Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 10.10.16 |
Unter dem Deckmantel des „Kampfes gegen den Terror“ begannen die USA am 7. Oktober 2001 einen militärischen Großangriff auf das islamistische Taliban-Regime in Afghanistan und auf die dortigen al-Qaida-Stützpunkte. Vielmehr diente und dient die Invasion geostrategischen und imperialistischen Zwecken.
von Michael Lausberg
Die Terroranschläge am 11. September
2001 - vier koordinierte Flugzeugentführungen mit anschließenden
Selbstmordattentaten auf wichtige zivile und militärische Gebäude in den USA - verursachten
den Tod von etwa 3.000 Menschen.
9
Tage später betonte US-Präsident Bush in einer außerordentlichen
Regierungserklärung vor dem US-Kongress zunächst den Dank der USA für die
internationale Solidarität und hob dabei Großbritannien besonders hervor. Dann
benannte er das internationale Terrornetzwerk al-Qaida unter Osama bin Laden
als für die Anschläge verantwortliche Organisation, auf die alle Beweise
hindeuteten, und verlangte Bin Ladens sofortige Auslieferung durch das Regime
der Taliban in Afghanistan. Andernfalls kündigte er einen „Krieg gegen den
Terror“ an
Geostrategische
Interessen der USA
Die US-Regierung verfolgt mit diesem Krieg weit
gefasste weltpolitische Interessen. Sein Hauptzweck ergibt sich aus folgenden
Zusammenhängen. Der Zusammenbruch der Sowjetunion vor zehn Jahren hat in
Zentralasien ein Vakuum hinterlassen. Dieses Gebiet beherbergt die zweitgrößten
nachgewiesenen Vorkommen an Erdöl und Erdgas weltweit.
Spezialeinheiten der USA, Großbritanniens und
Australiens durchkämmten das ganze Land und ermordeten angebliche Mitglieder
von al-Qaida und der Taliban. Tausende von Taliban-Häftlingen wurden von den
Milizen der Nordallianz in Städten wie Masar-e Scharif und Kundus ermordet.
Hunderte Menschen, von denen viele keinerlei Verbindungen zu al-Qaida hatten,
wurden nach Guantanamo Bay, nach Kuba oder in die Geheimgefängnisse der CIA,
die „black sites“, gebracht und gefoltert. Die Regierung unter Bush verteidigte
diese Kriegsverbrechen mit der Behauptung, die Opfer seien „illegale feindliche
Kämpfer“, die nicht unter dem Schutz der Genfer Konventionen stünden.
In diesem Krieg sind wie bei allen Kriegen Zivilisten
wie Frauen, Kinder und alte Menschen die primären Opfer. Die Invasion
Afghanistans war auch weniger ein Krieg als eine Reihe von Massakern. Das
US-Militär nutzte die Gelegenheit, um eine ganze Palette mörderischer Waffen
und Taktiken zu testen. So wurden Bomben, die sieben Meter dicke Betonschichten
durchschlagen können, gegen mutmaßliche Netzwerke aus Bunkern und Höhlen
eingesetzt. Gebiete, in denen man Taliban-Kämpfer vermutete, wurden mit dem so
genannten „Daisy Cutters“ in Schutt und Asche gelegt oder mit einem Teppich aus
Streubomben überzogen. Die Fliegerbombe „Daisy Cutter“ verwandelt ein Gebiet
mit einem Radius von bis zu 1700 Metern in ein Inferno.
Auf das Blutvergießen in Afghanistan folgte die
pakistanische Militäroffensive in den grenznahen Stammesgebieten im Nordwesten
Pakistans, die die USA vehement gefordert hatte. Tausende wurden getötet und
Millionen aus ihrer Heimat vertrieben. In den darauffolgenden Jahren
terrorisierte das US-Militär Afghanistan wie auch den Nordwesten Pakistans mit
drohnengestützten Raketenangriffen. Die Einwilligung der pakistanischen
Regierung, die zuvor eine der Hauptstützen der Taliban war, wurde auf
erpresserische Art und Weise durchgesetzt.
Scheinargumente für den „Krieg gegen den Terror“
Die politischen Vertreter der USA behaupten noch heute,
der Grund für den Krieg in Afghanistan und Pakistan sei gewesen, al-Qaida wegen
der terroristischen Gräueltaten vom 11. September 2001 zu bestrafen. Die
Invasion war, wie Präsident George W. Bush erklärte, der erste Kampf im „Krieg
gegen den Terror“. Die Regierung unter Bush fabrizierte als Vorwand für die
Invasion den Vorwurf, die Taliban hätten al-Qaida Unterschlupf gewährt und sich
geweigert, deren Anführer, Osama bin Laden, auszuliefern.
Diese Rechtfertigungen beruhten mehrheitlich auf
Scheinargumenten. Die Taliban und die überwiegende Mehrheit der
al-Qaida-Mitglieder waren an den Anschlägen vom 11. September nicht beteiligt.
Diese Anschläge wurden von einer Terroristenzelle in den Vereinigten Staaten
verübt, die mit Unterstützung von Vertretern der herrschenden Elite
Saudi-Arabiens agierten, dem neben Israel wichtigsten Verbündeten der USA im
Nahen Osten. Die Anschläge waren erfolgreich, weil sich die Geheimdienste der
USA de facto zurücknahmen, obwohl ihnen die betreffenden Individuen mit
al-Qaida-Verbindung bekannt waren und sie sie bereits überwachten. Die
mörderischen Gewaltakte vom 11. September wurden dann zum Vorwand für die
Invasion Afghanistans und später, nur achtzehn Monate danach, für die Invasion
des Irak.
Die Invasion Afghanistans kann nur als Teil einer
Reihe von miteinander verbundenen Entwicklungen verstanden werden. Sie reichen
vom Golf-Krieg 1990–1991 gegen den Irak, über die Errichtung von festen
Stützpunkten der USA im Nahen Osten, die US-Interventionen am Horn von Afrika
und auf dem Balkan, sowie dem Krieg gegen Serbien 1999, bis hin zu den immer
noch nicht restlos aufgeklärten Ereignissen vom 11. September 2001.
Frühere Unterstützung von islamischen Fundamentalisten
durch die USA
Die Ursprünge von al-Qaida und den Taliban gehen auf
frühere finanzielle und logistische Unterstützung des US-Imperialismus zurück,
mit denen die Sowjetunion destabilisiert werden sollte. Seit 1978 finanzierte
und bewaffnete die CIA, auf Befehl der damaligen Regierung Carter und in
Zusammenarbeit mit Pakistan und Saudi-Arabien, islamistische Fundamentalisten.
Diese sollten Krieg gegen die von der Sowjetunion gestützte Regierung in Kabul
führen und die sowjetischen Truppen in einem langwierigen Krieg gegen die
Rebellen aufreiben. Unter jenen, die damals von der US-Regierung unterstützt
wurden, befanden sich auch der saudische Millionär bin Laden und mehrere
wahabistische Islamisten aus der ganzen Welt. Sie wurden in pakistanischen
Trainingslagern mit dem Namen al-Qaida („der Stützpunkt“) ausgebildet.
Während der gesamten 1980er-Jahre bejubelte die
Regierung unter Reagan die islamistischen Mudschaheddin als „Freiheitskämpfer“
und verurteilte die sowjetische Invasion Afghanistans, als „ein Verbrechen
gegen das afghanische Volk“.
Im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre hat Washington
dann in einem Ausmaß Gewalt gegen das afghanische Volk verübt, das weit über
das hinausgeht, was die Sowjetunion jemals versucht hatte. Die imperialistische
Intervention der Großmächte Sowjetunion und USA hat bisher hat sie weit über
eine Million Tote und Verwundete gefordert. Mehr als sechs Millionen Menschen
sind aus dem Land geflohen, was Afghanistan zu dem Land auf der Welt macht, aus
dem die meisten Flüchtlinge stammen.
Innenpolitische Folgen
Der „Krieg gegen den Terror“ hatte weitreichende
Auswirkungen innerhalb der Vereinigten Staaten selbst. Er wurde zum Vorwand für
zahlreiche Regierungsmaßnahmen: der die Bürgerrechte stark einschränkende
„Patriot Act“ von 2001, eine faktisch unkontrollierte staatliche Bespitzelung,
die unbefristete Inhaftierung, Militärgerichte, die beschleunigte
Militarisierung der Polizeibehörden und die pauschale Verfolgung von
Amerikanern mit muslimischem Hintergrund. Der Angriff auf demokratische und
bürgerliche Rechte in den USA wurde zum Vorbild für eine ähnliche Politik auf
der ganzen Welt.
>> Kommentar zu diesem Artikel schreiben. <<
Um diesen Artikel zu kommentieren, melden Sie sich bitte hier an.
Warszawski 10.10.2016 21:05
"Die Anschläge vom 11. September wurden von einer Terroristenzelle in den Vereinigten Staaten verübt, die mit Unterstützung von Vertretern der herrschenden Elite Saudi-Arabiens agierten. Die Anschläge waren erfolgreich, weil sich die Geheimdienste der USA de facto zurücknahmen, obwohl ihnen die betreffenden Individuen mit al-Qaida-Verbindung bekannt waren und sie sie bereits überwachten."