschichte, Frankfurt/M. 1989, S.
37
[48]
Euchner, W.: Naturrecht und Politik bei John Locke,
Frankfurt/M, 1979, S. 56
[49]
Brocker, M.: Die Grundlegung des liberalen
Verfassungsstaates. Von den
Levellern zu John Locke. Alber, Freiburg 1995, S. 76
[50]Anstey, P.R. (Hrsg.): The philosophy of John Locke. New
perspectives, London 2003, S. 45
[51]Woolhouse, R.: Locke: A Biography, Cambridge 2009,
S. 43
[52]
Strauss, L.: Naturrecht und
Geschichte, Frankfurt/M. 1989, S.
55
[53]
Thiel, U.: John Locke. mit Selbstzeugnissen u.
Bilddokumenten, Reinbek 1990, S. 55
[54]Tully, J.: A discourse on property. John Locke and his adversaries, Cambridge
1982, S. 33
[55]
Strauss, L.: Naturrecht und Geschichte, Frankfurt/M. 1989, S. 63
[56] Kulenkampff, A.: George Berkeley, München 1987, S. 21
[57] Saporiti, K.: Die Wirklichkeit der Dinge, Frankfurt
am Main 2006, S. 29
[58] Metz, R.: George Berkeley: Leben und Lehre, Stuttgart 1968, S. 62
[59] Saporiti, K.: Die Wirklichkeit der Dinge, Frankfurt
am Main 2006, S. 37f
[60] Kulenkampff, A.: George Berkeley, München 1987, S. 57
[61] Jung, M.: Hume: die englische Aufklärung, Lahnstein 2006, S. 15ff
[62] Hepfer, K.: Motivation und Bewertung. Eine Studie zur praktischen Philosophie Humes
und Kants, Göttingen 1997, S. 104
[63] Krauthausen, U.: Die Moralphilosophie des David Hume und ihre
Aktualität in der Rechtsphilosophie, München 2009, S. 62f
[64] Merleker, M.: Humes Begriff der Realität, Berlin 2006, S.
89f
[65] Klemme, H. F.: David Hume zur Einführung, Hamburg
2007, S. 36
[66] Hepfer, K.: Motivation und Bewertung. Eine Studie zur praktischen Philosophie Humes
und Kants, Göttingen 1997, S. 28
[67] Krauthausen, U.: Die Moralphilosophie des David Hume und ihre
Aktualität in der Rechtsphilosophie, München 2009, S. 55
[68] Kulenkampff, J. David Hume. 2. Auflage, München 1989,
S. 67f
[69] Klemme, H. F.: David Hume zur Einführung, Hamburg
2007, S. 39
[70] Merleker,
M.: Humes Begriff der Realität, Berlin
2006, S. 103f
[71] Kulenkampff,
J. David Hume. 2. Auflage,
München 1989, S. 89f
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