Erschienen in Ausgabe: Ohne Ausgabe | Letzte Änderung: 22.10.16 |
Das Niveau im US-Wahlkampf hat am vergangenen Wochenende einen neuen Tiefpunkt erreicht. Das Auftauchen eines Videos des republikanischen Kandidaten Donald Trump aus dem Jahr 2005, wo er damit angibt, dass er sich aufgrund seines Reichtums und seiner Berühmtheit ungestraft die sexuelle Belästigung von Frauen leisten könne, beschädigt aber die gesamte politische Kultur, nicht nur in den USA.
von Michael Lausberg
Vier Wochen vor den Wahlen in den
USA beschäftigt sich die gesamte Diskussion nicht um die drängenden Probleme
innerhalb der Gesellschaft, sondern um ein peinliches sexistisches Video des
Chauvinisten Donald Trump.[1]
Viele Wähler und Wählerinnen wenden sich mit Abscheu ab, die Abkehr von der
gesamten politischen Klasse könnte nicht lange auf sich warten lassen.
Mehrere Dutzend Amtsinhaber und
Kandidaten der Republikaner haben daraufhin angekündigt, dass sie nicht für
Trump stimmen werden, oder dazu aufgerufen, ihn als Kandidaten zu ersetzen.
Letzteres ist aber praktisch unmöglich, da viele Stimmzettel für die
frühzeitige Abstimmung oder die Briefwahl schon in Umlauf gebracht wurden.
Daraufhin suchte Trump den Konflikt mit
seiner eigenen Partei. Zunächst attackiert er Paul Ryan, den mächtigsten
Republikaner im Repräsentantenhaus, für dessen
Ankündigung, nicht mehr für Trump Wahlkampf zu machen. Ryan sei
"schwach und ineffektiv" und habe ihm "null Unterstützung"
gegeben.[2]
Seinen parteiinternen Rivalen, Arizonas
Senator John McCain, beschimpfte er als "unflätig" und äußerte, dass
der Kampf mit den "untreuen Republikanern" für ihn viel schwieriger
sei als die Auseinandersetzung mit der "Betrügerin Hillary". Und dann
verkündet Trump, wie sehr er sich freue, endlich "von den Ketten"
befreit zu sein und für Amerika endlich kämpfen zu können, "so wie ich
eswill".[3]
Im weiteren Wahlkampf will Trump die
eigene Basis mit nationalistischen Parolen und persönlichen Attacken auf
Hillary Clinton motivieren, für ihn zu stimmen. In diesem Zusammenhang will er
an ihren E-Mail-Skandal, die Ungereimtheiten der Clinton-Stiftung und vor allem
an die Sex-Affären von Ehemann Bill erinnern. Dass Wikileaks nun zahlreiche
E-Mails aus der Clinton-Wahlkampagne publiziert, hilft Trump ungemein: Im
neuesten Paket finden sich Nachrichten, wonach das
US-Justizministerium die Berater der Ex-Außenministerin darüber informiert habe,
wann umstrittene E-Mails veröffentlicht werden sollen.
Demokraten ergreifen die
Gelegenheit, um Trump in Grund und Boden zu verdammen. Die Medienkommentatoren,
die sonst keine Gelegenheit auslassen, jeden Krieg des amerikanischen Militärs
zu bejubeln, zeigen sich bestürzt darüber, wie Trump mit Frauen umgehe. Seine zahlreichen Beleidigungen und abfälligen Sprüche
über Frauen, Latinos, behinderte Menschen und Afroamerikaner haben bereits dazu
geführt, dass viele liberal denkende Wähler und Wählerinnen vor allem ein Ziel
haben: Sie wollen weniger für Hillary Clinton stimmen als gegen
DonaldTrump.
Was Trumps Äußerungen angeht, so
enthalten sie nichts, was einen Beobachter schockieren oder überraschen könnte,
der den Niedergang der Republikanischen Partei oder des gesamten
kapitalistischen Zwei-Parteien-Systems mit offenen Augen verfolgt. Trump
verkörpert die Rückständigkeit der amerikanischen herrschenden Klasse, der
fehlende Respekt vor den Rechten anderer Menschen. Kapitalistische
Möchtegernherrscher, die meinen, mit Geld sich alles kaufen zu können, und
keinen Ansatz von Selbstkritik besitzen, beschmutzen demokratische Werte im
wahrscheinlich mächtigsten Land der Welt.
Die New York Times veröffentlichte letzten Sonntag drei Seiten
aus Donald Trumps Steuererklärung.[4]
Der Milliardär nutzte eine Bestimmung des Steuerrechts, die die
Immobilienbranche begünstigt, und konnte so 1995 Verluste in Höhe von 916
Millionen Dollar geltend machen. Diese konnte er in den 18 folgenden Jahren
gegen sein Einkommen aufrechnen und so vermeiden, Steuern zahlen zu müssen.
Eine andere Bestimmung half ihm, weitere 15 Millionen Dollar an Verlusten
anzugeben. Dies überstieg sein komplettes Einkommen im Jahr der
Steuererklärung.
In seiner Reaktion darauf
bestritt Trumpnicht den Wahrheitsgehalt
dieser Meldung. Es ließ lediglich wissen, dass er auf legalem Weg steuerliche
Vorteile wahrgenommen habe, und dass seine Steuererklärung zum Zeitpunkt der
Abgabe mit den damals geltenden Steuergesetzen konform gewesen sei.
Dies heißt faktisch: Milliardäre
können Bestimmungen des Steuerrechts zu ihrem Vorteil nutzen. Diese werden von
ihren Kongressabgeordneten und Senatoren nach ihren Wünschen formuliert,
erlangen durch ihre Präsidenten Gesetzeskraft, und werden von ihren bezahlten
Buchhaltern und Steueranwälten zu ihrem Vorteil eingesetzt.
Ein erheblicher Teil der
herrschenden Klasse ist offensichtlich zum Schluss gekommen, dass Trump als
Präsident nicht akzeptabel sei. Der Skandal ist die Art und Weise, wie die
Differenzen ausgekämpft werden und gleichzeitig verhindert werden soll, dass
der reaktionäre Charakter von Hillary Clintons Wahlkampf zur Sprache kommt. Die
Demokraten ziehen es vor, Trump auf unterstem Niveau, mit einer auf Pornografie
gestützten Politik, zu bekämpfen.
Sexskandale sind zum
Standardmechanismus der herrschenden Klasse der USA geworden. Damit trägt sie
ihre Konflikte aus und verhindert gleichzeitig, dass die große Masse der
Bevölkerung auf die eigentlichen Probleme aufmerksam wird. Diese Methode ist
seit langem ein Merkmal der amerikanischen Politik. Ohne Zweifel wurde das Video aus dem Programm Access Hollywood auf NBC zu einem
Zeitpunkt aus der Schublade gezogen, an dem es den größtmöglichen Schaden
anrichtet – nämlich nur dreißig Tage vor der Wahl. Sollte dies den Trump-Wahlkampf
nicht endgültig erledigen, werden ohne Zweifel weitere Skandale aus dem Hut
gezaubert.
Diese Art, Wahlkampf zu führen,
ist nur beschämend für das wohl mächtigste Land der Welt, das demokratische
Werte in der Außenpolitik stets wie eine Monstranz vor sich her führt. Die in
den USA schon herrschende Politikverdrossenheit wird voraussichtlich ungeahnte
Höhen erreichen, zu Recht!
[1]
Siehe dazu: https://www.tagesschau.de/ausland/uswahl/trump-453.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/us-praesidentschaftswahl-trump-erklaert-den-republikanern-den-krieg-1.3201648
[3]
Ebd.
[4] http://www.spiegel.de/politik/ausland/trumps-video-anatomie-eines-politischen-gaus-a-1115800.html
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