Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 08.05.16 |
von Rüdiger Jung
Als ich mich in der Mittel- und Oberstufe des Gymnasiums für
Literatur zu interessieren begann, riet mir mein bester Freund: „Wenn du lesen
willst, was man heute lesen sollte, lies Camus!” Dem kam ich nach - anfangs
nach den vertrauten Formen von Roman, Erzählung und Drama greifend, dann auch
nach dem, was mir fremder war: Tagebuch und Essay. Daran erinnere ich mich beim
Blick auf das neue Buch von Thomas Berger. Es ist „die erweiterte Fassung”
eines „Referates, das der Autor am 17. Oktober 2015 im Rahmen des Symposions
des Freien Deutschen Autorenverbandes (FDA) Landesverband Hessen e.V. im Hotel
Altkönig, Kronberg-Oberhöchstadt, gehalten hat.” (S. 10)
Thomas Berger liefert zunächst eine prägnante und konzise Biographie von Camus,
ehe er auf dessen geistigen Weg an Hand der im Buchtitel herausgestellten
Zentralbegriffe eingeht. Ausgangspunkt ist der Nihilismus Nietzsches: der
Mensch kann sich und die Welt nicht (mehr) verstehen. Konstitutiv für die
Absurdität (und das davon nicht zur trennende Glück!) sind Gleichzeitigkeit und
Gegeneinander von Welt und Mensch. Sie stellen uns in die Alternative von
Standhalten und Ausweichen. Unter letzterem Begriff subsumiert Camus den
Suizid, das Klammern an eine Hoffnung, die Orientierung an Jenseitigem.
Nietzsches Amor fati ist für Camus nicht der Weg - schließt er doch die
Akzeptanz des Leides und des Bösen ein. Demgegenüber ist und bleibt es für
Camus zwingend, sich gegen jedwedes Unrecht zu wenden. In eigentümlicher
Modifikation der katholischen Dogmatik spricht er davon, dass außerhalb der
Welt (nicht der Kirche!) kein Heil sei.
Wie der Absurdität standzuhalten sei, dafür stehen bei Camus die Grundbegriffe
der Auflehnung, der Freiheit (des Geistes wie des Handelns) und der
Leidenschaft, die sich darin definieren lässt, das Leben ungeachtet seiner
Grenze (der Absurdität eben!) auszuschöpfen.
Thomas Berger zeigt auf, wie Camus im „Mythos von Sisyphos” Absurdität und
Glück im Blick auf das Individuum fasst, um später („Der Mensch in der
Revolte”) die Begriffe für die Gemeinschaft durchzubuchstabieren. Die Haltung
unbedingter Solidarität wappnet Camus gegen die Versuchungen von Terror und
Totalitarismus. Mit Recht arbeitet Thomas Berger heraus, dass die unbedingte
Humanität des Atheisten Camus sich in ihren Auswirkungen auf die Welt von der
konsequenten Nächsten- und Feindesliebe im Gefolge der Bergpredigt Jesu
letztlich nicht unterscheidet.
Ein - auch in seiner Gestaltung! - ansprechendes Buch, dessen heuristischer
Wert durch das sorgfältig gearbeitete Quellenverzeichnis noch erhöht wird. Zu
danken ist überdies für die ausführliche Bibliographie der Buch- und
Einzelveröffentlichungen Thomas Bergers, die an mehr als einer Stelle großes
Interesse weckt.
Thomas Berger: Albert Camus - Absurdität und
Glück
edition federleicht, Frankfurt am Main 2015, ISBN 978-3-946112-01-3
88 Seiten, Preis: 9,50 Euro
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