Erschienen in Ausgabe: No. 38 (4/2009) | Letzte Änderung: 30.08.11 |
Interview zur ästhetischen Chirurgie in der Universitätsklinik Jena mit Prof. Dr. Dr. Schultze-Mosgau.
von Stefan Schultze-Mosgau
Ca. 300 000 Schönheitsoperationen werden in Deutschland
jährlich vorgenommen – Tendenz stark steigend. Der Hauptteil der sogenannten
freiwilligen Patienten sind Frauen, nur jeder 5. Mann legt sich freiwillig
unters Messer. Trotzdem steht eine Vielzahl der Menschen dem Thema noch sehr
kritisch gegenüber und Maßnahmen wie Gesichtsstraffung und Faltenbehandlungen
werden von der Umwelt nicht immer wohlwollend verbucht. Sie sind Klinikdirektor
der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie in Jena. Sind
Schönheitsoparationen auch ein Thema an Ihrer Klinik? Können Sie uns Zahlen
nennen? Kann man sich einem solchen Trend überhaupt verweigern?
Ja, die ästhetische Chirurgie ist einer der Schwerpunkte in
unserer Klinik. Man kann eine trendmäßige Zunahme der Anzahl an ästhetisch
chirurgischen Eingriffen über die letzten fünf Jahre hin verzeichnen. Im
Kontext des Anti-Aging und des Wellness- trendes zeigt sich auch für die
unterschiedlichen Eingriffe im Bereich der ästhetischen Chirurgie eine
kontinuierliche Zunahme.
Welches ist der häufigste Eingriff? Laut Statistik stehen
Fettabsaugungen an Platz eins, gefolgt von Brustoperationen und
Nasenkorrekturen. Gehört letzteres in Ihrem Fachgebiet zu den täglichen
Routineeingriffen?
Fettabsaugungen und Brustoperationen stehen bei uns nicht an
den vorderen Stellen. Zumeist werden, um den Alterserscheinungen einer
Hauterschlaffung entgegen zu wirken, Korrekturen im Bereich der Oberlider oder
der gesamten Gesichtshaut nachgefragt, so dass das Lidlifting und das Facelift
gefolgt von Nasenkorrekturen oder anderen ästhetischen Korrekturen im Bereich
des Gesichtes von der Häufigkeit noch vor Fettabsaugungen oder Eingriffen an
der Brust stehen. Diese Eingriffe führen wir regelhaft durch.
Handelt es sich um einen rein ästhetischen Eingriff,
übernehmen die Krankenkassen soweit ich weiß, keine Kosten. Nur wenn der Körper
stark von der Norm abweicht oder z.B. sehr große Brüste Rückenschmerzen
verursachen, ein stark verändertes Gesicht nach einem Unfall Depressionen
auslöst. Wie verhält es sich an Ihrer Klinik bezüglich der Kosten? Vielerorts
wird ja auch mit Ratenzahlung geworben, so daß eine breitere Masse bedient
werden kann!
Bezüglich der Kostensicherung ist festzustellen, dass
Eingriffe aus einer rein ästhetischen Indikation in der Regel nicht zu den
Vertragsleistungen der Versicherungsträger gehören und somit, da sie
außervertraglich sind, von den Patienten selbst zu tragen sind. Dies betrifft
in der Regel rein ästhetisch plastische Eingriffe. Hingegen werden bei plastisch
rekonstruktiven Eingriffen, bei denen eine angeborene oder erworbene
Formveränderung mit Krankheitswert vorliegt, in der Regel die Kosten von den
Versicherungsträgern übernommen. Dies ist im Einzelfall abzuklären. Da es sich
in der Regel um planbare Eingriffe handelt, die zeitlich nicht gebunden sind,
spielt bei unseren Patienten eine Ratenzahlung keine Rolle.
Wichtig für den Erfolg ist sicher die richtige Wahl des
Arztes. Häufig sind „Schönheitschirurgen“ gar keineplastischen Chirurgen. Inwieweit sind
Fachqualifikationen erforderlich?
Sie adressieren das Thema der Qualitätssicherung bei
ästhetisch chirurgischen Eingriffen. Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen sind ausgebildet
für plastisch ästhetische Eingriffe im Gesichtsbereich. Ebenfalls sind durch
die Zusatzbezeichnung „Plastisch ästhetische Operationen“ die anderen Eingriffe
abgedeckt, so dass eine entsprechende Expertise für plastisch ästhetische und
plastisch rekonstruktive Eingriffe vorliegt.
Die Erfolge der ästhetischen Chirurgie sind groß und
diese Begeisterung verdrängt häufig, daß SchönheitsoperationenRisiken bergen! Prof. Hans-Ulrich Steinau,
ärztlicher Direktor der Klinik für plastische Chirurgie der Uniklinik Bochum,
hat sogar eine Studie gestartet, die sich mit dramatischen und unerwünschten
Operationsfolgen beschäftigt. Über welche unerwünschte Nebenwirkungen klären
Sie auf und wie häufig treten diese tatsächlich in Erscheinung?
Die Aufklärung über mögliche Komplikationen hat bei
ästhetisch chirurgischen Eingriffen einen besonderen Stellenwert. In der Regel
verfahren wir so, dass nach einer Erstvorstellung der Patienten individuell die
Wünsche des Patienten besprochen werden und nach Erhebung eines Befundes ein
für den Patienten individuell abgestimmtes Therapiekonzept festgelegt wird, was
ebenfalls gfls. Begleiterkrankungen oder anderen Veränderungen des Patienten
Rechnung trägt. In weiteren Vorstellungsterminen wird die Operation erklärt und
eine Risiko- sowie Alternativaufklärung durchgeführt. Hierbei werden neben den
üblichen chirurgischen Komplikationsmöglichkeiten wie Nachblutung und
Entzündung auch individuelle Risiken und Komplikationen des Eingriffes
besprochen. Hiernach hat der Patient eine weitere Bedenkzeit, gfls. wird ein
weiteres Aufklärungsgespräch durchgeführt, bevor dann ein Termin für den
Eingriff vereinbart wird.
Für einen ästhetisch-chirurgischen Eingriff gibt es - so
die Definition -keine medizinische
Notwendigkeit. Ausschlaggebend ist allein der Wunsch des Patienten. Gäbe es
auch Operationen, die Sie aus ethischen Gründen ablehnen würden? Gerade in den
USA scheinen ja den Wünschen der freiwilligen Patienten keine Grenzen gesetzt
zu sein, ganz nach dem Motto Hauptsache schön ….
Ja, ästhetische chirurgische Eingriffe dienen der
Verbesserung der Lebensqualität und es liegt in der Verantwortung des Arztes,
dies bei einem empathischen Arzt-Patientenverhältnis mit dem Patienten
ausführlich zu besprechen und in Abwägung und Aufklärung über die Risiken eine
Entscheidung mit dem Patienten zusammen zu finden. Trotzdem gibt es immer
wieder Situationen, in denen wir einen Eingriff ablehnen. Das ist immer dann
der Fall, wenn die Erwartungen des Patienten sowie seine subjektive
Eigenwahrnehmung sich zu weit von einer klinisch-operativen Realisierbarkeit
entfernen oder das zu erwartende Ergebnis bei der subjektiven Erwartung des
Patienten das Operationsrisiko nicht rechtfertigt. In diesem Falle haben wir
als Chirurgen die Verantwortung, dies dem Patienten mitzuteilen.
Das Kreiskrankenhaus in Starnberg bei München wirbt mit
der Atmosphäre eines 5 Sterne Hotels? Was kann Ihre Klinik den selbstzahlenden
Kunden/innen während des Krankenhausaufenthaltes an Annehmlichkeiten bieten?
Wie lange ist im Durchschnitt der stationäre Teil der Behandlung?
Das UKJ sowie die Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer-
und Gesichtschirurgie/Plastische Chirurgie gehört zu einem der modernst
ausgestatteten Universitätskliniken in Deutschland. Neben Einzelbettzimmern mit
Internetanschluss und Kabelfernsehen werden weitere Annehmlichkeiten wie Essen
nach Menükarte vorgehalten. Die durchschnittliche stationäre Verweildauer kann
pauschal nicht festgelegt werden, da in der Regel für unterschiedliche
Eingriffe unterschiedliche Verweildauern existieren. In Einzelfällen werden
auch in Absprache mit dem Patienten und bei entsprechend engmaschigen
Nachsorgeterminen sehr kurze stationäre Verweildauern gewählt.
Sie sind ja in erster Linie ärztlicher Direktor der
konventionellen Mund-, Kiefer und Gesichtschirugie und beispielsweise spezialisiert
auf die operative Therapie kraniofazialer Fehlbildungen wie Lippen-, Kiefer-,
Gaumenspalten oder Kieferfehlstellungen / Dysgnathien. In wieweit kommt Ihrem
Zentrum hier ein überregionaler Stellenwert zu?
Die Behandlung von angeborenen Fehlbildungen wie
Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten oder kraniofazialen Fehlbildungen ebenso wie
Kieferfehlstellungen und Dysgnathien ist tatsächlich ein überregionaler
Schwerpunkt unserer Klinik. Dies zeigt sich u. a. an der Tatsache, dass in
unserer Klinik ein universitäres Lippen-Kiefer-Gaumen-Spaltzentrum etabliert
ist, bei dem interdisziplinär Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten
betreut werden. In diesem Zentrum behandeln wir Patienten nicht nur aus der
Thüringer Region, sondern auch aus den angrenzenden Regionen der benachbarten
Bundesländer. Wir führen im Jahr eine Vielzahl an primären und sekundären
Eingriffen bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten oder angeborenen Fehlbildungen bis
hin zu komplexen Fehlbildungenssyndromen durch. Auch im Bereich der skelettalen
Fehlbildungschirurgie führen wir die hohe Anzahl von 140 Umstellungsosteotomien
pro Jahr durch.
Zusammenfassend kann man daher mit Recht sagen, dass die
Behandlung von angeborenen Fehlbildungen und Dysgnathien zu den Schwerpunkten
unserer Tätigkeit gehört.
Laut Ihrer Homepage betreuen Sie jährlich ca. 1400
Patienten. Siegarantieren Ihnen eine speziell
auf Sie zugeschnittene Behandlung und professionelle Rahmenbedingungen auf dem Standard
einer Universitätsklinik. Die Hälfte Ihres Angebotes beläuft sich auf
plastische, ästhetische Eingriffe. Können Sie uns sagen, ob es sich die Hälfe
der Patienten auch solchen Operationen unterziehen?
Auf der Homepage haben wir das Spektrum plastisch
ästhetische Eingriffe sowie die Behandlung von medizinisch indizierten
Eingriffen bei Erkrankungen unseres Fachgebietes. Das dargestellte Angebot an
plastisch ästhetischen Eingriffen führen wir natürlich auch regelhaft durch.
Darüber hinaus sind wir als Grund- und Regelversorger sowie Maximalversorger
als Universitätsklinik natürlich an der traumatologischen Behandlung von
mehrfach verletzten Patienten sowie der Behandlung von Tumorpatienten mit
bösartigen Erkrankungen im Kopf-/Halsbereich maßgeblich beteiligt. Das Spektrum
der plastischen Chirurgie umfasst sowohl plastisch ästhetische Eingriffe als
auch plastisch rekonstruktive Eingriffe an den Weichgeweben und den
Knochenstrukturen, so dass eine strikte Trennung nicht immer vorgenommen werden
kann.
Momentan herrscht in vielen Fachbereichen ein starker
Nachwuchsmangel an engagierten Ärzten. Wie sieht es bei Ihnen an der Klinik
aus? Bedeutet Mund-, Kiefer- und Gesichtschirugie immer die Bereitschaft auch
plastisch-ästhetisch tätig sein zu wollen?
In unserer Klinik haben wir keinen Nachwuchsmangel, im
Gegenteil, wir haben eine höhere Nachfrage als zur Verfügung stehende
Ausbildungsstellen. Für die Facharztausbildung zum
Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen und zur Erlangung der Zusatzbezeichnung
„Plastisch Ästhetische Operationen“ gehört natürlich, entsprechend der
Weiterbildungsordnung, auch die Notwendigkeit und Bereitschaft, sich plastisch
ästhetisch chirurgisch zu engagieren. Die Tätigkeit eines
Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen, auch in der Grund und Regelversorgung, ebenso
wie in der Maximalversorgung, ist immer mit einem hohen Anteil an ästhetischer
Komponente verbunden.
Die Nachsorge und Rekonvaleszenz der operierten Patienten
obliegt dem Pflegepersonal und dessen Qualität spielt demnach eine große Rolle
und ist mitverantwortlich für eine gute Reputation. Inwieweit herrscht
Pflegenotstand in Ihrem Fachbereich? Wie steht es mit dem Verhältnis zwischen
Pflegepersonal und Ärzten auf Ihren Stationen?
Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Pflegepersonal ist
für eine qualitätssichernde und optimale Patientenbehandlung von besonderer
Bedeutung und hat einen hohen Stellenwert. Um im Sinne der Patienten die
optimale Versorgung zu gewährleisten, werden die Visiten und Besprechungen
gemeinsam bei uns in der Klinik durchgeführt. Auf diese Weise wird ein
optimaler Informationsfluss, der für eine reibungslose Zusammenarbeit
Voraussetzung ist, sichergestellt. Alle Planstellen der Pflege auf unserer
Station sind besetzt, so dass ich einen Pflegenotstand durch nicht zu
besetzende Stellen im Bereich der Pflege nicht sehen kann.
Gestatten Sie uns noch eine letzte Frage: Inwiefern
spielt das eigene ästhetische Empfinden und der eigene Anspruch an ein
gepflegtes Äußeres eine Rolle, um Ihren Beruf erfolgreich ausüben zu können?
Ich denke, eine Gepflegtheit und Sensibilität für Ästhetik
spielt generell in der Medizin eine Rolle. Sie haben aber recht, ich denke
gerade in unserem Fachbereich mit einem hohen Anteil an Gesichtschirurgie, ist
ein Empfinden für Symmetrie und Ästhetik kein Nachteil. Ich denke, wir alle
versuchen diesem Anspruch täglich gerecht zu werden.
Das Gespräch führte Dörte Fehling
Vielen Dank für das Interview!
Jena, den 25.1.09
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