Erschienen in Ausgabe: No 125 (07/2016) | Letzte Änderung: 30.06.16 |
Viel Grund zu hoffen, gibt es nicht. Zumindest, wenn man den Hiobsbotschaften der internationalen Medienlandschaft Glauben schenkt. Wer heutzutage noch an ein glückliches Ende glaubt, wird oft belächelt, wer noch auf eine bessere Zukunft hofft, ist ein unverbesserlicher Träumer. Warum ein wenig Hoffnung uns allen besser täte und warum sie manchmal Wunder wirkt.
von Lisz Hirn
Einst populär und heute fast vergessen.
Ernst Bloch schrieb im Vorwort seines bekannten Werks „Das Prinzip Hoffnung“:
„Wer sind wir? Wo kommen wir her? Wohin gehen wir? Was erwarten wir? Was
erwartet uns? Viele fühlen sich nur als verwirrt. Der Boden wankt, sie wissen
nicht warum und von was. Dieser ihr Zustand ist Angst, wird er bestimmter, so
ist er Furcht.“ Vor mehr als 50 Jahren hat Bloch diese Sätze geschrieben und
sie treffen unsere soziale Befindlichkeit mehr denn je. Terror begleitet uns
tagtäglich, ökonomische Unsicherheit schwingt wie ein Damokles´ Schwert über
uns und die politischen Repräsentanten scheinen uns Otto Normalverbrauchern
ferner denn je.
„Einmal zog einer aus, das Fürchten zu
lernen…“
„…Das gelang in der eben vergangenen Zeit
leichter und näher, diese Kunst ward entsetzlich beherrscht. Doch nun wird, die
Urheber der Furcht abgerechnet, ein uns gemäßeres Gefühl fällig.“ Zu gut haben
wir uns zu fürchten gelernt. Die Angst ist allgegenwärtig, mit ihr macht man
bekanntlich die besten Geschäfte. Angst an sich hilft uns, Gefahren zu erkennen
und darauf zu reagieren. Sie mahnt uns zu Vorsicht und erhöhter Aufmerksamkeit,
verschafft uns die nötigen Energien, um entschlossen zu handeln, Schutzmaßnahmen zu
ergreifen oder Herausforderungen anzunehmen und unsere Kräfte zu mobilisieren.
Instinktive Reaktion auf Bedrohungen: Flucht, Totstellen oder Angriff. Aktuell
sehen wir uns beständig Situationen gegenüber, die Ängste auslösen: Sorgen um
Menschen, die uns lieb sind, um Geld- oder Arbeitsplatzverluste, Krankheiten,
spiegelglatte Straßen im Winter, Flüchtlingsströme, Prüfungen, Terror, um den
Zerfall des Wohlfahrtsstaates und Europa, Zahnarzttermine und vor allem um das
Fremde.
Hoffnung als Wärmestrom
Wobei einige Menschen insgesamt ängstlicher
sind und andere mit Angst besser umgehen, sich selbst beruhigen oder Mut machen
können. Wobei Mut zu haben nichtheißt,
dass man keine Angst hat. Mut ist nicht das Fehlen von Angst, sondern die
Stärke trotzdem zu handeln - so ein geflügeltes Wort. Das „Trotzdem handeln“
verweist uns auf eine Motivation. Eine Motivation, dass wir etwas ändern
können, dass sich unsere Situation ändern lässt: auf die Hoffnung. Hoffnung ist
die positive Erwartung, die man in eine Sache oder Person setzt, quasi der
positive Glaube an ein (bessere) Zukunft. Hoffnung kann begleitet sein von der
Angst oder Sorge, dass das Erwünschte nicht eintreten wird. Gerade aber
Hoffnung wie auch Angst wirkt sich auf unser Verhalten aus. So geht die
selbsterfüllende Prophezeiung per definitionem davon aus, dass ein erwartetes
Verhalten einer anderen Person durch eigenes Verhalten herbeigeführt wird.
Erwartet jemand ein bestimmtes Verhalten von seinem Gegenüber, erzwingt er
durch eigenes Verhalten genau dieses Verhalten. Im Gegensatz zur selbsterfüllenden
Prophezeiung steht die selbstzerstörende Prophezeiung, bei der der Betreffende sich so verhält, dass die Prophezeiung
gerade nicht in Erfüllung geht. Hoffnung spielt also nicht nur in der
Theologie, sondern auch in der Philosophie eine Rolle.
Theorie
braucht Praxis?
Hoffnung ist
also auch ein philosophisches Prinzip, das auch praktisch werksmächtig ist.
Gesellschaftliche Kämpfe werden durch Hoffnungen vorangetragen. Diese
Hoffnungen durchflössen – in Blochscher Begrifflichkeit – gesellschaftliche
Entwicklungen wie ein „Wärmestrom“. Das Bewusstsein der Menschen ist nicht nur
das Produkt ihres Seins, es ist vielmehr mit „Überschuss“ ausgestattet. Dieser „Überschuss“
findet seinen Ausdruck in den sozialen, ökonomischen und religiösen Utopien, in
der bildenden Kunst, in der Musik und sogar in den Tagträumen, die die
Hoffnungen des Individuums und der Gesellschaft widerspiegeln. Um
gesellschaftliche Änderungen zu erzielen, reicht es nicht, sich gemeinsam zu
Tode zu fürchten. „Es kommt darauf an, das Hoffen zu lernen. Seine Arbeit
entsagt nicht, sie ist ins Gelingen verliebt statt ins Scheitern.“ Ernst Bloch
gibt uns eine konkrete Aufgabe: statt dem Fürchten, endlich wieder das Hoffen
zu lernen.
Darf man überhaupt
auf eine bessere Welt hoffen?
Zu dieser
Frage schreibt Bloch im „Prinzip Hoffnung“: „Die wirkliche Genesis ist nicht am
Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und
Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der
Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende
und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne Entäußerung und
Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das
allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat“. Sprich: eine
bessere Welt. Es ist viel zu tun.
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