Erschienen in Ausgabe: No 40 (6/2009) | Letzte Änderung: 25.05.09 |
Marcus Chown, Das Universum und das ewige Leben. Neue Antworten auf elementare Fragen, Titel der Originalausgabe: The Never-Ending Days of Being Dead, Aus dem Englischen von Friedrich Griese, Deutscher Taschenbuch Verlag, München (März 2009), 319 Seiten, Taschenbuch, ISBN-10: 3423247126, ISBN-13: 978-3423247122, Preis: 14,90 EURO
von Heike Geilen
"Wir haben einen
weiten Weg hinter uns.", beginnt Marcus Chown sein Buch "Das
Universum und das ewige Leben", um diese Aussage gleich wieder zu
relativieren: "Aber wir haben noch
ein weites Stück vor uns." Verglichen mit dem Alter des Universums von
rund 13.7 Milliarden Jahren ist die Existenz der menschlichen Intelligenz
nahezu ein Nichts. Gleichwohl ist sie in dieser verschwindend geringen Zeit Vielem
auf die Spur gekommen und das große Firmament mit den unzähligen Sternen ist
keine große Unbekannte mehr.
Zwar verkündeten Ende des 19. Jahrhunderts die Physiker
frohgemut, sie hätten praktisch alles entdeckt, was es zu entdecken gibt, doch
dann wurde ihr auf wackligen Füßen stehendes Gebäude gleichsam mit zwei
"Bomben" in die Luft gejagt: der Quantentheorie und der
Relativitätstheorie. Trotzdem haben wir heute "eine brauchbare Vorstellung von der Größe des Universums - wir
können bis zum 'Lichthorizont' schauen, der die Grenze des beobachtbaren Raums darstellt
[...], wir können die Bausteine des Kosmos zählen, rund hundert Milliarden
Galaxien wie unsere Milchstraße. Und wir haben nicht nur eine Vorstellung von
der Größe und dem Inhalt des Universums, sondern auch einen guten Anhaltspunkt
dafür, wie es entstanden ist", erzählt der Physiker und
Wissenschaftsjournalist aus Großbritannien, dessen erstes Buch die
meistgelesene populärwissenschaftliche Veröffentlichung nach Stephen Hawkings
"Eine kurze Geschichte der Zeit" war.
Aber dieses Wissen muss relativiert werden, denn 1998 fand
man heraus, "dass Sie, ich, die
Sterne und die Galaxien nur vier Prozent der Masse des Universums ausmachen.
Überwiegend besteht der Kosmos aus rätselhaftem unsichtbarem Zeug mit
abstoßender Gravitation, der dunklen Energie, ganz zu schweigen von dem
unsichtbaren Zeug mit normaler Gravitation, der dunklen Materie."
Leben wir in einer
großen Computersimulation?
Doch die Wissenschaft ruht nicht. Man möchte auch noch die
"letzten Fragen" beantwortet wissen. Vielleicht ist unsere Generation
die erste, die eine realistische Chance hat, meint Marcus Chown. Das Arsenal an
Möglichkeiten, was uns heute zur Verfügung steht, um neue Fragestellungen zu
untersuchen, ist jedenfalls beeindruckend. Chown jedenfalls scheut nicht, sie
bereits jetzt zu stellen und sich in Ansätzen der möglichen Lösung zu nähern,
die im Endeffekt die Speerspitze der aktuellen wissenschaftlichen
Fragestellungen darstellen:
- Was ist hinter dem Rand des Universums und woher rührt
seine Komplexität?
- Was war vor dem Urknall?
- Welches sind die Grenzen dessen, was wir
"wissen" können?
- Woher kommt die Alltagswelt und warum erleben wir eine
Gegenwart, ein "Jetzt"?
- Woher kommen die Gesetze der Physik und wie ist aus nichts
etwas entstanden?
- Woher kommt die Masse?
- Werden wir da draußen im All jemals ET finden?
- Kann das Leben im Universum endlos weiterbestehen?
Dazu hat er mit einfallsreichen und mutigen Wissenschaftlern
gesprochen, die zum Beispiel den Urknall als Folge eines Zusammenpralls
zwischen "Inseluniversen" vermuten oder dass niemand ausschließen
kann, dass wir gar in einer großen Computersimulation leben und vielleicht am
Ende der Zeit aus einer solchen wieder auferstehen können.
Diese Theorien sind sicherlich atemberaubend, teilweise sehr
gewagt, revolutionär und sie bewegen sich im Rahmen des gerade noch
wissenschaftlich Vertretbaren. Einige werden sich bewähren und vielleicht schon
bald Eingang in den Korpus der anerkannten Wissenschaften finden, andere möglicherweise
nicht.
Spektakuläre Theorien
und Möglichkeiten
Doch gerade diese abstrakten und esoterisch anmutenden
Fragen sind im Endeffekt für unser prosaisches Alltagsleben bedeutsam, wenn wir
uns wieder einmal fragen "Woher
kommen wir? Wie ist das Universum entstanden? Was, zum Teufel, tun wir
hier?" Denn offensichtlich ist das Universum "nur ein strukturiertes, umrangiertes Nichts.", bemerkt
der Autor. "Wir und alles, was uns
umgibt, sind nur Muster in der Leere."
Chown hat sein Buch in drei Teile gegliedert. Die Antworten
auf eine erste Gruppe von Fragen werfen Licht auf die "Natur des
Universums", die der zweiten erhellen die "Natur der Realität"
und schließlich geht er auf Themen ein, in denen nach der Stellung des Lebens
(und der Menschen) im Universum gefragt wird. Allerdings setzt die Lektüre einen
aufmerksamen und vielleicht schon ein bisschen naturwissenschaftlichen und
astrophysikalisch vorbelasteten Leser voraus. Gleichwohl sollte er
"schwindelfrei" sein, wenn er sich auf den schmalen, beinahe
metaphysischen Grenzpfad, der bislang von nur wenigen Menschen betreten wurde, begeben
will. Denn eine gewisse Bodenhaftung ist bei den zum Teil spektakulären und mit
"normalem menschlichen Verstand" kaum fassbaren Theorien und
Möglichkeiten, die keineswegs nur nach den klassischen Regeln der Physik
vorangehen und nach Ursache und Wirkung schauen, von Nöten. Aber letztendlich
führt das Begehen, ja, sogar weit darüber hinaus Betreten von Grenzbereichen zu
Erkenntnis und Fortschritt.
Wer sich einlässt auf diese andere Welt der Wissenschaft,
wird am Ende verstehen, dass wir noch ein weites Stück vor uns haben und es
noch viele offene Fragen zu beantworten gibt, allen voran die rätselhafteste
aller Fragen überhaupt: "Warum hat
das Universum Materie hervorgebracht, die ihre Umgebung betrachtet und nach dem
Warum fragt?" Dieses Thema, so Marcus Chown, behält er sich vielleicht
für ein anderes Buch vor.
Man darf gespannt sein.
Fazit:
"Das Universum und das ewige Leben" ist ein lesenswertes
Buch, das ein wahres Feuerwerk an Ideen und Erkenntnissen hervorbringt. Mit
Wortwitz und Charme, unterhaltsam und mit plakativen Beispielen beschreibt Marcus
Chown in allgemeinverständlichen Worten, schwer zu fassende Themen aus
Astrophysik und Kosmologie. Dennoch ist ein gelegentliches Innehalten beim
Lesen unabdingbar, schon allein um das komplexe Theoriegebäude der Physik zu
begreifen und sich mit den zukunftsträchtigen Ideen vertraut zu machen.
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