Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 15.09.16 |
von Michael Lausberg
Das Flächenland
Mecklenburg-Vorpommern mit seinen 1,6 Millionen Einwohnern ist vorwiegend
ländlich geprägt. Die Industrie, vor allem Schiffbau und Fischerei, kämpfen ums
Überleben. Die Arbeitslosigkeit zählt mit 9 Prozent immer noch zu den höchsten
in Deutschland. Dass sie zuletzt etwas zurückgegangen ist, liegt zum großen
Teil daran, dass immer noch viele junge Leute das Land verlassen, weil sie in
den 25 Jahren seit der Wende dort keine Arbeit finden konnten.
Insgesamt hat
Mecklenburg-Vorpommern seit der „Wiedervereinigung“ etwa 300.000 Einwohner
verloren. Zurückgeblieben sind absterbende Dörfer und Kleinstädte mit einer
überalterten Bevölkerung. Die meisten Arbeitsplätze – vor allem im Sommer –
bietet der Tourismus. Sie sind überwiegend schlecht bezahlt. Obwohl laut
Umfragen die Arbeitslosigkeit für 38 Prozent der Wähler das wichtigste Thema
ist, spielt sie im Wahlkampf der Parteien kaum eine Rolle.
Bei den letzten Umfragen lag die
SPD mit 28 Prozent in Führung. Bei der letzten Wahl hatten die
Sozialdemokraten, die mit Erwin Sellering den Ministerpräsidenten stellen, noch
35,6 Prozent der Stimmen erhalten.
„Volksparteien“ rücken nach rechts
Die derzeit regierenden Parteien
SPD und CDU haben die Abwehr von Flüchtlingen in den Mittelpunkt ihres
Wahlkampfs gestellt. Die Konzentration des Wahlkampfs auf die
Flüchtlingspolitik ist umso bemerkenswerter, als in dem schwach besiedelten
Land nur wenige Flüchtlinge leben und viele es so schnell wie möglich wieder
verlassen. Der Deutschlandfunk beziffert die Zahl der in
Mecklenburg-Vorpommern lebenden Flüchtlinge mit 11.000. Das entspricht etwa
einem halben Prozent der Gesamtbevölkerung von 1,6 Millionen Menschen.
Diese Kampagne gegen Flüchtlinge
dient vielmehr dazu, die Wut über Armut und sozialen Niedergang und die
Abstiegsängste von Mittelschichten in rechte Kanäle zu lenken. Vor allem der
CDU-Spitzenkandidat und amtierende Innenminister Lorenz Caffier (CDU) schürt
die Stimmung gegen Flüchtlinge. Obwohl in Mecklenburg-Vorpommern bisher keine
vollverschleierten Frauen gesichtet wurden, wirbt er öffentlich für ein
Burka-Verbot. Seine Äußerung: „Man hat das Gefühl, Mekka liegt mitten in
Deutschland“, rechtfertigte er mit den Worten: „Ich glaube, dass wir zu
gewissen Zeiten gewisse Bildsprachen verwenden. Und insofern habe ich dem da
nichts weiter hinzuzufügen.“ Der sicherheitspolitische Sprecher
CDU-Landtagsfraktion, Michael Silkeit, wirbt auf einem Flyer mit den
einstürzenden Türmen des World Trade Centers von New York. CDU-Landeschef Caffier scheint einer
Zusammenarbeit mit der AfD nicht abgeneigt zu sein. Er sagte, sie sei nur
„konsequenter und patriotischer“ als die CDU.
Auch SPD-Spitzenkandidat Erwin
Sellering setzt auf die Karte der Flüchtlingshetze. In einem Interview mit Spiegel
online griff er die Bundeskanzlerin von rechts an. Angela Merkel habe
„vergangenen Herbst den Eindruck erweckt, als müssten wir unbegrenzt
Flüchtlinge aufnehmen, und gleichzeitig so getan, als sei jeder, der Bedenken
äußerte, entweder rechtsextrem oder ein Dummkopf“. Die Aufnahme von
Geflüchteten habe „zu einer Spaltung der Gesellschaft geführt“. Außerdem
stellte Sellering fest: „Es geht nicht, jeden, der Kritik äußert, in die
AfD-Ecke zu stellen. Das verhindert, dass wir uns ernsthaft mit berechtigter
Kritik auseinandersetzen.“
Hetze der AfD gegen Flüchtlinge
Die AfD setzt auch ganz offen
auf die rassistische Karte auf die verbreitete Wut über die etablierten
Parteien. Der Spitzenkandidat der AfD, der ehemalige Radiomoderator Leif-Erik
Holm, klopft Sprüche wie: „Die Angst vor der Überfremdung und dem Verlust der
deutschen Identität ist nicht irrational, sondern durch Zahlen belegt. Ich
persönlich fühle diese Angst, dass wir Deutschen eines Tages kulturell
untergehen könnten, so wie es in manchen Stadtteilen schon passiert ist.“
Holger Arppe, der Rostocker AfD-Kandidat, wurde 2015 wegen Volksverhetzung zu
einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte in einem Internetforum einen
menschenverachtenden Kommentar gegen Muslime gepostet.
Die AfD verlangt einen
sofortigen Stopp der Einwanderung und der Aufnahme von Flüchtlingen. Ergänzt
wird dies durch Forderungen wie: Familien soll es besser gehen, mehr Kinder,
mehr Sicherheit, mehr Polizei. Die AfD ist außerdem gegen Windkraft und leugnet
den Klimawandel.
Unterstützung für die AfD durch die NPD
Viele Vertreter der
neonazistischen NPD unterstützen inzwischen die AfD. Die Partei hat zugunsten
der AfD sogar auf eigene Direktkandidaten verzichtet. Vor fünf Jahren war die
NPD noch auf 6 Prozent der Stimmen gekommen und mit einer eigenen Fraktion in
den Landtag eingezogen.
Udo Pastörs, NPD-Spitzenkandidat
bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, bedankt sich im Wahlkampf bei
einer älteren Frau dafür, dass sie sich die Wiederauferstehung Adolf Hitlers
wünscht – diesen Eindruck bekam man durch die kurze Video-Vorschau, die die
ARD-Sendung Panorama am Donnerstagmorgen auf Facebook verbreitet hatte.
In dem Videoschnipsel spricht
Pastörs mit der Frau zunächst über „Schwarzafrikaner, die mit ihrem Rauschgift
die deutsche Jugend verseuchen“. Daraufhin antwortet die Frau: „Deswegen sage
ich immer noch öfters: Adolf, steh auf! Du hast lange genug geschlafen. Dass
hier endlich mal Ordnung herrscht.“ Daraufhin werden Bild und Ton überlagert,
es ist zu lesen: „Und was sagt Udo Pastörs von der NPD dazu?“
Dann läuft das Video weiter und
Pastörs sagt: „Ich bedanke mich bei Ihnen vielmals. Das sage ich Ihnen ganz
offiziell. Gehen Sie hin, machen Sie ihr Kreuz. Zweistimme NPD. Dann brauchen
Sie sich, Sie sind so ungefähr im Alter meiner Mutter, nicht vorzuwerfen, Sie
hätten es nicht noch versucht.“ An dieser Stelle endet der Clip. Von der
Äußerung der alten Dame distanziert sich Pastörs nicht.
Pastörs, der am 24. August 64
wird, gilt als eine Schlüsselfigur der NPD. Seit ihrem Landtagseinzug 2006
führt er die Fraktion der Neonazis und stieg vorübergehend zum
NPD-Bundesvorsitzenden auf. Nach parteiinternem Streit hat er auf Bundesebene
keine Führungsämter mehr.
Rechtspopulismus
in der Linkspartei
Die Linkspartei liegt in den
Umfragen inzwischen bei 13 Prozent, 5 Prozent weniger als bei der letzten
Wahl.Der Flüchtlingshetze tritt sie
nicht energisch entgegen. Ihr Spitzenkandidat, Helmut Holter, sagte in einem Zeit-Interview
über den Aufstieg der AfD: „Die AfD wird nicht nur wegen der Flüchtlinge
gewählt, sondern wegen des Frusts und der Wut. Das geht auf die Sozialreformen
der Agenda 2010 zurück, auf die Griechenland-Rettung. Viele verstehen hier
nicht, dass dafür Geld da ist, für ihre Anliegen aber nicht.“
Auf Bundesebene gibt es innerhalb
der Linkspartei seit langem einen rechtspopulistischen Politikansatz, der vor
allem mit den Namen Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine verbunden ist. Wenige
Tage, nachdem die Große Koalition beschlossen hat, das Asylrecht weiter zu
verschärfen, forderte Oskar Lafontaine, die Zahl der Flüchtlinge, denen in der
BRD Schutz gewährt wird, durch „feste Kontingente in Europa zu begrenzen und
dafür den hier Aufgenommen zu ermöglichen, ihre Ehepartner und Kinder nach zu
holen“. In rechtspopulistischer Manier behauptete er, „ein stetig ansteigender
Zuzug“ hätte „zwangsläufig zur Folge, dass der Nachzug von Familienmitgliedern
begrenzt werden müsste. (…) Eine entsprechende klare Aussage der Bundeskanzlerin
Angela Merkel fehlt bisher. Nach Auffassung führender Politiker in Europa ist
sie daher mittlerweile mit verantwortlich für die stetig ansteigenden
Flüchtlingszahlen und das Erstarken rechter Parteien in Europa.“
Lafontaine startete auch den Versuch, ärmere Deutsche
gegen Flüchtlinge auszuspielen: „Die Kosten dürfen nicht diejenigen tragen, die
ohnehin schon benachteiligt sind, nämlich die Geringverdiener, Arbeitslosen,
Rentner und Familien.“
Sarah
Wagenknecht bekräftigte die Aussagen Lafontaines zu „europäischen Kontingenten“
in der Flüchtlingspolitik. In einem Interview am 7. Dezember 2015 stellte sie
fest: „Wir können nicht jedes Jahr eine
Million Menschen aufnehmen. Deshalb muss Deutschland viel mehr dafür tun, dass
nicht mehr so viele Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Die Kriege sind ja
die Fluchtursache Nummer eins.“ Weiterhin versuchte sie Teile der Wähler der
Linkspartei, die mit den Forderungen von Pegida sympathisieren, vom Vorwurf des
Rassismus freizusprechen: „Ich halte es genauso für falsch, jeden, der Probleme
anspricht, die wir infolge der Flüchtlingskrise haben, oder der sich Sorgen
macht wegen steigender Mieten oder Kürzungen an anderer Stelle, in die
Pegida-Ecke zu stellen.“
Erosion
der politischen Kultur
Unabhängig vom Wahlergebnis ist
schon jetzt der Schaden für die politische Kultur nicht nur in
Mecklenburg-Vorpommern sichtbar. Das Anbiedern von demokratischen Parteien an
die Parolen von neonazistischen (NPD) oder deutschnationalen Rattenfängern
(AfD) mit fließender Verbindung zum extrem rechten Spektrum, um diese mundtot
zu machen, hat noch niemals funktioniert. Die Bevölkerung wählt wahrscheinlich
lieber das Original. Rechtssein gehört also schon zur politischen
Alltagskultur, die Folgen dieser Entwicklung werden – wie immer- Nichtdeutsche
und Flüchtlinge zu spüren bekommen. Dieses Spiel mit dem Feuer kann auch
tödlich enden, wie die Zahlen der neonazistisch motivierten Morde nach der
Wende eindeutig zeigen.
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