Erschienen in Ausgabe: No 39 (5/2009) | Letzte Änderung: 28.04.09 |
Klaus Funke Der Teufel in Dresden. Ein Paganini-Roman dtv, München (Januar 2009) 139 Seiten, Taschenbuch ISBN-10: 3423137312 ISBN-13: 978-3423137317 Preis: 7,90 EURO
von Heike Geilen
Am 27. Oktober 1782 wird im italienischen Genua ein Kind
geboren, das später zum genialsten Geiger aller Zeiten avancieren sollte:
Niccolò Paganini.
Ein Name, bei dem vor über 200 Jahren viele Leute das
Kreuzzeichen schlugen und den man nur flüsternd auszusprechen wagte. Denn
dieser Mann führte auf seiner Geige Kunststücke vor, die bis dato niemand
beherrschte. Seine Finger rasten in atemberaubender Geschwindigkeit übers
Griffbrett, seine Bogenführung war exzentrisch. Mit seiner Musik wusste er die
Menschen zu hypnotisieren und zu manipulieren: ein ganzer Saal begann zu toben,
Frauen fielen in Ohnmacht, gestandene Männer fingen an zu weinen. Der beinahe
dämonischen Macht seiner Musik konnte sich niemand entziehen.
Hinzu kam sein Äußeres: Stets in Schwarz gekleidet, ein
bleiches Gesicht auf extrem dünnem Körper, dunkle lange Locken und ein
stechender Blick.
Der Dresdner Autor Klaus Funke hat sich diesem
"Teufelsgeiger" angenommen und erzählt dem Leser zwei Tage aus dessen
Leben. Im Jahr 1829 begegnen wir dem Jahrtausendgenie am Beginn seiner
Deutschlandtournee. Zuvor hat er schon rauschende Erfolge unter anderem in Wien
gefeiert und wurde daraufhin höchstpersönlich vom Monarchen in die
Residenzstadt des Königreichs Sachsen, in die barocke Elbmetropole Dresden,
eingeladen.
Hier steigt Paganini mit seinem dreijährigen Sohn Achille im
Hotel de Pologne ab. Nicht nur Kellner Knöfel erliegt den Tönen, die aus Zimmer
45 zu ihm dringen, sondern auch die Bettenmamsell Johanna Kleditzsch verfällt
dem gespenstischen Geigenvirtuosen, als der sie beim Lauschen an seiner
Zimmertür erwischt und ihr daraufhin eine Karte zu seinem restlos ausverkauften
Auftritt in der Hofoper schenkt.
Doch bevor er das Dresdner Publikum in einen wahren
hysterischen Freudentaumel versetzt ("Ein Diamantenfeuerwerk aus Tönen. Ein sich
drehendes Karussell, atemberaubend, sinnenverwirrend, schnell, unglaublich. Nie
gehört, unerhört."), ist Paganini noch auf einem privaten
literarischen Empfang bei dem damals sehr berühmten Schriftsteller Ludwig Tieck
eingeladen. Dort trifft er auf Wilhelmine Schröder-Devrient, eine der führenden
Sopranistinnen dieser Zeit und verliebt sich - wieder einmal - in die schöne
Sängerin.
Klaus Funke ist mit diesem schmalen Buch ein kleiner, aber durchweg
spannender und fesselnder Roman gelungen. Er reiht sich nicht ein in das "ganze Gespinst aus Gerüchten,
Zusammengereimtem, Märchen und Lügen um den italienischen Zaubergeiger, diesem
Besessenen, diesem Teufel, wie er von vielen genannt wird", sondern
zeichnet ein überaus sensibles und vor allem glaubhaftes Bild des Genuesen.
Rückblenden und Gedanken Paganinis lassen dabei den größten Teil seines Lebens erfahren.
Der Autor räumt auf mit den Gerüchten und zeigt, dass das Genie durch
unsägliche Entbehrungen bereits in der Kindheit und Jugend und einem strengen,
erbarmungslosen Vater zu dem wurde, was er war.
Gleichzeitig zeichnet Klaus Funke ein eindrucksvolles Zeit-
und Sittengemälde. Die Charakterisierung aller agierenden Personen, die sich
auf ein ausgewähltes Minimum beschränken, ist ihm großartig und vor allem
glaubwürdig gelungen. Der Autor schafft das Phänomen, dass man als Leser in
eine andere Zeit versetzt wird und meint, die gepuderten Perücken riechen und
das Rascheln der Reifröcke hören zu können.
Doch trotz der historischen Staffage, der feinen Accessoires
und der wohltuend beiläufig eingeflochtenen geografischen Kulisse, geht es Funke
hauptsächlich um den Menschen Niccolò Paganini, seine seelischen
Befindlichkeiten, sein körperliches Leiden und die Liebe zu seinem Sohn und zur
Musik. Dies weiß er mit einfühlsamen und emotionalen, jedoch nie kitschigen
Beschreibungen plastisch und kontrastreich zu schildern. Zuweilen legt er dabei
ein furioses Tempo vor, spitzt zu oder verzögert, lässt ein Thema nicht selten
in feuriger Leidenschaft und lodernder Erregung enden, so dass man meint,
Paganini selbst führe den Stift.
Fazit:
Funkes Stil kann durchaus mit dem Geigenspiel des Maestros kongruieren.
Ein großartiger kleiner Roman über und eine Hommage an den
"Zaubergeiger" aus Genua - Niccolò Paganini.
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